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01.07.2015

Kein Anspruch auf Unterlassung personeller Maßnahmen bei Nichteinhaltung des Interessenausgleichsverfahrens

Der antragstellende Betriebsrat begehrte, dem beklagten Unternehmen im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Durchführung personeller Maßnahmen zu unterlassen, solange ein Interessenausgleichsverfahren nicht durchgeführt worden ist.

LAG Rheinland Pfalz, Urteil v. 27.08.2014 – 4 TaBVGa 4/14, NZA-RR 2015, S. 197


Der antragstellende Betriebsrat begehrte, dem beklagten Unternehmen im Wege einer einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Durchführung personeller Maßnahmen zu unterlassen, solange ein Interessenausgleichsverfahren nicht durchgeführt worden ist. Die Arbeitgeberseite hatte den Betriebsrat infolge eines Auftragsverlustes am 19.11.2013 über verschiedene Planungen informiert, die den Einsatz neuer Betriebsmittel, neuer Arbeitsprozesse, eine Teilverlagerung an andere Standorte sowie die Entlassung von 10 Arbeitnehmern vorsah. Mit Schreiben vom 26.02.2014 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberseite auf, nach umfassender Information über die geplante Betriebsänderung, Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufzunehmen. Er behauptete, der Arbeitgeber plane eine Betriebsänderung und wollte dem Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen, personelle Einzelmaßnahmen durchzuführen. Zudem behauptete er, dass die Maßnahmen gegen frühere Betriebsvereinbarungen aus dem Jahre 2005 und 2013 verstoßen würden.

Nachdem das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen hatte, hat der Arbeitgeber die Entlassungen zwischenzeitlich durchgeführt. Der Betriebsrat verfolgte seinen Antrag in der Berufungsinstanz weiter. Das LAG Rheinland Pfalz hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.

Im Einklang mit der Rechtsprechung eines Teils der Landesarbeitsgerichte, insbesondere des LAG Baden-Württemberg, aber auch der früheren Rechtsprechung des LAG Rheinland Pfalz, lehnte das LAG Rheinland Pfalz einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gegen Durchführung einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme grundsätzlich ab. Dabei konnte es das LAG sogar offen lassen, ob die Maßnahme selbst tatsächlich eine Betriebsänderung darstellte oder nicht. Das LAG Rheinland Pfalz stellte sich auf den Standpunkt, dass der Gesetzgeber als Sanktion für die Nichteinhaltung des Interessenausgleichsverfahrens den Nach-teilsausgleich nach § 113 BetrVG vorgesehen habe. Ein eigen ständiges Recht des Betriebsrates zu einer präventiven Verhinderung von interessenausgleichspflichtigen Maßnahmen verneinte das Gericht. Insbesondere verwies das Gericht darauf, dass nach Ansicht des BAG auch dem § 113 BetrVG eine kollektivrechtliche Wirkung zukomme, so dass eine ausreichende Sanktion vorgesehen sei. Obwohl die Problematik des § 113 BetrVG, der „nur“ Abfindungsansprüche der entlassenen Arbeitnehmer vorsieht, dem Gesetzgeber bekannt war, hat er bei der letzten Reform der Betriebsverfassung dem nicht Rechnung getragen und keine anderen Sanktionen im Gesetz vorgesehen. Einen angeblichen Verstoß gegen die älteren Betriebsvereinbarungen verneinte das Gericht aus tatsächlichen Gründen.

Hinweis:

Die Entscheidung des LAG Rheinland Pfalz steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung eines Teils der LAGs in der Bundesrepublik. Während ein Teil der LAGs, insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz regelmäßig eine einstweilige Verfügung mangels eines Unterlassungsanspruches gegen die Durchführung interessenausgleichspflichtiger Maßnahmen ablehnt, sprechen andere Gerichte, insbesondere zuletzt das LAG Schleswig-Holstein und das LAG Hessen, auch das LAG Hamburg und das LAG Berlin-Brandenburg, einen entsprechenden Verfügungsanspruch zu. Es kommt daher nach wie vor bei der Planung interessenausgleichspflichtiger Maßnahmen und den möglichen Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrates darauf an, in welchem Bundesamt, bzw. in welchem LAG-Bezirk der entsprechende Betrieb seinen Sitz hat. Während in den Fällen, in denen ein Unterlassungsanspruch gewährt wird, die gesamte Maßnahme zumindest temporär gestoppt werden kann, ist dies in den anderen Bundesländern nicht möglich.

Die Entscheidung weist auf einen weiteren Aspekt hin. Greift der Betriebsrat eine interessenausgleichspflichtige Maßnahme mit einer einstweiligen Verfügung an und lehnt zumindest das erstinstanzliche Gericht den Erlass der einstweiligen Verfügung ab, empfiehlt es sich regelmäßig, die Maßnahme nunmehr schnellstmöglich durchzuführen, bevor die Beschwerdeinstanz Gelegenheit hat darüber zu entscheiden. Der Unterlassungsanspruch gibt regelmäßig nicht die Möglichkeit, die Maßnahme selbst rückgängig zu machen.

Authors

Michael Wahl

Michael Wahl

Partner

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