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20.07.2020

Der Gamer als Urheber eines (virtuellen) Werkes

Ein WOW-Charakter: Ist das „ein Werk“?
Ein WOW-Charakter: Ist das „ein Werk“?
Hat man als Spieler das Urheberrecht an Avataren und geschaffenen Inhalten? Wir erklären die Hintergründe und was dabei generell zu beachten ist.

Zum Hintergrund: World of Warcraft-Spieler und seine Spielfigur werden berühmt

Vor fünfzehn Jahren wurde ein World of Warcraft-Spieler namens Ben Schulz schlagartig berühmt. Im Internet tauchte ein Video auf, worin Schulz unter seinem Ingame-Namen „Leeroy Jenkins“ in World of Warcraft eine zuvor von seinem Team mühevoll ausgeklügelte Strategie zunichtemacht. Entgegen der gemeinsamen Absprache stürmt er vor seinen Kameraden in die Höhle eines Endgegners, was zur Folge hat, dass er und seine Kameraden sterben. Das Video entwickelte sich zu einem viralen Phänomen, in dessen Folge „Leeroy Jenkins“ auf Fanartikeln, aber auch in Filmen, Serien und anderen Computerspielen auftauchte. Daran ist auf den ersten Blick wenig bemerkenswert – die Merchandise-Industrie rund um PC-Spiele und E-Sports ist heute größer denn je.

Das Besondere an Leeroy Jenkings ist jedoch, dass erstmals eine Spielerfigur Berühmtheit erlangte, die nicht im Hause der Entwickler, sondern von einem Spieler selbst geschaffen wurde. Heute bieten unzählige Spiele die Möglichkeit, Avatare bis ins letzte Detail zu individualisieren – sowohl in ihrer Anatomie, als auch ihrer übrigen Erscheinung und ihren Fähigkeiten.

Die Spielenentwickler haben das daraus folgende, kreative Potential natürlich erkannt, sodass sich heute kaum noch End User License Agreements (EULA) oder Nutzungsbedingungen (Terms of Service) finden, in denen die Spieler nicht den Entwicklern sämtliche Rechte an etwaigen geistigen Eigentümern übertragen. In den EULA von Rockstar Games (u.a. GTA Online, Red Dead Redempiton) heißt es etwa:

„Die Software ermöglicht Ihnen eventuell, selber Inhalte zu schaffen, insbesondere Gameplay-Karten, Szenarios, Screenshots, Autodesigns, Charaktere, Objekte oder Videos Ihres Spiels. Im Austausch gegen die Nutzung der Software und soweit Ihre Beiträge durch die Nutzung der Software urheberrechtliche Ansprüche begründen, erteilen Sie hiermit dem Lizenzgeber das ausschließliche, zeitlich unbegrenzte, unwiderrufliche, voll übertragbare und unterlizenzierbare, weltweite Recht und die ausschließliche, zeitlich unbegrenzte, unwiderrufliche, voll übertragbare und unterlizenzierbare, weltweite Lizenz, Ihre Beiträge in jedweder Weise und für jedweden Zweck im Zusammenhang mit der Software und verwandten Waren und Dienstleistungen zu nutzen […].“

Es existieren aber auch Ausnahmen: Die Bestimmungen von Second Life halten z.B. den Spieler explizit zum Schaffen eigener Inhalte an und billigem ihm die daran erlangten Rechte zu.

Doch erwirbt ein Spieler überhaupt ein Recht an den von ihm geschaffenen Inhalten? Und bedeutet das, dass er selbst dem Entwicklerstudio deren Vermarktung – etwa auf Fanartikeln – untersagen kann?

Hat man ein Urheberrecht an Avataren und geschaffenen Inhalten?

Wer in einem Computerspiel einen Avatar individuell gestaltet hat, darf grundsätzlich Dritten verbieten, seinen Avatar zu vervielfältigen oder zu verwerten. Sei es, wie bei Leeroy Jekins, auf Tassen oder in aufwändigen Hollywoodproduktionen. Der Spieler ist Urheber und der Avatar ein Werk, das er geschaffen hat.

Welche Ausnahmen gibt es davon?

