Die anhaltenden sicherheitspolitischen Spannungen in Osteuropa sowie die zunehmenden globalen geopolitischen Herausforderungen haben zu einem grundlegenden Wandel in der europäischen und deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik geführt. Dadurch konnte sich die Rüstungs- und Verteidigungsindustrie in Deutschland in den vergangenen Jahren neu positionieren und ihre strategische Bedeutung für die nationale und europäische Sicherheit verdeutlichen.
Davon profitiert nicht nur die heimische, sondern auch die europäische Rüstungsindustrie. Allein in Deutschland verzeichnen Unternehmen im Defense-Bereich seit 2021 eine Umsatzsteigerung von 36 Prozent auf aktuell 31 Milliarden EUR, Tendenz stark steigend. Die daraus folgenden Umsatzerwartungen machen die Übernahme von Unternehmen in diesem Bereich derzeit besonders interessant, wie nicht zuletzt die Übernahme von Naval Vessels Lürssen (NVL) durch Rheinmetall zeigt.
Dabei dienen M&A-Transaktionen im Verteidigungssektor nicht nur wirtschaftlichen Zielen. Sie sind vielmehr zugleich ein strategischer Hebel, um die industrielle Widerstandsfähigkeit des eigenen Landes zu stärken, den Zugang zu kritischen Technologien zu sichern und nationale Sicherheitsanforderungen zu adressieren. Doch Akquisitions (M&A)-prozesse im Verteidigungssektor weisen im Verhältnis zu Transaktionen in anderen Branchen nicht unerhebliche Unterschiede auf.
Einige dieser Besonderheiten sollen in diesem Beitrag aufgezeigt werden.
1. Die Besonderheiten deutscher Regulierung
Zu berücksichtigen ist zunächst die besondere Regulierung des deutschen Rüstungsmarktes. In Folge des 2. Weltkriegs unterliegen nämlich Herstellung, Beförderung und Inverkehrbringung von Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG und dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) besonderen Beschränkungen und Genehmigungspflichten. Dabei stellt das Verbot der Vorratsproduktion von Kriegswaffen für Investoren in Deutschland eine besondere Herausforderung dar. Hinzu gesellen sich komplexe und langwierige Genehmigungsverfahren. Ausländische Investoren sehen sich zudem der Meldepflicht gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nach §§ 60 ff. Außenwirtschaftsverordnung (AWV) konfrontiert. Hierunter fällt jeder Erwerb von 10 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem Rüstungsbetrieb. Aber nicht nur solche share deals, sondern auch der Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände des Unternehmens (asset deal) sowie ausländische Transaktionen, die eine deutsche Tochtergesellschaft betreffen, fallen unter die Meldepflicht. Mehr noch sind sogar direkte und indirekte Investitionen aus anderen EU-Ländern und solche in den Rüstungszulieferbereich meldepflichtig. Erwerbsvereinbarungen müssen daher die Möglichkeit einer nationalen Sicherheitsprüfung sowie das Risiko berücksichtigen, dass die Transaktion untersagt oder strengen Bedingungen unterworfen wird.
Parallel dazu wird der Export von Gütern und Technologien, die für militärische Zwecke konzipiert sind oder geeignet sein könnten (sog. Dual Use) durch EU-Recht reguliert (Dual-Use-Verordnung, VO (EU) 2021/821). Je nach Umständen können auch europäische Wirtschaftssanktionen, die US-amerikanischen International Traffic in Arms Regulations (ITAR) oder US-amerikanische extraterritoriale Sanktionen Anwendung finden.
Alle diese Vorschriften müssen in die Due-Diligence-Prüfung vor der Übernahme einfließen. Investoren sollten sich dieser Einschränkungen bewusst sein, die ihnen diese Gesetze und Programme sowohl während des Erwerbsprozesses als auch bei der Integration des Zielunternehmens nach dem Abschluss auferlegen können.
2. Das Problem der sensiblen Daten und des geistigen Eigentums
Deutsche Unternehmen im Verteidigungssektor arbeiten zumeist mit klassifizierten Informationen oder nehmen an vertraulichen Regierungsverträgen teil. Dies birgt spezifische Compliance-Risiken für den Verteidigungssektor, schränkt den Umfang von Due-Diligence-Verfahren ein und stellt besondere Herausforderungen für die Integration des übernommenen Unternehmens dar.
