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10.06.2022

Das Ende des Deutsch-Schweizerischen Markenschutzübereinkommens – neue (und alte) Hürden bei dem Nachweis der ernsthaften Markennutzung

Seit dem 1. Juni 2022 ist Schluss mit der 130-jährigen deutsch-schweizerischen Zusammenarbeit in puncto IP-Schutz: Deutschland kündigte mit Wirkung zum 31. Mai 2022 das Übereinkommen vom 13. April 1892 zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz. Dies bringt empfindliche Folgen für den einen oder anderen Inhaber deutscher bzw. schweizerischer Schutzrechte mit sich. 


Markennutzung in der Schweiz = Markennutzung in Deutschland 

Kern des bilateralen Abkommens der Nachbarstaaten war, dass ein in Deutschland eingetragenes gewerbliches Schutzrecht als ernsthaft benutzt galt, auch wenn es nur in der Schweiz entsprechend benutzt wurde – und vice-versa. Die praktische Folge, insbesondere für Markeninhaber: Trotz fehlender Nutzung der in Deutschland eigetragenen Marke auf deutschem Territorium drohte der Marke keine Löschung wegen Verfalls gemäß § 49 MarkenG, wenn sie anstatt dessen ausschließlich im Schweizer Hoheitsgebiet benutzt wurde. 

Auslöser der Aufkündigung des Übereinkommens war das „Testarossa“-Urteil des EuGH aus dem Jahre 2020 (EuGH, Urteil vom 22.10.2020 – C-720/18, C-721/18). Der EuGH befand, dass das Übereinkommen von 1892 mit dem geltenden Unionsrecht nicht vereinbar sei, da der damals geltende Art. 8 der Marken-Richtlinie (RL 2008/95/EG) statuierte, dass eine ernsthafte Markennutzung in dem „betreffenden Mitgliedsstaat“ stattfinden müsse. Die Nutzung einer deutschen Marke in der Schweiz könne folglich nicht genügen. Durch dieses Urteil sah man sich in Deutschland gezwungen, dem traditionsreichen Abkommen mit der Schweiz ein Ende zu bereiten. 


Die Crux des Nachweises der ernsthaften Markennutzung  

Fiel es Markeninhabern bis dato schon schwer genug, im Rahmen eines Löschungsverfahrens den Nachweis der ernsthaften Markennutzung zu führen, legt die Kündigung des deutsch-schweizerischen Übereinkommens ihnen nunmehr einen weiteren Stein in den Weg. 

Wie mühsam es im Einzelfall sein kann, das Gericht durch dargebotene Nachweise von der ernsthaften Nutzung einer Marke zu überzeugen, zeigen die jüngst ergangenen Entscheidungen der Vierten Beschwerdekammer des EuG in Sachen Apple, Swatch und „THINK DIFFERENT“ vom 8. Juni 2022 (EuG, Urteil vom 8. Juni 2022 – T-26/21, T-27/21, T-28,21): Im August 2018 entschied das EUIPO auf Antrag der Swatch AG, dass die für die Apple Inc. eingetragene Unionsmarke „THINK DIFFERENT“ mangels ernsthafter Nutzung verfallen sei. Dagegen legte Apple Beschwerde ein und scheiterte damit kläglich. Dem EuG fehlte ein „Bündel an Beweisen“ dafür, dass die Marke durch Apple in dem Gebiet der Europäischen Union (!) rechtserhaltend benutzt wurde. Der Tech-Konzern legte für den Nachweis unter anderem Netto-Verkaufszahlen für den weltweiten (!) Verkauf vor, was dem Gericht in Ermangelung eines konkreten europäischen Bezugs dieser Zahlen (zu Recht) nicht genügte. Ebenso ungenügend für den Nachweis waren zehn Jahre alte Presseartikel, die auf eine Nutzung der Marke hindeuteten. 

Schlichten Erklärungen von Markeninhabern bzw. deren Mitarbeitern sprachen das EUIPO und die Beschwerdekammer des EuG bereits in der Vergangenheit einen eher geringen Beweiswert zu, sodass Markeninhaber auch zukünftig alle Geschütze für den hinreichenden Nachweis der ernsthaften Nutzung einer Marken auffahren müssen, um den Verlust ihrer IP-Assets zu entrinnen.

 
Was Markeninhaber nun tun sollten

Wirklich relevant wird die Kündigung des deutsch-schweizerischen Abkommens voraussichtlich erst ab dem 31. Mai 2027, da dessen Wegfall wohl nicht rückwirkend gilt und sich Inhaber deutscher bzw. schweizerischer Marken für den Zeitraum vor dem 1. Juni 2022 weiterhin auf eine Nutzung im jeweiligen Nachbarstaat berufen können. So positioniert sich auch das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum – die schweizerische Schwester des DPMA – in seiner Stellungnahme. Dennoch sollten Markeninhaber frühzeitig eine Etablierung der Nutzung ihrer Marke im Staat der Registrierung bzw. eine neue Markenanmeldung in Erwägung ziehen, wenn sie die Markennutzung in der Vergangenheit exklusiv auf eine Nutzung im ehemaligen Vertragsstaat gestützt haben. Um zudem Nachweisschwierigkeiten à la Apple in künftigen, oft unvorhersehbaren Löschungsverfahren vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Nutzung einer Marke kontinuierlich und feinsäuberlich zu dokumentieren.  

Autor/innen: Sascha Pres, Tien Nguyen
 

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Tien Nguyen

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