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03.04.2017

„Junges dynamisches Team“ ist Indiz für Altersdiskriminierung

Die Formulierung in einer Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld „mit einem jungen dynamischen Team“ geboten wird, bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters (im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG). Sie ist deshalb (nach § 22 AGG) geeignet, die Vermutung zu begründen, dass ein/e Kläger/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines/ihres Alters benachteiligt wurde.

BAG, Urteil v. 11.08.2016 – 8 AZR 406/14 Die Parteien streiten über die Zahlung einer Entschädigung und von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die beklagte Arbeitgeberin betreibt eine Personalberatung. Der 42-jährige Kläger hatte sich auf eine Stellenausschreibung der Beklagten beworben. Diese hatte eine Stelle als „Junior Consultant“ ausgeschrieben und dabei die Tätigkeit mit einem „jungen dynamischen Team“ angeboten. Der Kläger erhielt eine Absage. Daraufhin forderte er eine Entschädigung und Schadensersatz auf Grund von Altersdiskriminierung (nach § 15 Abs. 1, 2 AGG).

Das LAG hatte die Klage abgewiesen. Das BAG hob die Entscheidung auf und verwies das Verfahren an das LAG zurück.

Das BAG führte zunächst aus, dass die Passage in der Stellenbeschreibung, in der eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld mit einem „jungen dynamischen Team“ geboten werde, eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters darstelle. Dies sei dann auch geeignet, die Vermutung im Sinne von § 22 AGG zu begründen, dass der Kläger im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Mit dem Begriff „jung“ werde unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt werde diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „dynamisch“. „Dynamisch“ beschreibe eine Eigenschaft, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben werde. Werde in einer Stellenbeschreibung – wie hier – darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit in einem jungen dynamischen Team geboten werde, enthalte dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potenzielle Stellenbewerber, dass die vorhandenen Mitglieder des Teams jung und deshalb dynamisch seien. Nach dem BAG kann eine solche Angabe vielmehr regelmäßig nur so verstanden werden, dass damit nicht nur ein „Istzustand“ beschrieben werden soll. Der Arbeitgeber bringe zum Ausdruck, er suche einen Arbeitnehmer, der in das Team passe, weil er eben so jung und dynamisch sei wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Darüber hinaus führte das BAG entgegen der Vorinstanz aus, dass der Begriff „Junior Consultant“ sich auf eine fehlende bzw. geringe Berufserfahrung beziehe. Hier bestehe eine mittelbare Verknüpfung mit dem verbotenen Diskriminierungsmerkmal „Alter“. Ob im konkreten Fall tatsächlich eine Benachteiligung ohne rechtfertigenden Grund vorlag, hat das BAG freilich nicht entschieden. Schließlich hat das BAG die neue Rechtsprechung bestätigt, wonach es auf die Frage, ob eine Bewerbung subjektiv überhaupt ernsthaft ist, nicht mehr ankomme, um einen Bewerber als einen solchen im Sinne des AGG einzuordnen. Die Ernsthaftigkeit der Bewerbung sei ausschließlich Gegenstand eines möglichen Rechtsmissbrauchseinwands. Für den habe der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Praxistipp:

Mit dieser Entscheidung des BAG ist die bislang zwischen den Instanzgerichten umstrittene Frage geklärt, ob in einer Stellenausschreibung die Erwähnung eines „jungen dynamischen Teams“ eine bloße Zustandsbeschreibung ist oder eine verbotene Diskriminierung von Bewerbern wegen des Alters darstellt. Letzteres ist der Fall. Diese Formulierung sollte deshalb nicht mehr in Stellenausschreibungen verwendet werden. Die Entscheidung zeigt weiterhin, dass bei der Verwendung von Formulierungen, die nicht auf den ersten Blick eine Diskriminierung erkennen lassen – „Junior Consultant“ –, Arbeitgeber besondere Vorsicht walten lassen sollten. Wird etwa ein Bewerber für eine bestimmte Hierarchieebene gesucht, sollte dies auch ausdrücklich so kommuniziert werden. Die im anglo-amerikanischen Raum verwendeten Hierarchiebezeichnungen „Junior/Senior“ sollten hingegen nicht verwendet werden. Schließlich zeigt die Entscheidung, dass es für Arbeitgeber deutlich schwieriger mit dem Verteidigungseinwand geworden ist, ein Bewerber habe sich nicht ernsthaft beworben, sondern habe lediglich eine Entschädigung erhalten wollen. Ausgeschlossen ist dieser Einwand freilich nicht. So kann sich etwa aus der äußeren Form einer Bewerbung immer noch ergeben, dass ein Rechtsmissbrauch vorliegt und sich der Bewerber gar nicht ernsthaft bewerben wollte. Dann kann selbst bei einer vorhandenen Diskriminierung Schadensersatz und Entschädigung ausgeschlossen sein. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Arbeitgeber.

Autor/innen

Martin Greßlin

Dr. Martin Greßlin

Partner

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