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14.10.2015

Reisezeiten und Arbeitszeit

In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber, eine spanische Gesellschaft, die für ihre Kunden Installationen und Wartungen von Sicherheitssystemen vornahm, zunächst ihre Tätigkeit von Provinz-Büros aus organisiert,

Vom Arbeitgeber veranlasste Fahrtzeiten vom Wohnort eines Arbeitnehmers zum Standort des ersten Kunden können Arbeitszeit sein.

EuGH, Urteil v. 10.09.2015 – C-266/14

In dem vom EuGH entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber, eine spanische Gesellschaft, die für ihre Kunden Installationen und Wartungen von Sicherheitssystemen vornahm, zunächst ihre Tätigkeit von Provinz-Büros aus organisiert, die dann jedoch nach Schließung dieser Büros vom Zentralbüro in Madrid aus gesteuert wurde. Die Angestellten der Beklagten mussten danach tägliche Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten bzw. letzten vom Arbeitgeber bestimmten Kunden durchführen. Die Entfernung betrug dabei im Einzelfall durchaus über 100 km. Die beklagte Arbeitgeberin war der Auffassung, dass es sich bei diesen Fahrten nicht um Arbeitszeit, sondern um Ruhezeit handele.

Der Europäische Gerichtshof entschied im vorliegenden Fall gegen die Arbeitgeberin. Dabei verwies er zunächst darauf, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Zeiträume entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ angesehen werden müssten. Eine Zwischenkategorie hierbei gebe es nicht. Als „Arbeitszeit“ wertete der EuGH dabei die Zeit, in der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen und seine Tätigkeit bzw. Aufgaben wahrzunehmen hat.

In der weiteren Begründung seiner Entscheidung verwies der EuGH darauf, dass die Arbeitgeberin zu Zeiten des Bestandes von Regionalbüros durchaus die Fahrtzeit ihrer Arbeitnehmer von diesen Büros und den ersten bzw. letzten Kunden als Arbeitszeit betrachtet habe. Nach Auflösung der Regionalbüros, also zu Zeiten, in denen die Arbeitnehmer direkt von ihrem Wohnort zu dem ersten bzw. letzten Kunden fahren müssten, können diese Fahrtzeiten nicht anders als früher die Fahrten zwischen Regionalbüros und den Kunden als Arbeitszeit betrachtet werden. Das „Wesen“ dieser Fahrten habe sich nach Auffassung des EuGH nach Schließung der Regionalbüros eben gerade nicht geändert. Während dieser Fahrtzeiten hätten die Arbeitnehmer gerade nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen.

Die Fahrtzeiten zwischen Wohnort und dem ersten/letzten Kunden seien daher als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten.

Fazit:

Mit seiner Entscheidung hat der EuGH ein weiteres interessantes Kapitel zu der Frage aufgeschlagen, inwieweit Reisezeiten als Arbeitszeit zu betrachten sind. Nach der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung ist dabei grundsätzlich davon auszugehen, dass Reisezeiten nicht zur gesetzlichen Arbeitszeit zählen. Soweit sich nicht aus arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelungen etwas anderes ergibt, sind diese Zeiten grundsätzlich nicht als Arbeitszeit anzusehen und zu vergüten. Etwas anderes soll nach Auffassung des BAG nur dann gelten, wenn die Arbeitnehmer durch ihre Dienstreise selbst eine vertragliche Verpflichtung erbringen, wie z. B. LKW-Fahrer, oder während der Dienstreise eine Hauptleistung aus dem Arbeitsverhältnis erfüllen, wie z. B. die Bearbeitung mitgeführter Akten. Das Urteil des EuGH zeigt, dass bei diesen Betrachtungen jeweils sehr genau auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Eine pauschalierende Betrachtungsweise ist demgegenüber nicht möglich.

Autor/innen

Bernd Joch

Dr. Bernd Joch

Partner

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