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18.09.2025

ESG und Corporate Governance – Neue Pflichten für Immobilienunternehmen im Fokus

Die Themen „ESG“ (Environmental, Social, Governance) und „Corporate Governance“ rücken zunehmend in den Mittelpunkt der rechtlichen und wirtschaftlichen Diskussion; dies umso mehr, als zum Jahresbeginn 2025 weitere Regularien in Kraft getreten sind. Für Immobilienunternehmen, die traditionell als bedeutende Akteure im Bereich der Stadtentwicklung und des Ressourcenverbrauchs gelten, entstehen so besondere Herausforderungen – aber auch Chancen. In diesem Artikel beleuchten wir die rechtlichen Implikationen und Pflichten, die sich aus ESG und Corporate Governance für Unternehmen der Immobilienbranche ergeben.

 

Was bedeutet ESG in der Immobilienbranche?

Die Abkürzung ESG steht für Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Diese drei Dimensionen bilden das Fundament nachhaltiger Unternehmensführung. Angesichts des Umstandes, dass rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen durch Gebäude verursacht werden und Immobilien zugleich soziale Räume schaffen, steht die Immobilienbranche nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht besonders im Fokus. Für Immobilienunternehmen ergeben sich insofern heute konkret folgende Fragestellungen:

  • Wie können Immobilien so entwickelt, gebaut und betrieben werden, dass der ökologische Fußabdruck so gering wie möglich ausfällt? Dies betrifft vor allem die Energieeffizienz von Gebäuden, die Nutzung nachhaltiger Baumaterialien und die Reduktion von CO₂-Emissionen (Stichwort: Environmental / Umwelt).
  • Auf welche Weise können soziale Aspekte wie bezahlbares Wohnen, Barrierefreiheit und faire Arbeitsbedingungen in Projekten berücksichtigt werden? Hierbei geht es insbesondere um den Umgang mit Mietern, Anwohnern und anderen Stakeholdern (Stichwort: Social / Soziales).
  • Durch welche Mechanismen kann ein Unternehmen sicherstellen, dass Transparenz, Integrität und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben gewährleistet werden? Dazu gehören z. B. Aspekte wie Risikomanagement, Compliance und die Vermeidung von Interessenkonflikten (Stichwort: Governance / Unternehmensführung).

Und dies alles muss ein Immobilienunternehmen vor dem Hintergrund 

  • steigender Anforderungen an Energieeffizienz und Klimaschutz für Neubauten und Bestandsimmobilien;
  • erhöhter Berichtspflichten, insbesondere für Unternehmen mit großen Immobilienbeständen sowie
  • finanzieller Anreize und Sanktionen, die nachhaltige Gebäude belohnen und ineffiziente Immobilien unattraktiver machen,

leisten. Damit geht es nicht mehr nur um „grüne Dächer“ oder Energieeffizienz. ESG erfasst vielmehr den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie von der Grundstücksauswahl und Planung über Bauweise, Materialeinsatz sowie Energieverbrauch bis hin zur Mieterstruktur und Bestands-Governance sowie Sanierung und Verwertung – also gleichsam nicht nur „von der Wiege bis zur Bahre“, sondern vielmehr „von der Wiege bis zur Wiege“. Insofern bedeutet ESG im Immobilienbereich, dass Unternehmen und Immobilie so wirtschaften, dass Umwelt, Mensch und Strukturen dauerhaft geschützt und gestärkt werden, ohne auf kurzfristige Effizienzgewinne zu setzen.

 

Rechtliche Anforderungen an Immobilienunternehmen

Die ESG-Thematik ist längst kein rein freiwilliges Engagement mehr. Zahlreiche gesetzliche Vorgaben und regulatorische Entwicklungen verpflichten Unternehmen, ESG-Kriterien in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren. Zudem verlangen Investoren und Banken zunehmend ESG-konforme Strategien, insbesondere aufgrund der Bestimmungen von EU-Taxonomie-Verordnung, EU-CSRD-Richtlinie und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Aber auch die Energieeinspar-Verordnung und das Gebäudeenergiegesetz verlangen Beachtung.

