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19.09.2023

Die Rückkehr eines Compliance-Klassikers: Bewirtung von Healthcare Professionals – Was ist aktuell zu beachten?

Während der Covid-19-Pandemie ist ein „Klassiker“ der Healthcare Compliance weitgehend in den Hintergrund getreten: Die Zulässigkeit der Bewirtung von Angehörigen der Fachkreise durch Vertreter der Pharma- und Medizinprodukteindustrie. Besuche durch den Außendienst wurden durch Telefonate und Videogespräche ersetzt. Konferenzen, Schulungen und Veranstaltungen fanden allenfalls virtuell statt. Und auch die Kooperation mit Ärzt/innen als Beratern, z.B. bei der Produktentwicklung, erfolgte weitestgehend digital.

Nach dem Ende der Pandemie leben die persönlichen Treffen allerdings wieder auf. Und so verwundert es nicht, dass sich nun auch wieder die Frage stellt, ob und in welchem Umfang Ärzt/innen, Zahnärzt/innen, Apotheker/innen, Pflegekräfte, Praxismitarbeiter/innen und andere Angehörige der Fachkreise (oft auch als „Healthcare Professionals“ oder kurz „HCPs“ bezeichnet)  eigentlich zum Essen eingeladen werden dürfen. Allerdings gibt es dabei Neuerungen vor allem bei den Wertgrenzen – u.a. durch Neufassungen bei wichtigen Kodices.

1. Die Vorschriften der Healthcare Compliance begrenzen die Bewirtungsmöglichkeiten

In anderen Wirtschaftszweigen sind gelegentliche Einladungen zum Essen unter Geschäftspartnern Gang und Gäbe. Sollen HCPs eingeladen werden, sind jedoch die besonderen Vorgaben der Healthcare Compliance zu beachten.

§ 7 HWG verbietet Zuwendungen und sonstige Werbegaben zum Zweck der produktbezogenen Absatzförderung von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie bestimmter Behandlungen und Verfahren. Werden Ärzt/innen mit Kassenzulassung im Zusammenhang mit der Heil- und Hilfsmittelversorgung zum Essen eingeladen, kann ein gegen § 128 Abs. 2 und Abs. 5b SGB V verstoßender Kick-Back vorliegen. Auch das ärztliche Berufsrecht untersagt Ärzt:innen die Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen, wenn hierdurch der Eindruck entstehen kann, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst werden könnte (konkret § 32 MBO-Ä bzw. die entsprechenden Normen der Landesberufsordnungen); auch Bewirtungen können „Vorteile“ im Sinne dieser Vorschrift sein.  Und schließlich können (in seltenen Fällen) sogar strafrechtliche Risiken bestehen, wenn die Essenseinladung als Gegenleistung dafür angeboten, versprochen oder gewährt wird, dass ein Arzt bzw. eine Ärztin das Unternehmen des Einladenden bei der Verordnung von Arznei-,Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, oder beim Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die als Sprechstundenbedarf in der Praxis eingesetzt werden sollen, unlauter im Wettbewerb bevorzugt (§§ 299a, 299b StGB).

Für Unternehmen, die Mitglied in kodexgebenden Verbänden sind, kommen mitunter deutlich strengere Regelungen aus Verhaltenskodices hinzu, denen sich die Unternehmen aufgrund ihrer Mitgliedschaft unterworfen haben. Zu nennen sind hier beispielsweise der „Kodex für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten, Apothekern und anderen Angehörigen medizinischer Fachkreise“ des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. (FSA), der Verhaltenskodex der Mitglieder des Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V. (AKG), der „Code of Ethical Business Practice“ des Verbands MedTech Europe oder der „Kodex Medizinprodukte“ des BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e.V. Der Kodex des BVMed wurde zudem im Mai 2023 überarbeitet; auf die Neuerungen wird unten unter 3. noch näher eingegangen.

2. Welche Einladungen von Healthcare Professionals sind demnach verboten?

a) Essenseinladungen, die der produktbezogenen Werbung dienen

Bereits aus § 7 HWG ergibt sich, dass jegliche Bewirtungen, die den Absatz v.a. von Arzneimitteln und Medizinprodukten fördern sollen, grundsätzlich verboten sind. Dies gilt im Übrigen auch für den Einsatz von Essenseinladungen als Werbemaßnahme für bestimmte andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 HWG näher aufgezählt sind. Vor allem Einladungen, die der Geschäftsanbahnung über solche Produkte und Leistungen dienen, sind demnach generell – und zwar ganz unabhängig von den Umständen oder Wertgrenzen untersagt.

