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29.02.2024

Verletzung von Geschäftsgeheimnissen unter gemeinsamen Inhabern – Was nun? – Ein Gedankenspiel

Der Begriff „Geschäftsgeheimnisinhaber“ wird in § 2 Nr. 2 GeschGehG definiert als jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis hat. Dies lässt generell die Möglichkeit eines „gemeinsamen Inhabers von Geschäftsgeheimnissen“ zu.

Soweit so gut – aber wie kann sich einer dieser gemeinsamen Inhaber gegen den anderen erwehren, wenn dieser das Geschäftsgeheimnis im Alleingang offenbart?

Denkbare Konstellationen für eine gemeinsame Inhaberschaft sind: Eine gemeinsame Inhaberschaft zwischen Unternehmen und ihren Gesellschaftern, beide Parteien erhalten Nutzungsrechte, eigenständige Entdeckung oder Schaffung des Geschäftsgeheimnisses und Bestehen einer Geschäftsbeziehung. Anders als z.B. im Patentrecht (§ 6 S. 2 PatG) oder im Urheberrecht (§ 8 UrhG) ist der Begriff des Mitinhabers von Geschäftsgeheimnissen im GeschGehG nicht ausdrücklich geregelt. Das GeschGehG enthält keine Angaben zur Konstellation von gemeinsamen Inhabern. Die dem GeschGehG zugrundeliegende Richtlinie schweigt hierzu auch.

Mangels ausdrücklicher Vereinbarung wird jedoch davon ausgegangen, dass gemeinsame Inhaber von Geschäftsgeheimnissen als Bruchteilsgemeinschaft zu qualifizieren sind (§§ 741 ff. BGB). Liegt hingegen eine vertragliche Grundlage vor, wird sie als Gesellschaft (Gesamthandsgemeinschaft, §§ 705 ff. BGB) geregelt.

Alle Inhaber von Geschäftsgeheimnissen haben sicherlich das Recht auf Kenntnis und Nutzung. Gilt das aber auch für eine Offenlegung? Es ist davon auszugehen, dass jeder gemeinsame Inhaber berechtigt ist, einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch ohne die Zustimmung der anderen Inhaber gegen einen Dritten durchzusetzen – und dann müsste das auch gegen den verletzenden gemeinsamen Inhaber gelten.

Beim Urheberrecht gibt es in § 8 Abs. 2 UrhG eine spezifische Regelung des Verhältnisses zwischen Miturhebern, die durch eine starke persönlichkeitsrechtliche Prägung gekennzeichnet ist. Es ist daher fraglich, ob bei mehreren Inhabern von Geschäftsgeheimnissen (das Verhältnis zwischen Miturhebern wird im Wesentlichen durch den starken persönlichkeitsrechtlichen Aspekt des Urheberrechts und dessen grundsätzliche Unübertragbarkeit bestimmt) die urheberrechtlichen Bestimmungen herangezogen werden können.

§ 6 S. 2 PatG regelt lediglich, dass das Recht an einer Erfindung von mehreren Personen diesen gemeinschaftlich zusteht. Hieraus lässt sich für die vorliegend aufgeworfene Frage wenig herleiten.

Die Stellung als Verletzer und Inhaber schließt sich jedoch in persönlicher Hinsicht nicht (logischerweise) gegenseitig aus: Im Falle von Mitinhabern ist es beispielsweise denkbar, dass ein Mitinhaber gegen einen anderen Mitinhaber (als Verletzer) vorgeht. Der Mitinhaber muss die Möglichkeit haben, sich gegen Beeinträchtigungen des Nutzungsrechts mit einem Unterlassungsanspruch zu wehren.

