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16.04.2019

Überstundenbetrug als Grund für außerordentliche Kündigung

Das BAG hat nachdrücklich festgehalten, dass ein vorsätzlicher Überstundenbetrug eine außerordentliche und fristlose Kündigung auch rechtfertigen kann, wenn ein Arbeitsverhältnis seit langem bestanden hat.

BAG, Urteil v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18

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Der im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs 50 Jahre alte, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger arbeitete bei der beklagten Stadt unter Anrechnung einer Beschäftigungszeit ab August 2001. Der Kläger war Abteilungsleiter und Vorgesetzter von acht Mitarbeitern. Neben der vereinbarten monatlichen Vergütung leistete der Kläger vergütungspflichtige Überstunden, wobei die hierzu erstellten monatsweisen Aufzeichnungen keine nähere Zuordnung nach Tagen und Uhrzeiten, sondern lediglich das monatliche Gesamtaufkommen an Überstunden auswiesen. Diese Aufzeichnungen unterzeichnete der Kläger als „sachlich und rechnerisch richtig“ und ließ diese von seinem fachlichen Vorgesetzten als „gesehen und anerkannt“ gegenzeichnen. Nachdem der Kläger für einige Zeit tarifliche Erschwerniszuschläge erhalten hatte, teilte die beklagte Stadt ihm im Jahr 2012 mit, dass diese Erschwerniszuschläge nicht weiter bezahlt würden und der Kläger ggf. auch damit rechnen müsse, für die Vergangenheit diese Zuschläge eventuell rückzahlen zu müssen, was der Kläger als Missachtung seiner Arbeit empfand. Auf Anregung einer Personalreferentin, die dem Kläger mitteilte, dass die Erschwerniszuschläge in etwa einer Überstundenvergütung für sieben Überstunden monatlich entsprechen würden, fügte der Kläger in seine monatlichen Abrechnungen jeweils sieben Überstunden ein. Nachdem anlässlich des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 2015/2016 bei der Beklagten auffiel, dass der Kläger so in erheblichem Umfang Überstunden ausbezahlt erhalten hatte, konfrontierte sie den Kläger mit diesem Vorwurf, woraufhin der Kläger einräumte, dass er monatlich sieben Überstunden nicht als erbrachte Arbeitszeitstunden, sondern als „GRAU-AUSGLEICH“ für die verweigerte Erschwerniszulage eingetragen habe. Nach Anhörung des Personalrats kündigte daraufhin die beklagte Stadt das Anstellungsverhältnis des Klägers außerordentlich und fristlos. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage.

Nachdem die Arbeitsgerichte in I. und II. Instanz der Klage stattgegeben hatten, hat das BAG auf die Revision der Beklagten hin die Klage als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen stellt das BAG zunächst klar, dass die Begründetheit einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung wie der streitgegenständlichen in zwei Stufen dahingehend zu prüfen ist, ob der Sachverhalt „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzusehen ist und sodann in einer weiteren Stufe, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht.

Im Rahmen der ersten Stufe der Prüfung stellt das BAG in erfreulicher Deutlichkeit und Klarheit fest, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber jedoch nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darzustellen. Dies ergebe sich nicht aus einer strafrechtlichen Würdigung, sondern aus dem mit der vorsätzlichen Falschaufzeichnung verbundenen schweren Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber. Einen solchen schweren Vertrauensbruch nimmt das BAG in seiner Entscheidung angesichts der vorsätzlichen und wissentlichen Falschausfüllung der Formulare an und lässt in diesem Zusammenhang auch nicht den Einwand des Klägers gelten, er habe in anderem Zusammenhang Arbeitsleistungen zwar erbracht, aber nicht dokumentiert und abgerechnet. Auch die Berufung auf die Anregung der Personalreferentin hält das BAG dem Kläger nicht zugute, da er nicht auf deren Berechtigung zu einer entsprechenden Zusage vertrauen konnte.

Im Rahmen der sodann anzustellenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Gewichts der Vertragspflichtverletzung, des Grades des Verschuldens, einer möglichen Wiederholungsgefahr sowie der Dauer des Arbeitsverhältnisses weist das BAG darauf hin, dass der Kläger angesichts seines vorsätzlichen und systematischen Fehlverhaltens über mehrere Jahre hinweg nicht damit rechnen konnte, dass die Beklagte dieses Verhalten hinnehmen würde. Aus diesem Grund sei auch der vorherige Ausspruch einer Abmahnung im konkreten Fall nicht erforderlich. Dies ergebe sich insbesondere auch daraus, dass es nicht um ein einmaliges Fehlverhalten des Klägers gehe, sondern dass dieser über einen Zeitraum von immerhin fünf Jahren jeden Monat durch bewusst falsches Ausfüllen der Zeitaufzeichnungen erneut pflichtwidrig handelte. Angesichts dieses schwerwiegenden, systematischen und vorsätzlichen Fehlverhaltens des Klägers sieht das BAG auch soziale Belange im Hinblick auf Lebensalter und Unterhaltspflichten sowie der Anstellungsvertragsdauer als nicht entscheidend an.

Fazit:

Mit der Entscheidung stellt das BAG sehr klar, dass insbesondere ein fortgesetzter Arbeitszeitbetrug, wie er in der Falschausfüllung von Überstundenaufzeichnungen ebenso zu sehen ist wie z. B. bei einem vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr, den Ausspruch einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung durchaus rechtfertigen kann.

Autor/innen

Bernd Joch

Dr. Bernd Joch

Partner

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