Punkten, sparen und belohnen – das ist das Motto von Payback. Doch kann man auch bei einem Kauf von Medizinprodukten wie Hörgeräten Punkte sammeln? Laut BGH: Ja! Allerdings lediglich in einem sehr begrenzten Maße.
Was bisher geschah…
Die Hörakustiker-Kette amplifon hat damit geworben, dass Kunden bei jedem Einkauf im Fachgeschäft (einschließlich dem Kauf von Hörgeräten oder einem sonstigen Produkt für Hörbeeinträchtigte) bei Vorlage ihrer Payback-Karte für jeden Euro Einkaufswert jeweils einen Payback-Punkt im Wert von einem Cent auf ihrem Payback-Konto gutgeschrieben bekommen. Die gesammelten Payback-Punkte können bargeldlos ausbezahlt oder in Sachprämien, Gutscheine oder Spenden umgewandelt werden.
In der Werbung mit Payback-Punkten für den Kauf von Hörgeräten sah die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Verbot von Werbegaben (§ 7 Abs. 1 HWG) und verklagte den Hörakustiker deshalb.
Nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) sind Zuwendungen und Werbegaben in Form von kostenlosen Waren oder Leistungen in der produktbezogenen Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte und bestimmte medizinische Verfahren und Behandlungen (§ 1 Abs. 1 HWG) grundsätzlich verboten – mit gewissen Ausnahmen, die in § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 1 bis 5 HWG geregelt sind. Eine dieser Ausnahmen sind „geringwertige Kleinigkeiten“ (§ 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 1 HWG).
Das LG Hamburg (Urteil vom 12.05.2021 – 312 O 306/19), das sich zunächst mit diesem Verfahren befasste, hatte die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren änderte das OLG Hamburg (Urteil vom 29.02.2024 – 3 U 83/21) das erstinstanzliche Urteil dann teilweise ab und setzte die Grenze für den Gesamtwert der Payback-Punkte auf 5 Euro pro Einkauf eines Produkts fest. Erst ab diesem Schwellenwert bestehe die Gefahr, dass der Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung unsachlich beeinflusst wird. Darunter liege eine „geringwertige Kleinigkeit“ im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG vor.
Andere Gerichte waren allerdings strenger. Beispielsweise hatte das OLG Stuttgart schon 2018 die Wertgrenze für die „geringwertigen Kleinigkeiten“ selbst in der sog. Fachkreiswerbung (Werbung gegenüber Angehörigen der Heilberufe und Handeltreibenden mit Heilmitteln) bei 1 Euro angesetzt (Urteil vom 22.02.2018 – 2 U 39/17).
1 Euro oder 5 Euro – was ist die Grenze für eine „geringwertige Kleinigkeit“? Diese Frage hatte nun der BGH zu beantworten.
BGH: 1-Euro-Grenze für geringwertige Werbegaben auch bei Medizinprodukten
Der BGH lehnt die Ansicht des OLG Hamburg in seinem Urteil vom 17. Juli 2025 (I ZR 43/24) allerdings ab und folgt damit dem Revisionsbegehren der Wettbewerbszentrale. Die Wertgrenze, unter der eine unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten ausgeschlossen sei, beträgt laut BGH lediglich 1 Euro. Das gilt nach dem BGH zumindest für die sog. Publikumswerbung, d.h. für die Werbung außerhalb der medizinischen Fachkreise. Geringwertige Kleinigkeiten seien allein Gegenstände von so geringem Wert, die sich als „Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit“ darstellen. Bei Zuwendungen von höherem Wert bestünde gerade bei Verbrauchern die Gefahr, dass diese aufgrund der Werbung weniger intensiv nach für sie geeigneten Hörgeräten suchen.
Der BGH stellt dabei klar, dass die Geringwertigkeit nicht relativ nach dem Verhältnis von Warenwert zur Zuwendung, sondern absolut zu bestimmen ist. Es kommt dabei auch nicht auf den einzelnen Payback-Punkt an; vielmehr ist die Summe der Payback-Punkte, die für den Kauf des Medizinprodukts insgesamt gesammelt werden, maßgeblich. Diese Summe darf nicht über 1 Euro liegen.
Payback-Punkte sind laut BGH kein Geldrabatt
Außerdem hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, ob Payback-Punkte als Geldrabatt anzusehen sind. Denn Zuwendungen oder Werbegaben, die „in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag“ bestehen (Rabatte), sind vom Zuwendungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 2 a) HWG auch ausgenommen – zumindest, wenn es sich nicht um unzulässige Rabatte für preisgebundene Arzneimittel handelt. Bei nicht preisgebundenen Medizinprodukten sind deshalb Geldrabatte nach § 7 HWG durchaus möglich.
Allerdings sind Payback-Punkte nach der Entscheidung des BGH kein Geldrabatt im Sinne der Vorschrift. Laut BGH ist ein Geldrabatt dadurch gekennzeichnet, dass er ausgezahlt oder zumindest vom Rechnungsbetrag abgezogen wird. Bei Payback-Punkten ist das nicht der Fall. Ihr Wert realisiert sich erst in Folgetransaktionen, beispielsweise beim Eintausch gegen andere Produkte oder für Einkaufsgutscheine.
Höhere Wertgrenze in der Fachkreiswerbung?
Offen gelassen hat der BGH, ob in der Fachkreiswerbung für nicht preisgebundene Medizinprodukte ggf. eine höhere Wertgrenze gilt. Dafür könnte sprechen, dass der BGH die geringe 1-Euro-Grenze in der Publikumswerbung für Medizinprodukte ausdrücklich auch damit rechtfertigt, dass „bei einer Publikumswerbung im Hinblick auf die im Vergleich zur Fachkreiswerbung leichtere Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten von einer eher niedrigeren Wertgrenze auszugehen ist“. Dies könnte als Andeutung zu verstehen sein, dass angesichts der unterstellt geringeren Beeinflussbarkeit der Fachkreise durch Zuwendung und Werbegaben gegenüber Fachkreisen eventuell doch die höhere 5-Euro-Grenze gelten könnte.
Strengere Maßstäbe in Branchenkodices (z.B. FSA-Kodex)
Zu beachten ist, dass kodexgebundene Unternehmen zum Teil sogar noch nicht einmal die 1-Euro-Grenze für Werbegaben nutzen dürfen.
Strenger als der BGH in seiner Entscheidung sind beispielsweise die Regelungen des FSA-Kodex Fachkreise. Der Kodex des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA) regelt die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Angehörigen der Fachkreise, insbesondere mit Apothekern, Ärzten und anderem medizinischen Fachpersonal. Seine Vorschriften gehen zum Teil über die gesetzlichen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes hinaus. Der FSA-Kodex Fachkreise untersagt in § 21 seinen Mitgliedsunternehmen grundsätzlich jede Zuwendung an Fachkreise, die nicht einen fachlich legitimen Zweck verfolgt. Selbst geringwertige Kleinigkeiten, die nach § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 1 HWG erlaubt wären, sind nach § 21 FSA-Kodex generell unzulässig, weil § 21 Abs. 2 FSA-Kodex das allgemeine Zuwendungsverbot in § 21 Abs. 1 FSA-Kodex nur für die Ausnahmen in § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Nr. 2 bis 5 HWG öffnet, nicht aber für Nr. 1. Für FSA-Mitgliedsunternehmen, die dem Kodex unterliegen, gelten damit noch strengere Maßstäbe als die des neuen BGH-Urteils.