Alle News & Events anzeigen

06.05.2021

Kopie sämtlicher Arbeits-E-Mails? - Umfang des Auskunftsanspruchs weiter ungeklärt

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 27. April 2021 (Az.: 2 AZR 342/20) entschieden, dass ein entlassener Arbeitnehmer von seinem früheren Arbeitgeber nicht die Herausgabe einer Kopie seiner gesamten E-Mail-Kommunikation von ihm und über ihn verlangen kann. Da das BAG diese Entscheidung aber auf zivilprozessuale Vorgaben stützt, bleibt weiterhin ungeklärt, wie weit der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch reicht und damit auch, wie aufwendig dieser für Unternehmen werden kann.

Sachverhalt und Entscheidung

Geklagt hatte ein Wirtschaftsjurist, der schon nach einem Monat in seiner Probezeit wieder entlassen worden war. Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses machte er auch einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DSGVO geltend. Er verlangte Auskunftserteilung der verarbeiteten personenbezogenen Daten über ihn sowie die Übergabe entsprechender Kopien davon und zwar einschließlich des gesamten E-Mail-Verkehrs zu seiner Person. In der Sache ging es damit um die umstrittene Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs über die gespeicherten personenbezogenen Daten aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der auch einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie dieser Daten vorsieht. 

Das LAG Niedersachsen (Urt. v. 9.6.2020 – Az.: 9 Sa 608/19) hat dem Kläger teilweise Recht gegeben, nämlich soweit es sich um personenbezogene Daten handelt, die der Arbeitgeber verarbeitet hatte. Nur dies deckt sich laut LAG Niedersachsen mit dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Seine eigene elektronische Korrespondenz mit dem Unternehmen müsse dem Kläger aber nicht übermittelt werden, weil der Kläger diese selbst kennt. Nach dem Schutzzweck gebe es daher auch keinen Anlass, diesen gesamten E-Mail-Verkehr zur Verfügung zu stellen.

Das BAG hat die Klage auf Überlassung einer Kopie der im Arbeitsverhältnis versandten E-Mails in der Revisionsinstanz jetzt ebenfalls abgelehnt. Die Frage der Reichweite dieses Anspruchs klärt das BAG damit aber nicht, weil es die Ablehnung formal begründet: Der Klageantrag auf Überlassung einer Kopie der gesamten E-Mails sei nämlich zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und das Auskunftsbegehren sei auch nicht im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemacht worden. Laut BAG ist daher unklar, von welchen E-Mails der Kläger genau eine Kopie begehrt. Solange die Nachrichten aber nicht konkret bezeichnet werden, könnten sie nach einem Urteil auch nicht vollstreckt werden (s. Pressemitteilung des BAG vom 27.4.2021).

Hintergrund und uneinheitliche Rechtsprechung

Seit der Einführung der DSGVO versuchen ehemalige Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter häufig, den Anspruch auf Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO als prozesstaktisches Mittel zu einem Anspruch auf Aktenherausgabe auszuweiten, um zusätzliche Informationen zur Begründung ihrer Klage zu erlangen oder um Druck für die Zahlung einer höheren Abfindung auszuüben.

Die Rechtsprechung zur Reichweite des Auskunftsanspruchs ist sehr uneinheitlich. Während beispielsweise das LG Köln (Urt. v. 18. März 2019 – Az.: 26 O 25/18) den Auskunftsanspruch eher restriktiv beurteilt und vermeiden will, dass Arbeitnehmer eine unzulässige Ausforschung des Arbeitgebers betreiben, legten das LAG Baden-Württemberg (Urteil v. 20. Dezember 2018 – Az.: 17 Sa 11/18) und das OLG Köln  (Urteil vom 26. Juli 2019 – 20 U 75/18) ihren Entscheidungen einen eher weit gefassten Datenbegriff zugrunde. Das LG Heidelberg hat mit Urteil vom 6. Februar 2020 (Az.: 4 O 6/19) zumindest einen Auskunftsanspruch bezogen auf Backup-Dateien eines E-Mail-Kontos wegen des unverhältnismäßigen Aufwands in der Wiederherstellung abgelehnt.

Ausblick

Das BAG zieht sich in seiner aktuellen Entscheidung auf die oben geschilderten, zivilprozessualen Vorgaben zurück und lässt damit auch die Frage, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gem. Art. 15 Abs. 3 DSGVO auch die Erteilung eines Duplikats von E-Mails umfassen kann, weiterhin offen.

Die Entscheidung des BAG ist dennoch für die Praxis nicht unbedeutend. Denn das BAG hat klargestellt, dass die betroffene Person, die die Auskunft einfordert, deutlich machen muss, welche E-Mails ihr in Kopie zur Verfügung gestellt werden sollen. Leider hat das BAG hier deutliche Worte vermissen lassen.

Das BAG hätte zudem die Möglichkeit gehabt, die Frage, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie nach den Vorgaben der DSGVO auch eine Kopie E-Mails umfassen kann, dem EuGH zur Beantwortung vorzulegen. Auch dies hat das BAG nicht getan und es ist daher gut möglich, dass das BAG meint, dass der EuGH anderer Auffassung ist und die Sache anders entschieden hätte.

Der Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO schwebt damit weiter wie ein Damoklesschwert über jedem (ehemaligen) Arbeitsverhältnis. Das BAG hat mit der aktuellen Entscheidung aber zumindest die Hürde für die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs erhöht. Der Antrag auf Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO muss jetzt jedenfalls ausreichend konkretisiert sein. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG in den Entscheidungsgründen, die noch nicht veröffentlicht sind, weitere Angabe dazu macht, wie eine Konkretisierung aussehen sollte.