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20.03.2023

Referentenentwurf sieht Streichung von Regelung zur Auftragswertermittlung bei Planungsleistungen vor

Nach einem aktuellen Referentenentwurf plant die Bundesregierung die vorteilhafte Regelung zur Auftragswertermittlung bei Planungsleistungen in § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zu streichen.

Anlass ist ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland.

1. Aktuelle Rechtslage

§ 3 Abs. 7 VgV sieht im Hinblick auf Planungsleistungen bislang folgende Erleichterung vor:

Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.“

Architekten- und Planungsleistungen waren somit bislang grundsätzlich als Einheit anzusehen, soweit die Einzellose gleichartige Leistungen umfassen. § 3 Abs. 7 S. 1 VgV bestimmt, dass bei einem Auftrag, der in mehreren Losen vergeben wird, der addierte geschätzte Gesamtwert sämtlicher Lose den Auftragswert bildet. Ob die Leistungen der einzelnen Leistungsphasen als gleichartige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 7 S. 2 VgV anzusehen sind, ist im Einzelfall anhand einer einzelfallbezogenen Betrachtung zu entscheiden. Es kommt hierbei auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen an.

Für die Praxis bedeutete dies, dass Planungsleistungen für ein einheitliches Bauvorhaben (s. OLG München (Beschl. v. 13.03.2017 - Verg 15/16) zunächst als gleichartige Leistungen anzusehen und für die Schwellenwertberechnung zu addieren (insb. Phasen 1 bis einschl. 9, § 34 HOAI) sind. Dies gilt auch, wenn beabsichtigt ist, zunächst nur einzelne Leistungsphasen zu vergeben (stufenweise Beauftragung).

Gleichwohl ermöglichte die Regelung in Satz 2 Ausnahmen, die eine separate Betrachtung der Auftragswerte rechtfertigen können (z.B. bei Planungsleistungen, die unterschiedliche Leistungsbilder der HOAI betreffen [u.a. Objektplanung, Tragwerksplanung und Planung der technischen Gebäudeausrüstung]). Maßgeblich war insoweit eine funktionale Betrachtung. Für Auftraggeber bot dies u.a. den Vorteil, dass bei einer separaten Betrachtung der Auftragswerte der EU-Schwellenwert nicht erreicht wurde und die Vergabe somit nicht den strengen Regelungen des EU-Vergaberechts unterlag. Anwendbar waren in diesem Fall vielmehr die einschlägigen unterschwelligen Regelungen.

2. Hintergrund der avisierten Änderung

Die Bundesregierung möchte nunmehr gegen den Rat u.a. der Bundesarchitektenkammer und den Verbänden der planenden Berufe die bisherige Erleichterung in § 3 Abs. 7 S. 2 VgV streichen. Dies ist einem aktuellen Referentenentwurf (Art. 1 Nr. 2) zur rechtlichen Umsetzung zu der eForms-Durchführungsverordnung zu entnehmen. Im Einzelnen zielt die Bundesregierung darauf ab, das 2019 von der EU-KOM eröffnete Vertragsverletzungsverfahren beizulegen. Die Begründung lautet wie folgt:

„Im Zuge der Vorwürfe im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland werden die Sonderregelungen in § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV sowie die entsprechenden Regelungen in der SektVO und der VSVgV aufgehoben sowie eine Klarstellung zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit von Bewerbern/Bietern in einem neuen Absatz 3 in § 46 SektVO aufgenommen.“

Hintergrund ist, dass die EU-KOM in der deutschen Sonderregelung einen Verstoß u.a. gegen Art. 5 Abs. 8 der Vergaberichtlinie (2014/24/EU) sieht, wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Lose zusammenzurechnen ist.

Die geplante Regelung überrascht, da die alte Bundesregierung die deutsche Regelung stets verteidigt hatte. In diese Richtung geht auch die Stellungnahme, welche die Bundesarchitektenkammer gemeinsam mit den Verbänden der planenden Berufe zuvor verfasst hatte. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof herbeizuführen und § 3 Abs. 7 S. 2 VgV als in der Praxis bewährte Norm nicht zu streichen.

3. Auswirkungen auf Bauvorhaben

Absehbar ist mit der neuen Regelung, dass Planungsleistungen großer Bauvorhaben künftig schneller den EU-Schwellenwert erreichen und in der Folge EU-weit auszuschreiben sind. Der Aufwand für öffentliche Auftraggeber wird weiter zunehmen und steht im deutlichen Widerspruch zum Bestreben, das Vergaberecht zu vereinfachen und praxisgerechter auszugestalten. Aus Sicht der Verbände drohen mit der avisierten Gesetzesänderung „massiven Verwerfungen im deutschen Planungsmarkt“. Dies ist umso unverständlicher, als die Binnenmarktrelevanz von Planungsleistungen „gegen Null“ tendiert.

Autor/innen

Karin Deichmann

Dr. Karin Deichmann

Senior Associate

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René M. Kieselmann

René M. Kieselmann

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Mathias Pajunk

Dr. Mathias Pajunk

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