Geistiges Eigentum ist vielfach ein entscheidender Vermögenswert im Verteidigungssektor und erfordert eine gründliche Prüfung. Unternehmenskaufverträge in diesem Bereich enthalten daher häufig umfangreiche branchenspezifische Bestimmungen zur Übertragung oder Lizenzierung von IP (Intellectual Property)-Rechten, die nicht selten darauf abzielen, die Wartung und Unterstützung von Ausrüstung der Streitkräfte auch nach Vertragsende sicherzustellen. Bei Kooperationen mit öffentlichen Institutionen oder ausländischen Partnern kann, wie der drohende Abbruch der Zusammenarbeit von Deutschland und Frankreich beim Futur Combat Air System (FCAS)-Projekt zeigt, die Frage des geistigen Eigentums noch komplexer werden.
3. Komplexität der Lieferketten im Verteidigungssektor
Die heimische Verteidigungsindustrie ist in die europäischen und, wie das Problem der Seltenen Erden zeigt, globalen Lieferketten fest eingebunden. Rüstungsunternehmen agieren dabei vielfach als Lieferanten, Integratoren oder Hauptauftragnehmer und stehen üblicherweise in Interaktion mit Regierungen, Kunden, Lieferanten und Partnern im In- und Ausland.
Diese Vernetzung schafft strategische Chancen, birgt jedoch auch erhebliche regulatorische Risiken, denn deutsche Unternehmen müssen dabei häufig ausländische Standards wie z. B. die US-amerikanische International Traffic in Arms Regulation (ITAR) einhalten, und ein Kontrollwechsel kann Anforderungen an Drittparteien-Genehmigungen oder behördliche Benachrichtigungen in mehreren Rechtsordnungen auslösen.
Daher muss die Due-Diligence-Prüfung bei Übernahmeverhandlungen im Rüstungsbereich eine sorgfältige Überprüfung von Haftungsallokationsklauseln, Verpflichtungen zu industriellen und technologischen Vorteilen sowie des Status laufender Projekte umfassen – oft das Kernstück des Erfolgs des Zielunternehmens (Target). Das Einholen der erforderlichen Drittparteien-Genehmigungen sollte in die Abschlussbedingungen integriert werden. Schließlich müssen Synergien nach der Übernahme im Hinblick auf grenzüberschreitende Integration bewertet werden, die ein starkes Wachstumsinstrument sein kann, aber auch erhebliche vertragliche und regulatorische Komplexität mit sich bringt.
4. M&A-Finanzierung in einem sich rasant wandelnden Sektor
Lange Zeit mieden viele öffentliche, institutionelle und private Fonds den Verteidigungssektor, da sich in Deutschland zu historischen Ressentiments auch die Auffassung gesellte, dass der Defense-Bereich aufgrund von Reputationsrisiken im Zusammenhang mit Waffen, Konflikten und Korruption mit ESG (Environmental, Social, Governance)-Prinzipien unvereinbar sei. Diese Wahrnehmung hat sich zwischenzeitlich mehrheitlich gewandelt, da Verteidigung zunehmend als strategische Branche begriffen wird, die für nationale Stabilität und Souveränität von entscheidender Bedeutung ist. Kreditgeber und Investoren reagieren hierauf langsam mit der Überarbeitung ihrer Ausschlusskriterien, der Unterscheidung zwischen verteidigungsbezogenen und rein militärischen Aktivitäten, der Entwicklung eines branchenspezifischen ESG-Rahmens, dem Fokus auf Transparenz, Governance, Anti-Korruptions-Compliance und Menschenrechte sowie mit der Einführung maßgeschneiderter Due-Diligence-Mechanismen. Infolgedessen wird der Defense-Sektor zwar weiterhin als sensibel, aber zunehmend doch auch für Unternehmen mit starker Corporate Governance, strikt regulatorischer Compliance und proaktivem ESG-Risikomanagement als „investierbar“ angesehen. Dieser Übergangsprozess muss in den Abschlussprozess einbezogen werden, einschließlich der Finanzierungskonditionen, Zusicherungen und Gewährleistungen sowie der Erwartungen der Investoren.
