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27.11.2023

Eine Windkraftanlage auf dem Hallendach – ist das zulässig?

Windenergieerzeugung auf (Gewerbe-)Immobilien als Modell der Zukunft

Für Privatpersonen und Unternehmen gleichermaßen bietet die Nutzung erneuerbarer Energien die Möglichkeit, autark von externer Energieversorgung und damit unabhängig von Energiepreisen zu agieren. Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen sind dabei aktuell die wohl beliebtesten Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Jedoch kann beispielsweise die Beschaffenheit oder Lage der Immobilie die Nutzung dieser Energiequellen unrentabel machen oder ganz ausschließen. Als mögliche Alternative, aber auch zur Ergänzung von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen, ziehen vor allem Eigentümer von Gewerbeimmobilien zunehmend die Nutzung von Windenergie in Betracht. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2023 I Nr. 176 vom 06.07.2023) wurde mit Wirkung zu 07. Juli 2023 eine Regelung in die Baunutzungsverordnung aufgenommen, die eine weitergehende bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien – und damit auch zur Nutzung von Windenergie - begründet. Mit dem neu gefassten §14 Abs. 1 S. 3 BauNVO werden Nebenanlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien als Nebenanlagen in sämtlichen Baugebieten privilegiert. Doch wonach richtet sich die Zulässigkeit einer Windenergieanlage („WEA“) auf dem eigenen Grundstück und welche Genehmigungen sind hierfür erforderlich? Nicht betrachtet werden die großvolumigen Windparks, die in eigens dafür ausgewiesenen Zonen errichtet werden, sondern die im Kontext bereits bestehender Liegenschaften ergänzend hinzukommen.

Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick, worauf bei der Planung und Errichtung einer solchen WEA aus Sicht des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts zu achten ist.

Unterscheidung – Welche Zweckbestimmung soll die WEA haben?

Hinsichtlich der baurechtlichen Zulässigkeit ist zunächst nach der Zweckbestimmung der WEA zu unterscheiden: Soll die WEA überwiegend oder ausschließlich dazu genutzt werden, um Energie ins öffentliche Netz einzuspeisen, handelt es sich um einen eigenständigen Gewerbebetrieb (Variante 1). Soll die erzeugte Energie dagegen überwiegend dem Gebäude (Wohn- oder Bürogebäude) zu Gute kommen, in dessen unmittelbarer Umgebung die WEA errichtet wird, handelt es sich um eine Nebenanlage im Sinne des § 14 Baunutzungsverordnung (BauNVO) (Variante 2). Letztere Kategorie setzt zudem voraus, dass die WEA dem Gebäude „räumlich-gegenständlich untergeordnet“ ist. Das bedeutet, dass sich die Nebenanlage hinsichtlich ihrer Abmessungen der Hauptanlage in den Hintergrund treten muss, sie darf also die Wahrnehmbarkeit der Hauptanlage nicht verdrängen. Für beide Kategorien gelten unterschiedliche Genehmigungsvoraussetzungen insbesondere planungsrechtlicher Art.

Wo sind WEA als eigenständiger Gewerbebetrieb im Geltungsbereich eines Bebauungsplans grundsätzlich zulässig?

Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans ist ein Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es dessen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Für die im Bebauungsplan festgesetzten Gebietstypen gilt das Folgende (unter der Voraussetzung, dass WEA nicht ausdrücklich durch den Bebauungsplan ausgeschlossen werden):

WEA als eigenständiger  Gewerbebetrieb allgemein zulässig:

  • Besondere Wohngebiete
  • Dorfgebiete und dörfliche Wohngebiete
  • Mischgebiete
  • Urbane Gebiete
  • Kerngebiete
  • Gewerbegebiete
  • Industriegebiete

WEA als eigenständiger  Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig:

  • Allgemeine Wohngebiete
  • Kleinsiedlungsgebiete

WEA als eigenständiger  Gewerbebetrieb grundsätzlich unzulässig:

  • Reine Wohngebiete
  • Wochenendhausgebiete

   

Ein Blick in den Bebauungsplan kann somit einen ersten Anhaltspunkt dafür geben, ob die Errichtung einer WEA als eigenständiger Gewerbebetrieb aus Sicht des Bauplanungsrechts überhaupt zulässig sein kann. Existiert für Ihre Immobilie kein Bebauungsplan, sind die Ausführungen unter E. zu beachten. Ferner setzt das baurechtliche Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO (hierzu weiteres unter G) dem ganzen natürlich Grenzen.

Wo ist eine WEA als Nebenanlage im Geltungsbereich eines Bebauungsplans grundsätzlich zulässig?