Für die Praxis heißt das: Insbesondere der Vertrieb darf HCPs nicht zum Essen einladen (oder ihnen sonstige Zuwendungen oder Werbegaben anbieten), wenn es bei dem Essen um die werbliche Vorstellung oder Präsentation von Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens geht, oder wenn sonst produktbezogene Werbung im Sinn des § 1 HWG (z.B. die Unterbreitung eines Angebots) anlässlich der Einladung erfolgen soll.

Die Konsequenz wäre ein Verstoß gegen § 7 HWG. Verstöße gegen § 7 HWG können nicht nur über die „Brückennorm“ des § 3a UWG von Wettbewerbern abgemahnt werden, sondern sind auch Ordnungswidrigkeiten, die sowohl beim Unternehmen als auch bei den HCPs mit Bußgeldern bis zu 50.000 EUR pro Einzelfall geahndet werden können (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 und 4a, Abs. 3 Hs. 1 HWG).

In diesen Fällen steht zudem immer auch die ärztliche Unabhängigkeit und damit ein Berufsrechtsverstoß für die eingeladenen Ärzt:innen in Frage (§ 32 MBO-Ä).

Zu einer Strafbarkeit nach §§ 299a, 299b StGB dürfte es allerdings aufgrund von Essenseinladungen in der Praxis kaum kommen: Es müsste sich schon um eine recht luxuriöse Einladung handeln, damit es wirklich Grund zur Annahme einer echten „Unrechtsvereinbarung“ dahingehend gibt, dass Ärzt:innen gerade aufgrund der Bewirtung das einladende Unternehmen im Wettbewerb bevorzugen.

Wichtig ist: Für einen Verstoß gegen § 7 HWG und § 32 MBO-Ä kommt es nicht darauf an, dass die eingeladenen Ärzt/innen tatsächlich beeinflusst wurden. Gerade bei § 7 HWG genügt die Essenseinladung zu produktbezogenen Werbezwecken als solche bereits für einen Verstoß.

b) Essenseinladungen als „Belohnung“ für Produktbezug oder Verordnungsverhalten

Auch Einladungen als „Belohnung“ für ein bestimmtes Verordnungsverhalten sind gerade bei Kassenärzt:innen sehr gefährlich. Besteht ein Konnex dahingehend, dass der Arzt bzw. die Ärztin zuvor Heil- oder Hilfsmittel des Unternehmens verordnet hat, steht immer gleich ein verbotener Kick-Back (§ 128 Abs. 2 und Abs. 5b SGB V) im Raum. Solche Kick-Backs können in Sonderfällen (z.B. bei Sprechstundenbedarf) sogar zur Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs führen (§ 263 StGB), weil Kick-Backs im Sozialrecht als erhaltene Rabatte gelten, die Ärzt:innen bei der Abrechnung des Sprechstundenbedarfs, sofern dieser zum Bezugspreis erfolgt, angeben müssen.

Gleichzeitig besteht auch hier das Risiko eines Verstoßes gegen § 7 HWG, wenn mit der „Belohnung“ vergangenen Verordnungs- oder Bezugsverhaltens zugleich ein Anreiz zum Produktbezug in der Zukunft verbunden ist, z.B. um erneut in den Genuss solcher Einladungen zu kommen. Zudem verstoßen Einladungen mit Belohnungscharakter regelmäßig gegen § 32 MBO-Ä.

c) Einladungen von Angehörigen des Arztes

Selbst wenn Konstellationen vorliegen, in denen HCPs ausnahmsweise eingeladen werden dürfen, gilt dies nur für die HCPs selbst: Familienmitglieder, andere Mitarbeiter und sonstige Dritte dürfen auch dann nicht mit eingeladen werden, wenn die Einladung des HCP selbst zulässig ist.

