Alle News & Events anzeigen
18.08.2025

Operation oder nur hübsch gespritzt? – Der BGH zieht eine feine Linie

Was haben Lippen, Kinn und Nasen gemeinsam? Sie können heutzutage ohne Skalpell verändert werden – eine kleine Kanüle, etwas Hyaluron, fertig ist die neue Kontur. Medizinisch notwendig ist das selten. Wer jedoch denkt, dass diese „Schönheitskorrekturen light“ auch rechtlich mit leichter Hand behandelt werden, irrt gewaltig. Der Bundesgerichtshof hat nun ein deutliches Statement gesetzt (Urt. v. 31.07.2025 – I ZR 170/24): Auch das Spritzen ist „operativ“ – jedenfalls im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes.

Im Zentrum des Verfahrens: ein ästhetisch ambitionierter Instagram-Auftritt einer Praxis für nicht-invasive Schönheitseingriffe. Dort wurde mit den üblichen Vorher-Nachher-Bildchen geworben – Nase vorher etwas charakterstark, nachher filigran und glattgezogen. Das Problem: § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG untersagt Werbung für medizinisch nicht notwendige plastisch-chirurgische Eingriffe mit solchen Bildvergleichen. Und nun hat der BGH klargestellt: Auch die „sanfte“ Korrektur per Hyaluronspritze fällt darunter.

Das ist durchaus bemerkenswert. Denn bislang war der Begriff „operativ“ meist dem klassischen Chirurgenbesteck vorbehalten – Skalpell, Klammer, Narkose. Jetzt reicht auch eine Kanüle, wenn sie in die körperliche Integrität eingreift und das äußere Erscheinungsbild verändert. Ob das Ergebnis reversibel ist, spielt dabei keine Rolle. Kurz: Es kommt nicht auf die Tiefe des Schnitts an, sondern auf die Tiefe des juristischen Verständnisses.

Wer nun aufschreit und „Berufsfreiheit!“ oder „Zensur!“ ruft, den verweist der Senat auf den guten alten Gesundheitsschutz. Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern sei besonders suggestiv und könne Menschen dazu verleiten, sich ohne echte Notwendigkeit Risiken auszusetzen. Schmerzen, Schwellungen und im Worst Case auch Embolien seien selbst bei Spritzen nicht auszuschließen.

Das Urteil zeigt: Die rechtliche Bewertung orientiert sich nicht an kosmetischen Werbeästhetiken, sondern an handfesten Gesetzeszwecken. Und dieser Zweck ist klar: Der Schutz der Entscheidungssouveränität – gerade bei Angeboten, die vor allem über das äußere Bild vermarktet werden.

Was heißt das nun für Ärztinnen und Ärzte mit einem Faible für ästhetische Transformationen im Netz? Vorsicht mit Vorher-Nachher-Posts. Wer seine Erfolge zeigen will, sollte sich entweder auf fachliche Zielgruppen beschränken – oder kreativere Wege finden, den Effekt einer Spritze zu illustrieren. Vielleicht mit Metaphern, Skizzen oder poetischen Umschreibungen? Juristisch sicherer ist das allemal.

Der BGH jedenfalls macht deutlich: Auch wenn die Schönheitsmedizin sanfter wird, bleibt das Werberecht scharf. 

    Teilen

  • LinkedIn
  • XING