In diesem Zusammenhang könnte sich die Frage stellen, ob ein Mitinhaber, da er in der Regel rechtmäßig in den Besitz des Geschäftsgeheimnisses gelangt ist, dem verletzenden Verhalten nach § 4 GeschGehG unterliegen kann. Das dürfte nicht der Fall sein. Das GeschGehG regelt vielmehr die Rechte und Ansprüche zwischen dem Geschäftsgeheimnisinhaber und Dritten. Das gilt auch für die dem GeschGehG zugrundeliegende EU-Richtlinie.

Es kann davon ausgegangen werden, dass derartige Konstellationen auch nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln, namentlich im Fall einer Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB zu regeln ist, sofern die Mitinhaber keine Vereinbarung getroffen haben.

In jedem Fall aber kann jeder Mitinhaber im Falle der Verletzung eines gemeinschaftlichen Rechts in seinem eigenen Namen auf Unterlassung und Schadensersatz an alle Partner klagen.

Aus § 743 Abs. 2 BGB ergibt sich wohl, dass den Mitinhabern untereinander die mit dem gemeinsamen Recht verbundenen Ausschlussbefugnisse nicht zustehen. Bei einem gemeinsamen Patent oder Gebrauchsmuster begeht daher kein Mitinhaber eine Rechtsverletzung, wenn er die Erfindung ohne Zustimmung der anderen benutzt. Da die herrschende Meinung die Mitinhaberschaft an Geschäftsgeheimnissen (ohne jegliche Vereinbarung) als Bruchteilsgemeinschaft qualifiziert, können die gleichen Grundsätze und Urteile aus dem Patentrecht anwendbar sein. Nach § 743 Abs. 2 BGB ist jeder Mitinhaber berechtigt, das gemeinsame Eigentum, d.h. das Geschäftsgeheimnis, zu nutzen, soweit die Mitbenutzung der anderen Mitinhaber nicht beeinträchtigt wird. Durch Vereinbarung, Mehrheitsbeschluss oder gerichtliche Entscheidung entscheiden die Mitinhaber im Rahmen der Verwaltung (§ 745 BGB), ob ein Geschäftsgeheimnis durch Lizenzierung oder für die eigene Nutzung der Mitinhaber genutzt werden soll. Wird die Art der Nutzung als Eigennutzung bestimmt, so regelt § 743 Abs. 2 BGB den Umfang der Nutzung. Eine Nutzung, der die Mitinhaber dauerhaft ausschließt, ist jedoch nicht zulässig.

Eine Offenbarung eines Geschäftsgeheimnisses durch einen Mitinhaber gegenüber Dritten führt dazu, dass der aufgrund der Geheimhaltung bestehende Nutzen des Geschäftsgeheimnisses (und damit dessen immanenter wirtschaftlicher Wert) nicht mehr von den anderen Mitinhabern (einzeln oder gemeinschaftlich) gezogen werden kann. Das gilt insbesondere dann, sollte die Offenbarung eines Mitinhabers gegenüber einem Dritten als zulässig erachtet werden. Dann hätte der Dritte in zulässiger Weise das Geschäftsgeheimnis erlangt und könnte dies nutzen. Damit ließen sich die Rechte der Bruchteilsgemeinschaft und deren Mitglieder aushöhlen.

Der Mitinhaber muss sich also in solchen Konstellationen gegen (derartige dauerhafte) Beeinträchtigungen seines Gebrauchs mit einer Unterlassungsklage gegen Mitinhaber wehren können. Eine schuldhafte Beeinträchtigung des Nutzungsrechts unter Mitinhabern muss die anderen Mitinhaber grundsätzlich auch zum Schadensersatz berechtigen.

Ob aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten hierbei schon von einer bestehenden Rechtssicherheit gesprochen werden kann, ist fraglich. Daher ist bei gemeinsamen Inhabern von Geschäftsgeheimnissen eine vertragliche Regelung zu empfehlen, die Rechte und Pflichten der Mitinhaber ausdrücklich regelt sowie einen Rechtsverfolgungsmechanismus vorsieht.

Autor/innen

Christoph Wiegand

Dr. Christoph Wiegand

Partner

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