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07.04.2021

„Kehrtwende“ bei der Vergütung von Überstunden?

Seit der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 (Az. C 55/18) ist Schwung in die Rechtsprechung zur Vergütung von Überstunden gekommen. 

Auch wenn sich der EuGH seinerzeit mit einer arbeitszeitrechtlichen Thematik beschäftigt hat, so hat unter anderem das Arbeitsgericht Emden in diversen Entscheidungen (Urteile vom 20. Februar 2020 und  24. September 2020) diese Rechtsprechung zum Anlass genommen, um etablierte Leitlinien des BAG im Hinblick auf die Pflicht zur Vergütung von Überstunden ins Wanken zu bringen. 
 

Entscheidung des LAG Düsseldorf

Das LAG Düsseldorf hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 23. September 2020 (Az. 14 Sa 296/20) einen besonders praxisrelevanten Aspekt aufgegriffen und im Ergebnis zum Nachteil von Unternehmen entschieden. In rechtlicher Hinsicht ging es um die Frage, inwieweit eine objektive Vergütungserwartung gemäß § 612 BGB besteht, sofern sogenannte „Dienste höherer Art“ geschuldet sind. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. August 2011 (Az. 5 AZR 406/10) entsprach es fortan gefestigter Rechtsprechung, dass Arbeitnehmer, deren Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur DRV liegt, einen Anspruch auf Überstundenvergütung nicht erfolgreich durchsetzen können.

Auch wenn das LAG Düsseldorf diese Rechtsprechung im Grundsatz bestätigt, weicht es in einem ganz erheblichen Aspekt davon ab: Zwar müssen Arbeitnehmer, welche eine derartige, vergleichsweise hohe Vergütung erhalten, davon ausgehen, Überstunden leisten zu müssen – sie dürfen aber ebenso erwarten, dass die Gegenleistung für die vereinbarte Vergütung maximal die gesetzlich zulässige Arbeitszeit nach den arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen ist. Schließlich stellen die Regelungen des ArbZG insoweit Verbotsgesetze dar, mit der Folge, dass eine Arbeitszeit oberhalb des gesetzlich zulässigen Rahmens nicht rechtmäßig vereinbart respektive verlangt werden kann.

Dies bewirkte in dem entschiedenen Sachverhalt eine (partielle) Zahlungspflicht des Arbeitsgebers.

Relevanz in der Praxis

Sofern sich der Kern dieser Entscheidung durchsetzen sollte, hat diese Modifikation der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine erhebliche praktische Relevanz. Schließlich ist es nicht unüblich, dass Arbeitnehmer, welche ein sechsstelliges Gehalt beziehen, durchschnittlich 55-60 Stunden die Woche arbeiten; diese Arbeitnehmer könnten nun aber erfolgsversprechend einen Überstundenprozess anstrengen. Hinsichtlich dieser Arbeitnehmer müssen Unternehmen dann noch mehr auf zulässige Abwehrmechanismen, wie z.B. Ausschlussfristen, achten.

Autor/innen

Alexander Möller

Alexander Möller

Partner

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