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02.07.2020
Neue Werbemöglichkeiten für Apotheken? – EuGH erachtet Abgabe von Gratisproben für verschreibungspflichtige Medikamente an Apotheken für unzulässig

Zum Hintergrund:
Ursprung der Entscheidung war ein Rechtsstreit zwischen den Pharmaunternehmen Novartis und Ratiopharm, die beide Schmerzgele mit dem Wirkstoff Diclofenac herstellen und vertreiben. Mitarbeiter von Ratiopharm hatten im Jahr 2013 Gratisproben ihres Arzneimittels mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ an Apotheken ausgegeben. Daraufhin klagte Novartis auf Unterlassung, da die Gratisproben eine „unzulässige Gewährung von Werbegaben“ darstellten und die Abgabe der Gratismuster nach dem Arzneimittelgesetz untersagt sei. Nachdem der Rechtsstreit bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gelangt war, setzte dieser das Verfahren aus, da sich im Verfahren entscheidungserhebliche Fragen zur Auslegung des Unionsrechts stellten. Der BGH wandte sich daher im Wege des sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH und legte ihm Fragen zur Auslegung der Vorschrift zu Gratisproben im europäischen Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) vor. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass die europäische Vorschrift so auszulegen sei, dass die Abgabe von Gratismustern verschreibungspflichtiger Medikamente an Apotheker unzulässig ist. Gratismuster für rezeptpflichtige Medikamente dürften nur an Personen abgegeben werden, die berechtigt seien, solche Arzneimittel zu verschreiben. Der EuGH begründete dies damit, dass verschreibungspflichtige Medikamente wegen ihrer Wirkung und ihrer Gefahren nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden dürften. Interessant und bedeutsam dürfte für die Branche jedoch sein, dass der EuGH gleichzeitig klarstellte, dass die europäische Bestimmung der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken nicht entgegenstehe.
Praxistipp für die Vermarktung von Arzneimitteln:
Die EuGH-Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die enormen Hürden für die Vermarktung von (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln. Es bleibt abzuwarten, ob sich für die Vermarktung rezeptfreier Medikamente aufgrund des Urteils völlig neue Möglichkeiten ergeben. Eine gründliche, auch rechtliche Prüfung geplanter Marketingvorhaben ist letztlich auch weiterhin angezeigt, um das Risiko unnötiger Kosten wegen eines etwaigen Rechtsverstoßes zu vermeiden.