Das LG München I hat am 27. August 2025, Az. 33 O 635/25, ein interessantes Urteil zu einer Schadensersatzforderung nach Art. 82 DSGVO getroffen.
Das LG München I hat die Klage eines Nutzers einer amerikanischen Social Media Plattform u.a. abgewiesen, weil er sich widersprüchlich verhalten habe.
Der Kläger hat aus der EU heraus eine amerikanische Social Media Plattform genutzt und dann im Rahmen seines Klagevortrags u.a. mit einer rechtswidrigen Übertragung seiner personenbezogenen Daten in die USA argumentiert (vgl. Rdnr. 43 ff).
Nach Auffassung des Gerichts handelt entgegen Treu und Glauben, wer einerseits den Kommunikationsdienst eines Anbieters in Kenntnis des behaupteten Rechtsverstoßes nutzt und andererseits den Anbieter gerade für das Anbieten (des Kommunikationsdienstes) auf Schadensersatz in Anspruch nimmt.
Hintergrund
Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kann grundsätzlich jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Schadenersatz von dem Verantwortlichen und/oder vom dem Auftragsverarbeiter verlangen. Ein Schadensersatz kann dem Grunde nach gegeben sein, wenn die Datenverarbeitung rechtswidrig ist (hier: die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus der EU heraus in die USA ohne Einhaltung der Anforderungen an eine internationale Datenübermittlung nach den Art. 44 ff DSGVO).
Am 16. Juli 2020 erklärte der EuGH in der Rs. Schrems II den EU-U.S. Privacy Shield für ungültig. Bis zum Inkrafttreten des EU-U.S. Data Privacy Framework am 11. Juli 2023 konnten daher keine Daten auf Grundlage des Art. 45 Abs. 1 DSGVO in die USA übermittelt werden.
Nach Auffassung des Klägers waren Datenübermittlungen von einer europäischen Tochter an die U.S.-amerikanische Konzernmuttergesellschaft in diesem Zeitraum (2020 bis 2023) daher rechtswidrig. Aufgrund der Zugriffsmöglichkeit von U.S.-amerikanischen Behörden auf die übermittelten Daten habe der Kläger einen erheblichen Kontrollverlust erlitten und daraus resultierend einen Schaden iSd Art. 82 DSGVO.
Kernaussagen
- Keine Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung in Drittland bei Standardvertragsklauseln
Eine Datenübermittlung in ein Drittland kann auch ohne Angemessenheitsbeschluss im Sinne des Art. 45 DSGVO rechtmäßig sein, wenn zwischen dem Verantwortlichen/Auftragsverarbeiter und dem Empfänger Standardvertragsklauseln vereinbart sind und wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen (Art. 46 Abs. 1, Abs. 2 lit. c DSGVO).
- Kein Anspruch auf eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur in Europa
Soziale Netzwerke, die „global konzipiert“ sind (vgl. Rdnr. 41), setzen technisch einen internationalen Austausch von personenbezogenen Daten voraus.
Einem Nutzer einer solcher Plattformen ist dieser Umstand hinlänglich bekannt. Es besteht auch kein Anspruch gegen die Betreiberin eines solchen Netzwerks, den Dienst als „rein europäische[…] Plattform[en]“ zu betreiben:
„Die unternehmerische Entscheidung …, ein weltweites Netzwerk anzubieten […] und Daten in den USA zu verarbeiten, ist von den Nutzern, die sich freiwillig für eine entsprechende Nutzung entscheiden, hinzunehmen.“
- Kein Schadensersatz bei widersprüchlichem Nutzerverhalten
Zuletzt kann nach Auffassung des Gerichts einen Schadensersatzanspruch nicht geltend machen, wer bewusst eine weltweit agierende amerikanische Social Media Plattform nutzt, obwohl allgemein bekannt ist, dass dabei Daten in die USA übermittelt werden und U.S.-amerikanische Geheimdienste auf diese Daten unter Umständen zugreifen können. Ein solches Vorgehen verstoße gegen das Gebot von Treu und Glauben.
Ausblick
Das Urteil des LG München I ist zu begrüßen.
Mit dem Urteil erteilt das LG München I den „massenhaft[…]“ auftretenden, „weitgehend aus Textbausteinen bestehenden Klagen“ auf Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO, bei denen bereits die tatsächliche Beeinträchtigung zweifelhaft ist und der Nutzer / Kläger sich widersprüchlich verhält, etwa indem dieser trotz behauptet schwerer Beeinträchtigung weiter einen anderen Dienst desselben Anbieters nutzt, eine klare Absage.