Sehr einfache, austauschbar gestaltete Avatare sind davon grundsätzlich ausgenommen. Wählt der Spieler etwa einen voreingestellten Standardcharakter und ändert lediglich dessen Haarfarbe, fehlt die erforderliche Werkqualität. In Spielen wie Fortnite, die den Spieler lediglich aus einem riesigen Fundus von Avatar-Outfits auswählen lassen, schafft der Spieler ebenfalls kein Werk: Es fehlt hier an der erforderlichen Individualität bzw. der schöpferischen Eigentümlichkeit. Anders kann es liegen bei Spielen wie World of Warcraft oder GTA Online, die dem Spieler derart vielfältige Mechanismen zur Verfügung stellen, dass keine Spieler den anderen gleichen (müssen). Bei den so geschaffenen Avataren dürfte es sich in der Regel um schutzfähige Werke handeln.

Besonders interessant ist diese Beurteilung bei Spielen wie CSGO: Hier kann der Spieler im Spiel tausende, durch die Community erstellte Gegenstände erwerben, mit denen er seine Spielfigur ausrüstet. Dies beschränkt sich jedoch ausschließlich auf Handschuhe, Messer und Schusswaffen. Die Erscheinung der Spielfigur selbst ist nicht veränderbar, seit kurzem kann der Spieler lediglich – ähnlich wie bei Fortnite – unterschiedliche Outfits erwerben. Im Ergebnis ist also durchaus wahrscheinlich, dass jeder Spieler eine Ausrüstung hat, die im gesamten Spiel einmalig ist. Auf der anderen Seite ist die Konstellation vergleichbar mit einem Kleidungsoutfit im echten Leben: dort wird die Werkqualität der individuellen Kleiderauswahl in der Regel verneint.

Letztendlich kann die Frage, ob eine urheberrechtlich geschützte Werkschöpfung vorliegt, immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.

In den meisten Rechtsordnungen ist allein der Urheber berechtigt, sein Werk zu verwerten, also  etwa zu vervielfältigen, zu verbreiten oder auszustellen. Hierbei kann es – wie der Fall Leeroy Jenkins exemplarisch zeigt – um viel Geld gehen, da die Entwicklerstudios nicht aus der Hand geben möchten.

Welchen Einfluss haben Allgemeinen Geschäftsbedingungen / EULA?

Die meisten Spiele enthalten daher Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. EULA oder TOS, die der Spieler in der Regel bei der Installation oder vor dem Start des Spiels akzeptieren muss. Darin enthalten ist fast immer eine Regelung wie die eingangs genannte von Rockstar Games, worin der Spieler sämtliche im Spiel geschaffene Immaterialgüterrechte an den Spieleentwickler überträgt.

Solche Regelungen können sowohl nach amerikanischen als auch nach deutschem Recht problematisch sein. So ist nach deutschem Recht (§ 29 UrhG) etwa ausgeschlossen, dass der Spieler sein Urheberrecht übertragt oder darauf verzichtet. Möglich ist allein, Nutzungsrechte einzuräumen oder eine Vereinbarung hinsichtlich der exklusiven Verwertungsrechte zu treffen. Entsprechende Vereinbarungen in EULA und TOS dürften daher in der Regel dahingehend auszulegen sein, dass der Spieler den Entwicklern die entsprechenden Nutzungsrechte einräumt.

Schwierigkeiten ergeben sich etwa auch, wenn der Spieler, der den Avatar gestaltet, nicht derjenige ist, der die entsprechenden Bedingungen akzeptiert hat oder ein Gericht urteilt, dass die jeweiligen Bedingungen unwirksam sind. In diesen Fällen verbleiben die Nutzungsrechte bei ihrem Urheber, sodass er die Verwertung seines Werkes Dritten untersagen kann.

Zusammenfassung

Wie sich zeigt, ist durchaus möglich, dass ein Spieler an den von ihm erschaffenen Inhalten eigene Rechte erwirbt, die ihm erlauben, Dritten deren Verwertung zu untersagen. Dies ist auch wertungsmäßig richtig. Denn der Spielehersteller stellt seinen Spielern letztlich nichts anderes als ein (virtuelles) Atelier zur Verfügung, das ihnen ermöglicht, sich kreativ zu verwirklichen. Abweichendes kann sich allenfalls ergeben, wenn der Spieler in den allgemeinen Nutzungsbedingungen zuvor dem Spielehersteller ein (u.U. exklusives) Nutzungsrecht einräumt.