1) EU-Taxonomie-Verordnung
Die EU-Taxonomie gilt vielfach als Meilenstein in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, weil sie festlegt, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig anzusehen sind. Für Immobilienunternehmen bedeutet dies, dass sie beispielsweise bei Neubauprojekten oder Renovierungen nachweisen müssen, dass diese den EU-Umweltzielen entsprechen, etwa durch Energieeffizienzmaßnahmen.

2) EU-Richtlinie zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) 
Ab 2025 dehnt diese EU-Richtlinie die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auch auf Immobilienunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von mehr als 40,0 Mio. EUR aus. Konkret verpflichtet die CSRD Unternehmen dazu, die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt und Biodiversität umfassend offenzulegen. Zudem müssen Immobilienbesitzer nachweisen, wie energieeffizient ihre Gebäude sind und welche Maßnahmen zur CO₂-Reduktion ergriffen wurden. Infolgedessen wird beispielsweise eine stärkere Biodiversität sowie nachhaltige Baumaterialien und Kreislaufwirtschaft gefordert.

3) Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Auch wenn sich das deutsche Lieferkettengesetz primär auf Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Lieferkette konzentriert, ist es gleichwohl auch für Immobilienunternehmen von Relevanz. Diese müssen nämlich aufgrund des LkSG sicherstellen, dass Baumaterialien aus nachhaltigen und fairen Quellen stammen und ihre Zulieferer Menschenrechtsstandards einhalten.

4) Energieeinsparverordnung (EnEV) und Gebäudeenergiegesetz (GEG)
Im Bereich „Environmental“ spielen besonders nationale Vorgaben wie die EnEV und das GEG eine zentrale Rolle. Immobilienunternehmen müssen deshalb sicherstellen, dass sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude energieeffizient sind und die gesetzlichen Standards erfüllen.

 

Corporate Governance: Eine Frage der Verantwortung

Die Unternehmensführung (Governance) bildet das Rückgrat der politisch und gesellschaftlich vom Unternehmer eingeforderten ESG-Strategie. Immobilienunternehmen stehen hier vor der Aufgabe, unternehmensintern Strukturen und Prozesse zu schaffen, die eine nachhaltige Ausrichtung ermöglichen. Aus rechtlicher Sicht ergeben sich hieraus insbesondere folgende Kernpunkte:

  • Pflichten der Geschäftsleitung: Die Geschäftsführer haben die Aufgabe, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Unternehmens-Entscheidungen einzubeziehen. Dies ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung nach § 93 Aktiengesetz (AktG) bzw. § 43 Gesetz betreffend die GmbH (GmbHG).
  • Risikomanagement und Compliance: Jedes effektive Risikomanagementsystem in einem Unternehmen muss ESG-Risiken – etwa steigende CO₂-Preise oder Reputationsrisiken durch soziale Konflikte – berücksichtigen. Unternehmen sollten zudem sicherstellen, dass sie alle relevanten ESG-Vorgaben einhalten, um Haftungsrisiken zu minimieren.
  • Transparenz und Berichtspflichten: Die zunehmenden Anforderungen an die Offenlegung von ESG-Daten erfordern klare Prozesse und Systeme in einem Unternehmen. Die Berichterstattung muss deshalb nicht nur präzise, sondern vor allem auch prüfbar sein, um regulatorischen Anforderungen zu genügen.

