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02.08.2021

BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token vom 17. Juni 2021 - Teil 2

In Teil 1 wurde die ertragsteuerliche Behandlung von „virtuellen Währungen“ und „Mining“ in dem Entwurf eines BMF-Schreibens vom 17. Juni 2021 (nachfolgend „BMF-Entwurf“) in Grundzügen dargestellt. Im Folgenden sollen die Überlegungen des BMF-Entwurfes zur ertragsteuerlichen Behandlung weiterer Aktivitäten mit virtuellen Währungen und Token im Privatvermögen aufgezeigt werden.

„Fork“

Bei einem „Fork“ wird eine virtuelle Währung in die bestehende und eine zusätzliche Version aufgespalten. Die Inhaber der bisherigen virtuellen Währung erhalten - ohne Gegenleistung - dieselbe Anzahl an Einheiten der neuen virtuellen Währung.

Der BMF-Entwurf sieht bereits im Erwerb der ursprünglichen virtuellen Einheiten den Erwerb der künftigen Einheiten angelegt. Kommt es dann zu einer Aufspaltung, so werden die Anschaffungskosten der ursprünglichen Einheiten zum Marktwert im Zeitpunkt des „Forks“ zwischen den ursprünglichen und den neuen Einheiten aufgeteilt. Sind die neuen Einheiten in diesem Augenblick wertlos, so verbleiben die Anschaffungskosten bei den ursprünglichen Einheiten. Damit wird erreicht, dass jedweder Gewinn aus der Veräußerung der Einheiten als Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft zu versteuern ist, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung Veräußerung nicht mehr als ein Jahr - bzw. zehn Jahre, wenn Einheiten als Einkunftsquelle genutzt werden – beträgt (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 4 EStG).

„Lending“

Beim „Lending“ werden Einheiten einer virtuellen Währung gegen eine Vergütung zur Nutzung überlassen und dadurch zusätzliche Einheiten einer virtuellen Währung generiert.

Einkünfte aus „Lending“-Aktivitäten sollen nach dem BMF-Entwurf steuerbare sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) sein. Erhält der „Lender“ Erträge in Form neuer Einheiten einer virtuellen Währung sind diese im Zeitpunkt des Zuflusses mit ihrem Marktwert anzusetzen und die Differenz zu einem späteren Veräußerungserlös als Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft zu versteuern, wobei hier in aller Regel die Fristverlängerung der Versteuerung auf zehn Jahre eingreift, da der „Lender“ die virtuelle Währung als Einkunftsquelle nutzt (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG).

„Airdrop“

Unter „Airdrop“ versteht man die „unentgeltliche“ Verteilung von Einheiten einer virtuellen Währung - zumeist bei Marketing-Aktionen, wenn Kunden sich hierfür auf Plattformen anmelden und Daten von sich preisgeben.

Nach Ansicht des BMF-Entwurfes liegt in der Überlassung von Daten, die über allgemeine Informationen hinausgehen, eine Leistung des Steuerpflichtigen, für die er als Gegenleistung Einheiten einer virtuellen Währung erhält. Diese Einheiten sind mit dem Marktwert im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen und als sonstige Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) steuerpflichtig. Werden die Einheiten später veräußert, so ist der Gewinn aus der Veräußerung wiederum als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig, vorausgesetzt, der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung beträgt weniger als ein Jahr – bzw. 10 Jahre, wenn er die veräußerten Einheiten als Einkunftsquelle genutzt hat - (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 4 EStG).

„Cold Staking“

Beim sog. „Cold Staking“ werden die Teilnehmer („Cold Staker“) für das langfristige Halten von Einheiten einer virtuellen Währung belohnt, etwa, um den Wert einer Blockchain stabil zu halten.

Der BMF-Entwurf sieht in der Entlohnung mit virtueller Währung eine steuerpflichtige sonstige Leistung (§ 22 Nummer 3 EStG). Werden diese Einheiten veräußert, so wird ebenfalls ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft angenommen, wobei auch hier in aller Regel die 10 Jahresfrist zu beachten ist (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG).