5. Einbeziehen der Auswirkungen geopolitischer Spannungen
Jenseits der nationalen Sicherheitsprüfungen können internationale Spannungen – ob bewaffnete Konflikte, Handelsstreitigkeiten oder Zollkriege – direkte Auswirkungen auf Transaktionen im Verteidigungssektor haben. Solche Entwicklungen können Investitionsentscheidungen, strategische Allianzen und regulatorische Genehmigungen beeinflussen, während sie gleichzeitig Lieferketten stören, Kosten erhöhen und Unsicherheiten schaffen. Kaufverträge im Rüstungsbereich sollten daher stets ausdrücklich die potenziellen Auswirkungen solcher Störungen auf die geplante Transaktion und deren Durchführung vertraglich berücksichtigen.
6. Integration von ESG, Ethik und Compliance-Überlegungen
Die Integration von ESG-Kriterien ist mittlerweile entscheidend, um Kapital anzuziehen und Reputationsrisiken zu minimieren. Dabei ist der Verteidigungssektor (historisch betrachtet) in allen Ländern besonders anfällig für Korruption, weil Regierungen regelmäßig die Endnutzer sind und der Beschaffungsprozess häufig über mehrere Vermittler läuft. Auch deshalb sehen Anti-Korruptionsgesetze in Deutschland und anderen Rechtsordnungen schwere straf- und zivilrechtliche Sanktionen für Unternehmen und Einzelpersonen vor, die Bestechungsgelder anbieten oder annehmen. Diese Risiken müssen folglich während der Due-Diligence-Prüfung sorgfältig bewertet und im M&A-Vertrag berücksichtigt werden – insbesondere durch Zusicherungen, Gewährleistungen und Entschädigungsregelungen, um robuste Compliance- und ethische Schutzmaßnahmen sicherzustellen.
7. Berücksichtigung von Verteidigungssektor-spezifischen Aspekten in Transaktionsdokumenten und Verhandlungen
Schließlich beeinflussen die besonderen Merkmale des Verteidigungssektors nicht nur die Unternehmensbewertung und Due-Diligence-Prüfung, sondern auch die Gestaltung der Transaktionsdokumente und den Ablauf der Vertragsverhandlungen. Erwerbsvereinbarungen umfassen daher typischerweise:
- Die Feststellung behördlicher Genehmigungen und des Einhaltens betroffenen Regulierungsrechts, die Erteilung erforderlicher Lizenzen bzw. Autorisierungen sowie die Einwilligung der Vertragsparteien zu Übertragungen oder Kontrolländerungen;
- erweiterte Zusicherungen und Gewährleistungen, die regulatorische Compliance, den Umgang mit sensiblen Daten, die Rechte an geistigem Eigentum und die Korruptionsfreiheit abdecken, sowie
- umfassende Entschädigungsregelungen, die insbesondere auf Risiken zugeschnitten sind, die während der Due-Diligence-Prüfung identifiziert wurden, welche die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften beinhaltet.
Wie bei jeder M&A-Transaktion müssen solche im Verteidigungssektor sorgfältig geplant und umgesetzt werden. Branchenspezifische Überlegungen dürfen dabei niemals außer Acht gelassen werden. In einem Kontext, der sich durch steigende öffentliche Investitionen, zunehmende geopolitische Spannungen sowie den Innovations- und Produktivitätsdruck auszeichnet, sind und bleiben Unternehmenstransaktionen ein kraftvoller Wachstumstreiber – vorausgesetzt, die Besonderheiten der Branche werden hinreichend berücksichtigt.
Unsere auf den Kauf und Verkauf und die Umwandlung sowie regulatorische Compliance insbesondere im Tech-Sektor spezialisierten Anwälte arbeiten eng zusammen, um Mandanten durch diese Herausforderungen zu führen und ihr strategisches Wachstum in diesem höchst sensiblen Sektor zu unterstützen. Dr. Thomas Hausbeck. LL.M. und das Defense-Team von SKW Schwarz unterstützen Ihr Unternehmen gerne bei der effektiven Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele.