Mit dem neu gefassten § 14 Abs. 1 S. 3 BauNVO sind WEA als untergeordnete Nebenanlagen in allen Baugebietsarten zulässig, wenn sie dessen Eigenart nicht widersprechen. Grundsätzlich kann eine WEA als Nebenanlage somit in allen Baugebieten zulässig sein, sofern im Bebauungsplan die Zulässigkeit von Nebenanlagen nicht beschränkt oder ausgeschlossen wurde. Mögliche Einschränkungen ergeben sich hier aus dem Verbot des „Widerspruchs zur Eigenart des Baugebiets“. Ein solcher Widerspruch ist anzunehmen, wenn die Nebenanlage mit der konkreten Plankonzeption „wahrhaft“ (BVerwG Urt. v. 18.2.1983 – 4 C 18.81) unvereinbar ist. Entscheidend ist hier die konkrete Eigenart des individuellen Baugebiets (z.B. nach Zweckbestimmung, Maß der baulichen Nutzung). Nach dem BVerwG kann beispielsweise eine der Beheizung eines Gebäudes dienende WEA in einem weiträumig bebauten Gebiet, in dem auf jedem Grundstück eine WEA aufgestellt werden könnte, mit dessen Eigenart vereinbar sein, während sie in einer dicht bebauten Reihenhaussiedlung mit kleinen Grundstücken unzulässig wäre (BVerwG, Urt. v. 18-02-1983 - 4 C 18/81). Entscheidend ist also die konkrete Eigenart des Plangebiets.

Wonach richtet sich die Zulässigkeit von WEA als selbstständige Gewerbebetriebe oder Nebenanlagen im unbeplanten Innen- und im Außenbereich?

Was ist zu beachten, wenn sich Ihre Immobilie nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet? Bauplanungsrechtlich spricht man in diesen Fällen von dem sogenannten unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und dem Außenbereich (§ 35 BauGB). Ein unbeplanter Innenbereich liegt vor, wenn es keinen Bebauungsplan gibt, sich Ihre Immobilie in einem „im Zusammenhang bebauten Ortsteil befindet. In den Außenbereich fallen alle Grundstücke, die weder im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen noch zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehören

Sowohl für WEAs als selbstständiger Gewerbebetrieb, als auch für die WEA als Nebenanlage gilt in diesen Gebieten das Folgende:

  • Unbeplanter Innenbereich § 34 BauGB
    Im unbeplanten Innenbereich muss sich die WEA „nach Art und Maß der baulichen Nutzung sowie nach Bauweise und überbauter Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügen“ (vgl. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB). Entspricht die vorhandene Bebauung einem der in der BauNVO bezeichneten Gebiete, richtet sich die erlaubte Art der Nutzung nach den für den entsprechenden Gebietstypus in der BauNVO geltenden Vorschriften (siehe Tabelle oben). Ausnahmen und Befreiungen sind auch hier grundsätzlich möglich (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB a. E.). Die WEA muss sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in dem Rahmen halten, der durch die vorhandene Bebauung vorgegeben wird. Zu beachten ist zudem, dass die Anforderungen an die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie das Rücksichtnahmegebot gewahrt werden. An diesem Punkt kann insbesondere der Immissionsschutz (Schattenwurf, Schallimmissionen) der Zulässigkeit entgegenstehen.
     
  • Außenbereich § 35 BauGB
    WEA gehören im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB grundsätzlich zu den sogenannten „privilegierten Vorhaben“. Dies bedeutet, dass sie praktisch immer zulässig sind, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist grundsätzlich, dass für die WEA eine Fläche für die Windenergie ausgewiesen ist. Zu beachten ist die Möglichkeit der Beschränkung auf bestimmte Standorte. Hier ist also zunächst zu prüfen, ob die Gemeinde bereits bestimmte Standorte für die Errichtung von WEAn festgesetzt hat, die einer Zulässigkeit von WEAn außerhalb dieser Standorte entgegenstehen können.

Benötige ich eine Baugenehmigung?

Entscheidend für Frage der Erforderlichkeit einer Baugenehmigung ist die Größe der WEA.

WEA bis zu 10 Meter (m) Höhe -  gemessen von der Geländeoberfläche bis zum höchsten Punkt der vom Rotor bestrichenen Fläche - und einem Rotordurchmesser bis zu 3 m sind in nahezu allen Baugebieten verfahrensfrei gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3c) BauO Bln*, mit Ausnahme des reinen Wohngebiets. Dies bedeutet, dass in der Regel die Anzeige der Errichtung einer WEA gegenüber dem zuständigen Bauordnungsamt genügt.

