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22.06.2021

Ist die Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums an einer Ehewohnung vor Ablauf des Trennungsjahres zulässig?

Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung beantwortet die Frage derzeit mit einem klaren Jein.

Zur Konstellation

Die Eheleute F und M haben sich vor zwei Monaten getrennt. Beide wollen die Ehe nicht weiterführen. Während der Ehe haben sie in einer Immobilie gewohnt, an der beide hälftiges Eigentum haben. F ist ausgezogen und will die Ehewohnung jetzt unverzüglich versteigern. Zum einen aufgrund der aktuell besonders günstigen Marktlage und zum anderen um M unter Druck zu setzen, da dieser die Klärung von Fragen zu Unterhaltsansprüchen und zur Vermögensauseinandersetzung verzögert. M lehnt eine Versteigerung ab. F stellt einen Antrag auf Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums. M beantragt festzustellen, dass die Teilungsversteigerung unzulässig ist.

Zur Gesetzeslage

Die Gesetzeslage ist in diesem Bereich nicht eindeutig. Die familienrechtlichen Regelungen sehen kein ausdrückliches Verbot der Teilungsversteigerung während der Trennungszeit vor. Normiert ist aber z.B. das Gebot der ehelichen Rücksichtnahme (§ 1353 BGB). Es ist streitig, ob diese Vorschrift während des Trennungsjahrs die Vorschriften zur Teilungsversteigerung überlagert.

Auf der einen Seite ist die Trennungszeit familienrechtlich stark geschützt. In dieser Zeit sollen keine einschneidenden Veränderungen am status quo erfolgen, die eine Rückkehr zur intakten Ehe erschweren. Während der gesamten Trennungszeit behält die Wohnung, die beide Eheleute während der Ehe gemeinsam bewohnt haben, ihren Charakter als Ehewohnung. Während intakter Ehe ist eine einseitig veranlasste Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums nach ständiger Rechtsprechung unzulässig, da hierdurch der rechtlich geschützte, in der Ehe geschaffene Lebensraum des anderen beeinträchtigt werden würde. Während der Trennungszeit kann ein Ehepartner sich die Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Benutzung zuweisen lassen (vgl.  § 1361 b BGB). Eine solche Zuweisung gilt längstens bis zur Rechtskraft der Scheidung.

Auf der anderen Seite ist bei Uneinigkeit über den Verkauf der Ehewohnung eine Auflösung des Miteigentums nach den gesetzlichen Regelungen zur Teilungsversteigerung vorzunehmen (§ 180 ZVG). Jeder Miteigentümer kann die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft verlangen. Bei Grundstücken erfolgt die Teilung durch Zwangsversteigerung auf Antrag eines Miteigentümers. Der Versteigerungserlös wird unter den Miteigentümern anteilig aufgeteilt.

Zur Rechtsprechung

Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik ist uneinheitlich. Das OLG Hamburg (NZFam 2018, 32) hat entschieden, dass keine Interessensabwägung vorzunehmen sei. Eine Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums an einer Ehewohnung während der Trennungszeit sei nicht zulässig. Die Ehewohnung müsse während der Trennungszeit als solche erhalten bleiben. Eine Teilungsversteigerung sei in dieser Phase unvereinbar mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ehewohnung.

Nach einer Entscheidung des OLG Jena (NJW-RR 2019, 264) steht das Gebot der ehelichen Rücksichtnahme der Teilungsversteigerung während der Trennungszeit nicht generell entgegen. Es müsse eine umfassende Interessensabwägung im Einzelfall vorgenommen werden. Maßgeblich sei, ob der Versteigerungsantrag in ehefeindlicher Absicht gestellt wurde und, ob besondere Fürsorgepflichten gegenüber einem psychisch oder physisch kranken Ehepartner oder gegenüber gemeinsamen Kindern durch die Versteigerung missachtet werden. Zudem sei bei der Einzelfallbewertung die Dauer des Zusammenlebens in der Ehewohnung und die Dauer des Getrenntlebens zu berücksichtigen. Auch die Notwendigkeit des Antragstellers bzw. der Antragstellerin eine neue angemessene Wohnung zu finden und das Angebot einer angemessenen Ersatzwohnung seien als Kriterien bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Zuletzt hat das OLG Köln (FamRZ 2021, 20) entschieden, dass das Gebot ehelicher Rücksichtnahme einer Teilungsversteigerung der Ehewohnung vor Rechtskraft der Scheidung entgegenstehen kann. Maßgebend ist die Abwägung der wechselseitigen Interessen. Hierbei sei insbesondere zu prüfen, ob der Versteigerungsantrag in ehefeindlicher Absicht gestellt wurde.

Fazit

Aufgrund der unklaren Rechtslage und der gegenläufigen OLG-Rechtsprechung bedarf es dringend einer höchstrichterlichen Entscheidung. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn zahlreiche Rechtsbeschwerden zu dieser Thematik den BGH erreichen würden.

Im praxisnahen Schrifttum werden Umgehungsstrategien diskutiert. Für den Fall, dass F und M hälftiges Eigentum haben, wird F geraten, 1 % ihres Bruchteilseigentums an einen vertrauenswürdigen Dritten zu übertragen. Der Dritte solle dann als Miteigentümer die Teilungsversteigerung und anschließend eine Herausgabe- bzw. Räumungsklage anstrengen.

Zur Begründung dieser Strategie wird darauf verwiesen, dass kein Dritter ein Versteigerungsverfahren mit ehefeindlicher Absicht einleiten könne, da er hinsichtlich der Ehe stets Außenstehender sei. Es lässt sich derzeit aber keine belastbare Einschätzung zu den Erfolgsaussichten eines in dieser Konstellation eingeleiteten Teilungsversteigerungsverfahrens abgeben. Bis eine Entscheidung des BGH möglicherweise Klarheit bringt, werden noch mehrere Teilungsversteigerungen vor Ablauf des Trennungsjahres eingeleitet werden - mal erfolgreich, mal nicht, abhängig von dem zuständigen OLG-Bezirk.

Gerne beraten wir Sie in diesem Zusammenhang und prüfen die Rechtslage unter Beachtung der konkreten Umstände Ihres Falles.

Autor/innen

Amelie Großmann (geb. Schroth der Zweite)

Dr. Amelie Großmann (geb. Schroth der Zweite)

Senior Associate

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