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18.12.2020

Schwarze Wolken davongezogen? – Ein überraschendes Update zu personalisierter Werbung in der EU

Manche Prognosen treten schneller ein als erhofft: Kurz nachdem wir einen Blick auf die Forderung nach einer Einschränkung personalisierter Werbung bis hin zu einem vollständigen Verbot aus dem Parlament der Europäischen Union warfen, erteilte die EU Kommission dieser zugunsten einer Lösung durch mehr verpflichtende Transparenz eine Absage. Mit einer Pressemitteilung veröffentlichte die Kommission unter Federführung der zuständigen Kommissarin Vestager am 15. Dez. 2020 den „Entwurf einer Verordnung für einen Binnenmarkt für digitale Dienstleistungen (Digital Services Act)“, kurz „DSA“.

Transparenz statt Verbote

Für das personalisierte Werben (‚targeted advertising‘) auf Online-Plattformen wurden nun konkrete und „umfassende Regelungen“ vorgeschlagen. In den einleitenden Erklärungen zum Verordnungsentwurf spricht die Kommission davon, dass sie die Rechte der NutzerInnen durch Transparenzverpflichtungen durchsetzen will und Behörden und ForscherInnen die Überprüfung der Art und Weise der Werbung und ihrer Personalisierung ermöglichen will. In den Erwägungsgründen betont sie zusätzlich die Wichtigkeit der Zustimmung der NutzerInnen vor Beginn der Personalisierung der Werbung, wofür ebendiese Informationen Voraussetzung wären (Nr. 52). Ferner soll der Öffentlichkeit Zugang zu den insgesamt auf den Plattformen veröffentlichten Werbeanzeigen gewährt werden, um eine Überwachung zu ermöglichen, insbesondere da, wo personalisiert geworben wird (Nr. 63).

Klartext

Neben Pflichten zur klaren Ausweisung von Werbung als solche (Artikel 24), bedeutet das im Klartext, dass nach Artikel 30 des Entwurfs für ein Jahr nach der letzten Abbildung der Werbeanzeige Informationen über ihren Inhalt, den Auftraggeber, den zeitlichen Rahmen, die Frage, ob sie und wenn ja an wen zielgerichtet war, die tatsächlich erreichte Zahl an Empfängern und die Zahl der zielgerichtet erreichten Empfänger der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Die Daten müssen frei von persönlichen Daten möglicher Empfänger der Anzeigen dargestellt sein. Daneben treten nach Artikel 31 des Entwurfs Pflichten zur Herausgabe von Daten an den neu einzuführenden „Digital Services Coordinator“ auf begründetes Verlangen hin sowie an nach bestimmten Kriterien eingegrenzte Forscherkreise, denen nur mit einem Verweis auf die Nichtexistenz der Daten sowie einer möglichen Bedrohung der Sicherheit des Systems bei Herausgabe begegnet werden kann. Für Betreiber von Online-Plattformen wohl am empfindlichsten sind die vorgesehenen umfassenden Einsichtsrechte der Kommission in deren Datenbanken und Algorithmen (z.B. Art. 57).

Zusätzlich will die Kommission nach Artikel 34 des Entwurfs freiwillige Standards in den entsprechenden Branchen fördern. Dazu gehört auch ein „Code of Conduct“ für Online-Werber und Plattformbetreiber nach Artikel 36. Wie diese aussehen sollen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret sagen, und auch bei den genannten Pflichten handelt es sich freilich nur um die auf den ersten Blick relevantesten.

Bedeutung für Nutzer personalisierter Werbung

Was also lässt sich dem Gesetzespaket in Bezug auf personalisiertes Werben entnehmen? Auf Unternehmen und Plattformen kommen – gemessen an ihrer Größe – umfassende Pflichten zu. Zwar wird der „DSA“ endlich eine Harmonisierung des digitalen europäischen Binnenmarkts herbeiführen und dadurch die Rechtssicherheit stärken, jedoch werden die Transparenzpflichten bei personalisierter Werbung eine zusätzliche Belastung darstellen und im Zweifelsfall sicherheitsrelevante Bereiche der IT-Infrastruktur betreffen. Über die von der Kommission angeregten freiwilligen Zusammenschlüsse und Selbstverpflichtungen können die Betroffenen weiterhin Einfluss nehmen und negativen Entwicklungen entgegensteuern. In jedem Fall bleibt abzuwarten, ob sich das umfassende Pflichtenpaket in der Praxis als sinnvoll etabliert.

Der „DSA" ist in seiner Gänze natürlich noch weitgehender. Hier unberücksichtigt bleiben Pflichten z.B. in Bezug auf das Löschen illegaler Inhalte. Zu diesem und anderen Themen rund um den DSA werden wir Sie in den kommenden Monaten informieren. Sollten Sie bereits jetzt individuelle Beratung in Bezug auf dieses oder ein verwandtes Thema benötigen, sprechen Sie uns gern an.

Autor/innen

Maximilian König

Maximilian König

Counsel

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Sandra Sophia Redeker

Sandra Sophia Redeker

Partnerin

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