 

Praktische Tipps für Immobilienunternehmen

Die Integration von ESG und Corporate Governance in ein Unternehmen ist ein komplexer und stetiger Prozess. Aus rechtlicher Sicht lassen sich dabei vor allem folgende Handlungsempfehlungen ableiten:

  • Eine eigene ESG-Strategie entwickeln: Unternehmen sollten eine umfassende ESG-Strategie entwickeln, die sowohl langfristige Ziele als auch kurzfristige Maßnahmen für Unternehmen umfasst.
  • Die rechtliche Compliance sicherstellen: Es ist unerlässlich, die bestehenden und kommenden gesetzlichen Vorgaben stets im Blick zu behalten und frühzeitig Maßnahmen zur Einhaltung zu ergreifen.
  • Interne Strukturen anpassen: ESG sollte nicht als Zusatzaufgabe, sondern als integraler Bestandteil der Unternehmensführung und -kultur betrachtet werden. Dazu gehören wiederkehrende Mitarbeiterschulungen und die regelmäßige Überprüfung und Anpassung der unternehmensinternen Governance-Strukturen.
  • Stakeholder einbinden: Immobilienunternehmen sollten ESG-Themen aktiv mit ihren Stakeholdern wie Mietern, Investoren und Behörden kommunizieren, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen.

 

ESG-Reporting für Immobilieneigentümer

Das Reporting umfasst die systematische Erfassung, Auswertung und Offenlegung von Informationen zu ESG-Daten. Besonders bei größeren Beständen oder gemischt genutzten Objekten erfordert die Umsetzung ein präzises Datenmanagement, transparente Prozesse und regelmäßige Überprüfung der ESG-Ziele. Eigentümer stehen dabei vor komplexen Herausforderungen – von der Auswahl geeigneter Indikatoren bis hin zur Erstellung konformer Berichte im Rahmen der EU-Taxonomie oder der CSRD. Typische ESG-Kennzahlen im Immobilien-Reporting sind


Environmental

  • Energieverbrauch (kWh/m² pro Jahr, getrennt nach Strom, Heizung, Kühlung)
  • CO₂-Emissionen (kg CO₂/m² pro Jahr oder absolut)
  • Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch
  • Wasserverbrauch (Liter/m² pro Jahr)
  • Abfallaufkommen und Recyclingquote
  • Zertifizierungsstatus (z. B. DGNB, LEED, BREEAM – nach Objekten gewichtet)
  • Sanierungsquote innerhalb des Portfolios (jährlich modernisierte Fläche in %)


Social

  • Anteil barrierefreier Einheiten
  • Mieterfluktuation (Verhältnis gekündigter zu vermieteter Fläche)
  • Mietpreisbindung / Sozialwohnungsquote
  • Kundenzufriedenheitsindex (z. B. durch Befragung)
  • Anzahl sozialer Projekte oder Nachbarschaftsinitiativen
  • Arbeitsbedingungen bei externen Dienstleistern (z. B. Reinigungsdienste, Sicherheit)


Governance

  • Vorhandensein eines ESG-Konzepts / Leitbilds
  • Anteil ESG-bezogener Fortbildungen bei Mitarbeitenden
  • Verankerung von ESG-Kriterien in Geschäftsführung / Aufsicht
  • Regelmäßigkeit der ESG-Berichterstattung (z. B. jährlich, quartalsweise)
  • Verwendung von ESG-Kriterien bei Lieferantenauswahl
  • Hinweisgebersystem / Compliance-Strukturen

 

Fazit

ESG und Corporate Governance sind schon lange keine rein moralischen oder freiwilligen Themen mehr – sie sind längst im rechtlichen und regulatorischen Rahmen angekommen. Für Immobilienunternehmen bedeutet dies eine doppelte Herausforderung, nämlich (1.) die regelmäßige Überprüfung und Anpassung des eigenen Geschäftsmodells an die sozialen und gesetzlichen Anforderungen sowie (2.) die stetige Beobachtung und Überwachung eventueller rechtlicher Risiken. Eine frühzeitige und umfassende Auseinandersetzung mit diesen Themen ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll, denn Untersuchungen zeigen, dass ESG-konforme Unternehmen zunehmend bevorzugt werden – sei es von Investoren, Mietern oder Geschäftspartnern.

Die Botschaft kann deshalb einzig lauten: Wer ESG und Corporate Governance ernst nimmt, ist nicht nur gesetzlich auf der sicheren Seite, sondern legt auch den Grundstein für langfristigen Erfolg in der Immobilienbranche.

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