„Initial Coin Offering (ICO)“

Unter „initial Coin Offering“ (ICD) wird die Ausgabe von Token im Austausch gegen Einheiten einer virtuellen oder staatlichen Währung verstanden. Letztlich wird damit - wie bei einem Börsengang - Kapital eingesammelt. Die ertragsteuerliche Einordnung der Erträge hängt davon ab, welche Rechte und Ansprüche Token im Einzelfall vermitteln.

1. Utility Token

„Utility Token“ vermitteln dem Inhaber den zukünftigen Zugriff auf ein Produkt oder eine Dienstleistung. Wird der Token später eingelöst, d.h. das Produkt oder die Dienstleistung erworben, so ist dies nach dem BMF-Entwurf ertragsteuerlich unbeachtlich, da es an einer entgeltlichen Übertragung auf einen Dritten fehlt, wohingegen der Gewinn aus der Veräußerung von Token zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften führt (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG), wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr bzw. 10 Jahre beträgt.

2. Equity/Security/Debt Token

„Equity/Security/Debt Token“ sind mit herkömmlichen Wertpapieren vergleichbar, wenn sie die Voraussetzung des Wertpapierhandelsgesetzes erfüllen. Werden diese gegen Einheiten einer virtuellen Währung getauscht, so liegt darin eine Veräußerung der hingegebenen Einheiten. Gewinne können als private Veräußerungsgeschäfte der Besteuerung unterliegen. Zu Token, die eine Art Schuldverschreibung darstellen oder die Arbeitnehmern verbilligt oder unentgeltlich überlassen werden enthält der BMF-Entwurf spezielle Steuerregelungen.

Fazit

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der BMF-Entwurf versucht, möglichst alle Transaktionen mit virtuellen Währungen steuerlich zu erfassen. Dies geschieht vor allem dadurch, indem bei virtuellen Währungen und Token, die im Privatvermögen gehalten werden

  • Einnahmen grundsätzlich als Einkünfte aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 2 EStG) erfasst werden, seien es Einnahmen aus „Mining“ (vorausgesetzt diese sind keine gewerblichen Einkünfte) oder aus „Lending“, „Staking“ oder „Airdrop“,
  • Einnahmen, die in Form von digitalen Einheiten erfolgen, gleichzeitig als Anschaffung „anderer Wirtschaftsgüter“ qualifiziert werden, so dass ein Gewinn aus der späteren Veräußerung als private Veräußerungsgeschäfte i. S: d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerbar ist, vorausgesetzt, der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung ist geringer als ein Jahr bzw. geringer als zehn Jahre, sofern der Steuerpflichtige die virtuellen Einheiten als Einkunftsquelle genutzt hat (etwa bei „Lending“ oder „Staking“), wobei
    • vom Veräußerungserlös die Anschaffungskosten und Werbungskosten abzuziehen sind und der danach entstehende Gewinn oder Verlust berücksichtigt wird, wobei
    • der Gewinn allerdings steuerfrei bleibt, wenn die Summe der aus sämtlichen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr erzielten Gewinne weniger als Euro 600 beträgt. 

Sicherlich wird der BMF-Entwurf noch Gegenstand mancher Diskussion sein, etwa bei der Frage, ob entgegen der wohl herrschenden Meinung „Mining“ als Anschaffungsvorgang gesehen und ungeachtet der Höhe der hierfür erforderlichen Aufwendungen widerlegbar vermutet werden darf, dass es sich hierbei um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Dennoch sollte sich die Praxis darauf vorbereiten, dass die Finanzverwaltung noch in diesem Jahr einen endgültigen BMF-Erlass veröffentlichen wird. Daher ist Allen, die sich mit Aktivitäten im Bereich digitaler Währungen und Token befassen, dringend anzuraten, bereits jetzt steuerlichen Rat einzuholen.  

Autor/innen

Gerd Seeliger

Dr. Gerd Seeliger

Partner

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