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01.03.2021

Patientenverfügung in Zeiten von Corona

Müssen Patientenverfügungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie angepasst werden?

Derzeit wird an Notare häufig die Frage herangetragen, ob Patientenverfügungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie angepasst werden müssen. Standard-Patientenverfügungen enthalten oft den Satz:

 „… dass insbesondere eine künstliche Beatmung oder künstliche Flüssigkeitszufuhr nicht mehr erfolgen soll, wenn ich mich mit aller Wahrscheinlichkeit unabwendbar in einem unmit­telbaren Sterbeprozess befinde bzw. ich mich im Endstadium ei­ner unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist.“

Es stellt sich hier die Frage, ob der Anwendungsbereich der Patientenverfügung überhaupt eröffnet ist, da eine Vielzahl von COVID-19-Erkrankungen nicht zwangsläufig zu einem lebensgefährdenden Verlauf führen. Es kann jedoch dann Bedeutung erlangen, wenn sich infolge einer COVID-19-Erkrankung eine „Koma“-Situation einstellt oder die Erkrankung einen unheilbaren Verlauf nimmt und aller Voraussicht nach zum Tode führen wird. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass aufgrund einer COVID-19-Erkrankung Zustände eintreten können, die in der Patientenverfügung beschrieben sind und die dann einen Behandlungsverzicht nach den Festlegungen der Patientenverfügung zur Folge haben.

Welche Reaktionsmöglichkeiten kommen in Betracht?

  • Erfasst die bestehende Patientenverfügung auch Folgezustände und Behandlungssituationen, wie sie mit einer COVID-19-Erkrankung einhergehen können, und ist dies vom Patienten gewünscht, so kann die Patientenverfügung aufrechterhalten bleiben.
  • Ergibt die Prüfung, dass COVID-19-Erkrankungen von der erstellten Patientenverfügung erfasst sind und sollen diese allgemein aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden, dann kann die Patientenverfügung entsprechend ergänzt werden. Sinngemäß könnte man auch formulieren, dass im Falle einer COVID-19-Erkrankung die vom Patienten bereits verfügte Ablehnung intensivmedizinischer Maßnahmen nicht gelten soll. Alternativ könnte im Falle einer COVID-19-Erkrankung eine bestmögliche medizinische Behandlung mit je nach Krankheitsverlauf erforderlicher nicht invasiver Beatmung oder invasiver Beatmung gewünscht sein, oder sonstige medizinische und pflegerische Behandlung und Gabe von Medikamenten verlangt werden.
  • Selbstverständlich wäre es auch möglich, eine bereits vorhandene Patientenverfügung mit speziellen Regelungen für den Fall einer COVID-19-Erkrankung zu ergänzen. In Betracht kommt bspw. eine Regelung, dass im Falle einer solchen Erkrankung keine Verlegung in ein Krankenhaus oder keine intensivmedizinische Behandlung oder keine künstliche Beatmung stattfinden soll. Will der Patient für den Fall einer COVID-19-Erkrankung eine künstliche Beatmung schon dann ablehnen, wenn gravierende gesundheitliche Folgeschäden zu befürchten sind (und nicht erst in der Komasituation oder wenn eine unheilbare Grunderkrankung mit tödlichem Verlauf vorliegt), könnte die Patientenverfügung inhaltlich angepasst und erweitert werden. Allerdings ist dann klarzustellen, dass insoweit die Schwelle für den Abbruch der Behandlung gegenüber dem „Normalfall“ herabgesetzt wird.

Der aktuelle Wille ist zu berücksichtigen

Ob es allerdings sinnvoll ist, bereits im Vorfeld einer Erkrankung solche dezidierten Anweisungen zu bestimmten intensivmedizinischen Behandlungen niederzulegen, erscheint fraglich. Vorrangig zur Patientenverfügung ist immer der aktuelle Wille des einwilligungsfähigen Patienten zu berücksichtigen. Solange der Patient selbst – auch nach Erkrankung an COVID-19 – noch über die Einwilligung in ärztliche Maßnahmen oder die Ablehnung der Behandlung befinden kann, kommt die Patientenverfügung daher nicht zum Tragen.

Autor/innen

Stefan Skulesch

Stefan Skulesch

Partner

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