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28.03.2024

Verstößt die ungünstige Besteuerung ausländischer Familienstiftungen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit?

Familienstiftungen sind in Deutschland nach wie vor ein probates Mittel zur generationsübergreifenden Sicherung von Familienvermögen. Wird Vermögen auf Familiengesellschaften übertragen, so löst dies - vorbehaltlich persönlicher und sachlichen Freibeträge - Erbschaft-bzw. Schenkungsteuer aus. Die Höhe der Steuer richtet sich vor allem nach der anzuwendenden Steuerklasse. Bei Familienstiftungen wird der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Stifter zugrunde gelegt (sogenanntes „Steuerklassenprivileg“).

Dieses „Steuerklassenprivileg“ ist gemäß § 15 Abs. 2 Erbschaftsteuergesetz auf Familienstiftungen „im Inland“ begrenzt. Folglich wird es bei Vermögensübertragungen auf ausländische Familienstiftungen nicht angewandt, diese vielmehr mit der ungünstigen Steuerklasse III und einem Mindeststeuersatz in Höhe von. 30 % besteuert.

Das Finanzgericht Köln hatte nun über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem eine deutsche Stifterin eine Familienstiftung in Liechtenstein errichtete und beantragte die Besteuerung nach dem „Steuerklassenprivileg“. Das Finanzamt besteuerte demgegenüber nach der ungünstigen Steuerklasse III. Es begründete dies mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und zudem mit der Kohärenz zwischen dem günstigen „Steuerklassenprivileg“ einerseits und der bei deutschen Familienstiftungen alle 30 Jahre anfallenden Erbersatzsteuer andererseits.

Das Finanzgericht Köln nahm diesen Sachverhalt zum Anlass, ihn am 30.November 2023 dem Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) vorzulegen. Es begründetet den Vorlagebeschluss mit Zweifeln, ob es mit der in Europa geltenden Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sei, dass bei der Errichtung einer Familienstiftung im Ausland stets die ungünstigste Steuerklasse III zugrunde gelegt wird, während sich im entsprechenden Fall bei einer inländischen Familienstiftung die Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entfernte Berechtigten zu dem Stifter richtet, was zur Anwendung der günstigeren Steuerklasse I oder II führt.

Der EuGH habe bereits mehrfach entschieden dass die steuerliche Behandlung von Schenkungen einschließlich der Einbringung von Vermögen in eine Stiftung in den Bereich des gegenüber Mitgliedern des Europäischen Wirtschaftsraumes geltenden Grundsatzes der Freiheit des Waren-,Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs („Kapitalverkehrsfreiheit“) fällt. Maßnahmen, die die Kapitalverkehrsfreiheit beschränken, sind danach solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem anderen Mitgliedstaat oder die in einem Mitgliedstaat Ansässige von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten. Eine solche Maßnahme stellt auch eine Schenkung dar, wenn sich der Gegenstand der Schenkung in einem Mitgliedstaat befindet und der Schenker in einem anderen Mitgliedstaat Staat ansässig ist. Daher stehen innerstaatliche Schenkungssteuervorschriften der Kapitalverkehrsfreiheit immer dann entgegenstehen, wenn Auslandsvermögen ungünstiger bzw. höher bewertet wird als Inlandsvermögen.

Aus genannten Gründen hat der vorlegende Senat des FG Köln Zweifel, ob diese, die ausländische Familienstiftungen benachteiligende Regelung im deutschen Erbschaftsteuergesetz, gerechtfertigt sein kann. Er hat zudem Zweifel an der Annahme einer Kohärenz  zwischen dem Steuerklassenprivileg inländischer Familienstiftungen einerseits und der Erbersatzsteuer andererseits. Dagegen könne schon sprechen, dass aufgrund des Zeitraums von 30 Jahren nicht jede Familienstiftung solange fortbesteht und sich das Vermögen in diesem Zeitraum zudem unvorhersehbar verändert kann.

Der Vorlagebeschluss des FG Köln reiht sich eine zunehmende Anzahl von Vorlagen, die unterschiedliche Steuerbelastungen zwischen nationalen und ausländischen Steuerpflichtigen auf die Vereinbarkeit mit europäischem Recht durch den EuGH überprüfen lassen. Für die Praxis bedeutet der Vorlagebeschluss des FG Köln, dass sämtliche Schenkung- oder Erbschaftssteuerbescheide im Zusammenhang mit der Einbringung von Vermögen in ausländische Familienstiftungen bis eine endgültige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs offen zu halten sind.

Autor/innen

Gerd Seeliger

Dr. Gerd Seeliger

Partner

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