3. Was ist erlaubt – und vor allem: Was hat sich geändert?

Aus den unter 1. genannten Compliance-Normen ergibt sich somit auch – zum Teil im Umkehrschluss – welche Einladungen von HCPs zum Essen zulässig sind:

a) Bewirtung anlässlich Fortbildungen

Der wohl wichtigste Ausnahmefall sind Bewirtungen anlässlich Fortbildungen. Soweit HCPs (bei Einhaltung der hierfür jeweils geltenden Compliance-Vorschriften) zulässiger Weise zu medizinischen Vorträgen, Veranstaltungen oder unternehmensinternen Fortbildungsmaßnahmeneingeladen werden dürfen, ist es auch zulässig, die HCPs dabei im angemessenen Umfang zu bewirten.

Dies ergibt sich z.B. ausdrücklich aus § 7 Abs. 2 HWG, der eine Ausnahme vom Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 HWG vorsieht für „Zuwendungen im Rahmen ausschließlich berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen, sofern diese einen vertretbaren Rahmen nicht überschreiten, insbesondere in Bezug auf den wissenschaftlichen Zweck der Veranstaltung von untergeordneter Bedeutung sind und sich nicht auf andere als im Gesundheitswesen tätige Personen erstrecken“. Wenn es sich um eine echte Fortbildung handelt, bei der die medizinisch-wissenschaftliche Wissensvermittlung im Vordergrund steht, wird man aber richtigerweise schon deshalb gar nicht zu zu einem Verstoß gegen § 7 HWG gelangen, weil schon keine produktbezogene Werbemaßnahme im Sinne des § 1 HWG vorliegt.

Entsprechend stellen auch die die wichtigsten Branchenkodices klar, dass Essenseinladungen zu sozialadäquaten Arbeitsessen im Rahmen erlaubter Fortbildungsveranstaltungen zulässig sind (z.B. § 22 FSA-Kodex; § 19 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1 AKG-Kodex; § 12 Kodex Medizinprodukte des BVMed; Chapter 1 No. 4 des Code of Ethical Business Practice des MedTech Europe).

b) Arbeitsessen bei Kooperationen

Ebenfalls möglich ist die Einladung zu einem Arbeitsessen, wenn das Unternehmen und der HCP in zulässiger Weise kooperieren, z.B. bei einem gemeinsamen Forschungsvorhaben, einer Referenten- oder Beratertätigkeit des HCP für das Unternehmen, einer gemeinsam durchgeführten klinischen Studie o.ä.

Auch hier gilt natürlich wieder, dass die entsprechenden Compliance-Vorgaben für solche Kooperationen eingehalten werden müssen. Sind diese Anforderungen erfüllt, kann der HCP in angemessenem Umfang zum Essen eingeladen werden, wenn es sich dabei um ein echtes Arbeitsessen handelt. Dies setzt voraus, dass es dabei hauptsächlich um die Besprechung der Kooperation geht und das Essen dabei nur Nebensache ist. Dann liegt auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor, weil das Gespräch inhaltlich nicht der produktbezogenen Absatzförderung dient (vgl. § 1 Abs. 1 HWG). Verstöße gegen ärztliches Berufsrecht, § 128 SGB V oder die strafrechtlichen Antikorruptionsvorschriften scheiden dann ebenfalls aus.

c) Immer gilt jedoch: nur angemessene Locations auswählen und die Wertgrenzen einhalten

Liegt ausnahmsweise ein Fall vor, in dem HCPs zum Essen eingeladen werden dürfen, ist dies aber noch immer kein Freibrief dafür, nach Belieben auf Unternehmenskosten mit den HCPs zu tafeln. Luxus- oder Gourmetrestaurants verbieten sich ebenso wie Erlebnisgastronomie oder Bewirtungen an attraktiven Tourismus- oder Freizeitorten. Das Essen muss zudem stets ein Arbeitsessen und somit „notwendige Nebensache“ sein – was sich nicht mit Einladungen verträgt, bei denen das Essen besonders attraktiv ist oder die Location eine prominente Stellung einnimmt.

Immer wieder stellt sich in der Praxis zudem die Frage, bis zu welcher Wertgrenze der Einladung man noch von einem solchen „Arbeitsessen“ ausgehen kann und ab wann die Bewirtung in den nicht mehr angemessenen Luxusbereich übergeht. Lange Jahre galt eine Wertgrenze von 50 EUR als allgemein anerkannt, die vor einigen Jahren dann aufgrund (geringer) Inflation auf 60 EUR angehoben wurde. In den letzten beiden Jahren betrug die Inflation allerdings kumuliert ca. 18%, und die Gastronomiepreise sind oft sogar überproportional gestiegen.

