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10.01.2017

Datenschutzrechtswidriger Detektiveinsatz führt zu Beweisverwertungsverbot im Gerichtsprozess

Eine konkrete und zielgerichtete Datenerhebung bei einem Arbeitnehmer durch einen Detektiv wegen des Verdachts einer konkreten Vertragspflichtverletzung unterfällt nicht § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Vielmehr bedarf es des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, d. h. insbesondere des Verdachts einer Straftat. Der Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes stellt in der Regel keinen Verdacht einer Straftat dar und kann deshalb eine Datenerhebung nicht rechtfertigen. Dennoch gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.

LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.07.2016 – 4 Sa 61/15 Der Kläger war seit 1978 beim beklagten Arbeitgeber im Bereich des Stanzformenbaus tätig. Der Kläger war seit Januar 2015 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich wegen krankheitsbedingter Gründe. Im Laufe des Kündigungsrechtsstreits kündigte die Beklagte außerordentlich fristlos wegen des Verdachts unerlaubter Wettbewerbstätigkeit und des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit. Die Söhne des Klägers hatten ein Unternehmen im Stanzformbereich gegründet und in einer E-Mail an potentielle Kunden mit dem Erfahrungsschatz des Klägers geworben. Die Beklagte schaltete ein Detektivbüro ein. Einer der Detektive sah hierbei den PKW des Klägers an Tagen der Arbeitsunfähigkeit auf dem Firmengelände des Unternehmens der Söhne. Als Kunden getarnte weitere Detektive haben den Kläger auch in diesem Unternehmen an einem Montagetisch arbeiten gesehen. Die Beklagte begehrte über die Abweisung der erhobenen Kündigungsschutzklage hinaus im Rahmen einer Widerklage die Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung und Ersatz der Detektivkosten.

Das ArbG hatte die Kündigungsschutzklage noch abgewiesen und der Widerklage weitestgehend stattgegeben. Das LAG hingegen gab der Kündigungsschutzklage statt und wies die Widerklage ab. Die fristlose Kündigung sei nicht gerechtfertigt, die mit der Widerklage verfolgen Ansprüche bestünden nicht.

Das LAG führte zunächst aus, dass der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung wie etwa eine Wettbewerbshandlung im bestehenden Arbeitsverhältnis oder das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit einen wichtigen Kündigungsgrund (gemäß § 626 Abs. 1 BGB) darstellen könne. Dieser dringende Verdacht liege hier allerdings nicht vor, da die Erkenntnisse der Detektive hier nicht verwertet werden könnten. Die Zivilprozessordnung kenne zwar kein generelles Beweisverwertungsverbot. Allerdings wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen die Verwertbarkeit von heimlich erlangten persönlichen Daten an § 32 BDSG zu messen. § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG erlaube die Erhebung und Nutzung von Daten sofern dies zur Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sei. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG erlaube darüber hinaus die Erhebung und Nutzung von Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat vorlägen. Allerdings lägen hier die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG von vornherein nicht vor. Darunter würden nur Maßnahmen fallen, die nicht auf die Entdeckung konkreter Verdächtiger gerichtet seien. Sobald einem konkreten Verdacht gegen einen Arbeitnehmer zielgerichtet nachgegangen werden soll, finde alleine § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG Anwendung. Das LAG sah diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Durch das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit läge keine Straftat vor, da der Kläger sich bereits außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraumes befand. Das Erschleichen eines Krankengeldbezuges reiche nicht aus, da dies i.d.R. keine Straftat im Beschäftigungsverhältnis sei. Eine unerlaubte Wettbewerbshandlung sei i.d.R. keine Straftat. Bloße Vertragsverletzungen als Gegenstand von Ermittlungsmaßnahmen seien von § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG angesichts des Wortlauts der Norm nicht erfasst. Da danach keine Verfehlungen des Klägers nachgewiesen waren, wies das LAG auch die Widerklage ab.

Praxistipp:

Die Rechtsprechung hatte bislang offengelassen, ob eine Beweiserhebung durch Detektiveinsatz nicht nur bei Straftaten, sondern auch bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen in Betracht kommt. Setzt sich die Auffassung des LAG Baden-Württemberg in der Praxis durch – was u.E. durchaus zu befürchten ist – ist künftig ein Detektiveinsatz beim Verdacht schwerwiegender Vertragsverletzungen wie etwa einem Wettbewerbsverstoß unzulässig. Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zeigt, dass die Bedeutung des Datenschutzes auch in der arbeitsrechtlichen Praxis immer weiter zunimmt. Datenschutz ist insofern für die Personalarbeit sehr viel mehr als eine lästige Formalie.

Authors

Martin Greßlin

Dr. Martin Greßlin

Partner

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