Die Höhenbegrenzung auf 10 m bedeutet aber auch, dass Windenergieanlagen auf Dächern in der Regel nicht mehr verfahrensfrei sind, da die Höhe des Dachs und der WEA zusammen meist die Gesamthöhe von 10 m überschreitet. Wird die Höhe von 10 m und/oder der Rotordurchmesser von 3 m überschritten, ist zwischen drei unterschiedlichen Verfahren zu unterscheiden:

  • Baugenehmigungsverfahren § 64 BauO
    Ist die WEA höher als 30 m, handelt es sich um einen Sonderbau gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 BauO Bln. In diesem Fall ist immer ein Baugenehmigungsverfahren nach § 64 BauO Bln durchzuführen und somit eine Baugenehmigung zu beantragen.
     
  • Genehmigungsfreistellung § 62 BauO Bln
    Befindet sich die WEA im Geltungsbereich eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans und entspricht sie den Festsetzungen des Bebauungsplans, fällt das Vorhaben in der Regel unter die Genehmigungsfreistellung nach § 62 BauO und bedarf damit keiner Baugenehmigung. Die erforderlichen Unterlagen müssen lediglich gemäß § 62 Abs. 3 BauO Bln bei der zuständigen Bauaufsicht eingereicht werden.
    Zu beachten ist, dass die WEA und deren Rotorblätter Baugrenzen oder Baulinien nicht überschreiten bzw. die überbaubare Grundstücksfläche nicht verlassen, sonst muss gegebenenfalls zudem eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB beantragt werden.
     
  • Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren § 63 BauO Bln
    Außerhalb des Geltungsbereichs eines qualifizierten oder vorhabenbezogenen Bebauungsplans unterliegen WEA dem Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach § 63 BauO Bln mit eingeschränktem Prüfungsumfang. Eine Genehmigung ist also erforderlich.

Was ist bezüglich des Nachbarrechts zu beachten?

Eines der häufigsten Hindernisse für die Errichtung einer WEA sind Einwendungen von Nachbarn, die sich gegen eine bereits genehmigte WEA wenden.

Eine Klage des Nachbarn gegen eine WEA kann jedoch nur Erfolg haben, wenn die angefochtene Genehmigung Nachbarrechte verletzt. Im Baurecht kommt hier insbesondere das allgemeine baurechtliche Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO in Betracht. Danach sind grundsätzlich zulässige Anlagen im Einzelfall dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Zu nennen ist hier beispielsweise das Thema Schallimmissionen und Verschattung durch Flügelschlag. Daher kommt es immer auf den konkreten Aufstellungsort und die Ausrichtung der WEA im Einzelfall an.

Von besonderer Bedeutung ist das Abstandsflächenrecht in den Landesbauordnungen, vgl. §§ 6, 6a BauO Bln. Dieses regelt primär das Verhältnis zum Grundstücksnachbarn, sodass eine Verletzung der Abstandsflächenregelung (Unterschreitung der in der Bauordnung geregelten Abstandsflächen) praktisch immer zugleich die Verletzung von Rechten des Grundstücksnachbarn bedeutet. Nach den Landesbauordnungen sind von den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen einzuhalten.

Die Rechtsprechung übersetzt dies für Windkraftanlagen nach dem Prinzip der so genannten fiktiven Außenwand. Die fiktive Außenwand ermittelt sich aus einem Kreis um die Mittelachse der Windkraftanlage, dessen Radius dem Abstand des Rotors vom Mastmittelpunkt entspricht (Bayerischer VGH, Urteil vom 28.07.2009 - 22 BV 08.3427). Hiervon ausgehend ist der erforderliche Abstand abzumessen. Dieser ergibt sich nach den meisten Landesbauordnungen aus der absoluten Höhe der Anlage einschließlich Rotor, wenn der Rotor absolut senkrecht steht. Die Abstandsflächen sind grundsätzlich bis zur Grenze des Standortgrundstücks einzuhalten.

Was gilt es sonst noch zu beachten?

Neben den baurechtlichen Genehmigungen können weitere Genehmigungen erforderlich sein, wie z.B. nach dem Luftfahrtrecht, dem Naturschutzrecht oder dem Immissionsschutzrecht. So benötigen beispielsweise WEAn mit einer Gesamthöhe von über 50 m eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung (§ 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV).  In der Regel können die zuständigen Bauaufsichtsämter auch Auskünfte zu den übrigen Genehmigungsanforderungen geben.

*Vergleichbare Regelungen existieren in allen Landesbauordnung, z.B. § 2 Abs. 9 Hessische Bauordnung. Im Folgenden wird beispielhaft auf die Berliner Bauordnung (BauO Bln) Bezug genommen.

Autor/innen

Maria Rothämel

Maria Rothämel

Senior Associate

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