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07.04.2021

Neue Risiken für nicht notierte Aktiengesellschaften bei virtuellen Hauptversammlungen in 2021

Durch das sog. COVID-19-Gesetz hat der Gesetzgeber im letzten Jahr die (zeitlich befristete) Möglichkeit einer rein virtuellen Hauptversammlung geschaffen, von der die Aktiengesellschaften im abgelaufenen Jahr bereits rege Gebrauch gemacht haben. Diese Regelungen wurden erst kürzlich auf dem Verordnungswege bis Ende 2021 verlängert. In der Praxis wirft das COVID-19-Gesetz aber immer wieder ungeklärte Rechtsfragen auf. Eine dieser Rechtsfragen hatte jüngst das Landgericht Köln zu beantworten.

Verkürzung des Record Date nur für börsennotierte Gesellschaften? 

Mit Urteil vom 4.3.2021 (Az. 91 O 12/20) hat das Landgericht Köln entschieden, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 COVID-19-Gesetz - der im Rahmen der Einberufung einer Hauptversammlung eine Verkürzung des Nachweisstichtags (Record Date) auf den 12. Tag vor der Versammlung vorsieht - nur auf börsennotierte Aktiengesellschaften anwendbar ist. Bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ist- so das Landgericht Köln - allein die Satzung der Gesellschaft für die Bestimmung des Nachweisstichtags maßgeblich. Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 COVID-19-Gesetz ist hingegen genauso unzulässig wie eine ergänzende Satzungsauslegung.  

Der Sachverhalt 

Bei der beklagten Aktiengesellschaft handelte es sich um eine im Freiverkehr der Börse Düsseldorf notierte Gesellschaft. Am 31.7.2020 hatte die Gesellschaft unter Fristverkürzung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 COVID-19-Gesetz zur virtuellen Hauptversammlung am 25.8.2020 eingeladen. Die Satzung der Gesellschaft sieht eine Einberufungsfrist von 36 Tagen (ohne Berücksichtigung des Tages der Einladung und der Hauptversammlung) sowie als Stichtag für den Nachweis des Anteilsbesitzes (Record Date) den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung vor, wobei Anmeldung und Nachweis der Gesellschaft mindestens 6 Tage vor der Hauptversammlung zugehen müssen. In der Einladung zur Hauptversammlung war jedoch vorgesehen, dass die Anmeldung und der Nachweis des Anteilsbesitzes bis zum Ablauf des 5. Tages vor der Hauptversammlung der Gesellschaft zu gehen müssen. Als Record Date war der Beginn des 12. Tages vor der Hauptversammlung angegeben.

Einige Aktionäre hielten die o. g. Angaben im Einladungsschreiben der Gesellschaft für fehlerhaft und erhoben Anfechtungsklage gegen die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse. Das Landgericht Köln gab den Klägern Recht und erklärte die angegriffenen Beschlüsse für nichtig.

Die Entscheidungsgründe des Landgerichts Köln

Das Landgericht entschied, dass die Beklagte bei der Einberufung den Nachweisstichtag für die Aktionärsstellung fehlerhaft angegeben habe. Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 COVID-19-Gesetz gelte nur für börsennotierte Gesellschaften. Für nicht börsennotierte Gesellschaften sei nach wie vor die Satzung maßgeblich.

Da es sich aber bei der beklagten Aktiengesellschaft nicht um eine börsennotierte Gesellschaft im Sinne von § 3 Abs. 2 AktG handelte, sei eine Verschiebung des Nachweisstichtages nach § 1 Abs. 3 Satz 2 COVID-19-Gesetz auf den 12. Tag vor der Hauptversammlung unzulässig, so das Landgericht Köln in der o. g. Entscheidung. Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 COVID-19-Gesetz sei weder auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften analog anwendbar noch könne die Satzung in der Weise ergänzend ausgelegt werden, dass sich der Nachweisstichtag auf den 12. Tag vor der Hauptversammlung verkürze. Für eine Analogie fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Für den Nachweisstichtag bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften sei nach wie vor einzig die Satzung maßgebend. 

Praxishinweis

Wenn man der Entscheidung des Landgericht Köln folgt, hat dies in der Praxis die Auswirkung, dass für nicht notierte Gesellschaften im Ergebnis strengere Regelungen gelten als für börsennotierte Unternehmen. Die Entscheidung des Landgerichts Köln wird daher vor allem viele kleine und mittelständische Gesellschaften in der Rechtsform der AG treffen, unabhängig davon, ob sie Inhaberaktien mit einem echten Record Date oder Namensaktien mit einem rein technischen Record Date (Eintragungsdatum der Namensaktien in das Aktienregister) bei der Berechnung der Fristen zugrunde legen. In jedem Fall ist eine Nutzung des durch das COVID-19-Gesetz ermöglichten verkürzten Fristenregimes seit der hier beschriebenen  Entscheidung deutlich erschwert. Die Gesellschaften sollten deshalb zumindest dann, wenn sie Anfechtungen nicht ausschließen können, bei den Fristen ihrer Satzung bleiben und die Versammlung wieder früher als 2020 vorbereiten. Ob dies vom Gesetzgeber so gewollt war, dürfte zu bezweifeln sein.

Autor/innen

Tatjana Schroeder

Dr. Tatjana Schroeder

Partnerin (Of Counsel)

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