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23.02.2022

Virtual Influencer – Hat ein Avatar als Markenbotschafter emotionales Bindungspotenzial?

Mittlerweile stellen Influencer bei vielen Unternehmen mit häufig sechsstelligen Budgets einen wichtigen Bestandteil eines erfolgreichen Marketing-Mixes dar. Die Brands setzen dabei auf prägnante Charaktere, die in den Sozialen Medien eine entsprechende Reichweite haben und der Zielgruppe des Brands entsprechen. Ursprünglicher Ansatz der Unternehmen war dabei insbesondere, dass die Follower der Influencer aufgrund der emotionalen Bindung zur jeweiligen Person der Werbung mehr Glauben schenken als beispielsweise einem TV-Werbespot und daher leichter eine Kaufentscheidung treffen.

Vor diesem Hintergrund verwundert ein relativ neuer Marketing-Trend umso mehr: Virtual Influencer – Eine computergenerierte Person, die nicht nur täuschend echt aussieht, sondern auch „lebt“ wie ein echter Influencer. Die Unternehmen bauen sich auf diesem Weg den ideal auf ihre Zielgruppe zugeschnittenen Influencer mit entsprechenden Charakterzügen, der sich wie ein „echter Mensch“ in realistische Alltagssituationen begibt. Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, Virtual Influencer zu erschaffen, sind keine Seltenheit mehr.

Ein weit zurückliegendes Beispiel für erfolgreiche „virtuelle Idole“ ist die virtuelle britische Band Gorillaz (10 Mio. Follower auf Facebook), die Ende der 90er Jahre geschaffen wurde und für ihr Werk unter anderem mit einem Grammy geehrt worden ist.

Ein vermeintlicher Vorteil von Virtual Influencern liegt auf der Hand: Der Avatar ist kontrollierbar. Influencer-Skandale sind vermeidbar. Ein Avatar wird in der Regel keinen Imageschaden verursachen. Bei einem unternehmenseigenen Virtual Influencer besteht zudem kein Risiko von Rechtsstreitigkeiten mit ihm/ihr oder aufgrund seiner/ihrer Postings. Langwierige Vertragsverhandlungen über Konditionen der Kampagne sind ebenfalls unwahrscheinlich. Der unternehmenseigene „Corporate Avatar“ kann optimal auf das Image des Unternehmens zugeschnitten werden und mit aktuellen Trends stetig weiterentwickelt werden.

Wo ist also der Haken? Kann ein offenkundig fiktiver Charakter die Zielgruppe genauso gut erreichen, emotional binden und vor allem zum Kauf motivieren wie ein „echter Influencer“?

Offensichtlich schon. Jedenfalls stellen Virtual Influencer der Anzahl ihrer Follower sowie der Likes ihrer Postings nach zu urteilen bereits eine ernstzunehmende Konkurrenz für echte Influencer und Influencerinnen dar. Auf Platz 1 der Top 15 Virtual Influencer des Influencer Marketing Hub steht „Lu do Magalu“, eine Virtual Influencerin aus Brasilien mit rund 14,7 Millionen Followern auf Facebook. „Lil Miquela“ (Platz 2, ebenfalls aus Brasilien) verkörpert einen 19-jährigen Roboter, der in LA „lebt“ und bereits in aufwendige Influencer-Marketing Kampagnen mit namhaften Brands wie Samsung, Calvin Klein und Dior involviert war.

Der Trend mag einige Influencer-Rechtsfragen entfallen lassen, aber er wirft auch neue Fragen auf: Wem gehört die Identität des Virtual Influencers? Haben Lil Miquela, (die inzwischen nicht nur mit Luxusmarken zusammenarbeitet und für Schönheitsprodukte wirbt, sondern auch ihre eigene Musik produziert) & Co. ein „Recht am eigenen virtuellen Bild“ oder „virtuellen Wort“ und kann ihr kostenintensiv entwickelter Charakter effizient vor Nachahmungen geschützt werden? Bietet unser Rechtssystem hinreichenden Schutz oder müssen wir in Zeiten von NFTs & Co. neue Schutzrechte für digitale Erzeugnisse schaffen? Für innovative Brands dürfte der Trend aussichtsreich genug sein, um den Praxistest zu wagen.

Autor/innen

Lara Guyot

Lara Guyot

Counsel

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