Bereits im September 2022 hatte deshalb der FSA in seinen Leitlinien zu den Kodices „Fachkreise“ und „Patientenorganisationen“ die Obergrenze für Bewirtungen, die noch als angemessen und sozialadäquat anzusehen sind, von 60 auf 75 EUR angehoben. Vor kurzem ist der BVMed nachgezogen und hat im Zuge der Einführung des neuen Kodex Medizinprodukte 2023 in § 12 nicht nur die Rahmenbedingungen genauer umschrieben, in denen Bewirtungen ausnahmsweise zulässig sind, sondern darüber hinaus in einem neuen § 12 Abs. 2 des Kodex Medizinprodukte geregelt, dass das BVMed Healthcare Compliance Committee (HCCC) „zu Orientierungszwecken“ Beträge veröffentlichen kann, bei denen „Bewirtungen von Fachkreisangehörigen unter gewöhnlichen Umständen bei durchschnittlichen Verhältnissen als sozialadäquat betrachtet“ werden können. Das HCCC des BVMed hat diesen Orientierungswert ebenfalls auf 75 EUR pro Einladung und eingeladenem HCP angehoben.

Wichtig ist jedoch auch hier: Diese Wert sind nur Orientierungswerte. Soll z.B. eine Ärztin oder ein Arzt während eines Kongresses mittags zu einem Arbeitsessen eingeladen werden, um ein gemeinsames Studienprojekt zu besprechen, und sind in der Nähe des Kongresszentrums nur hochpreisige Restaurants erreichbar, kann im Einzelfall auch ein höherer Betrag ausnahmsweise für ein Arbeitsessen noch angemessen sein.

Umgekehrt gilt aber auch: Allein die Einhaltung der Wertgrenzen macht die Einladung noch nicht zulässig! Werden Ärzt:innen z.B. auf das Oktoberfest eingeladen, mag der Einladungsbetrag pro HCP zwar unter 75 EUR bleiben; zulässig ist eine solche Einladung jedoch nicht, da hier ersichtlich der Freizeitcharakter der Gastronomie im Vordergrund steht (und darüber hinaus ein echtes Arbeitsessen mit einer Projektbesprechung als Hauptgrund auf dem Oktoberfest kaum möglich sein dürfte).

Zudem ist es immer ratsam, Anlass und Inhalt des Arbeitsessens zu dokumentieren, damit die Zulässigkeit der Einladung im Zweifel auch belegt werden kann. Manche Kodices schreiben dies ausdrücklich vor (bspw. § 22 Abs. 1 S. 2 FSA-Kodex; § 12 Abs. 3 S. 1 der Neufassung des Kodex Medizinprodukte 2023 des BVMed).  Gerade bei Eingeladenen, die im öffentlichen Dienst tätig sind (z.B. angestellte oder verbeamtete Ärzt/innen in Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft), kann es zudem geboten sein, im Zweifel vor der Einladung sicherheitshalber eine Dienstherrengenehmigung einzuholen; dies empfiehlt im Übrigen auch der BVMed in § 12 Abs. 3 S. 2 seines neuen Kodex.

4. Fazit: Mit zunehmenden persönlichen Kontakten wieder mehr auf die Compliance achten!

Nach dem Ende der Corona-Pandemie ist es schön, dass wieder vermehrt persönliche Kontakte zwischen Vertretern der Pharma- und Medizinprodukteindustrie einerseits und Angehörigen der medizinischen Fachkreise andererseits stattfinden. Allerdings kehren damit auch wieder besondere Compliance-Risiken zurück, auf deren Einhaltung strikt geachtet werden sollte. Andernfalls drohen ernsthafte rechtliche Konsequenzen. Zudem sind für Mitglieder wichtiger Branchenverbände verschiedene Neuerungen in den Kodices zu beachten, z.B. in der Neufassung des Kodex Medizinprodukte des BVMed vom Mai 2023.

Zur besseren Übersicht abschließend noch eine Tabelle der aktuell zulässigen und unzulässigen Bewirtungen von HCPs. 

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Autor/innen

Oliver Stöckel

Dr. Oliver Stöckel

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