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30.06.2023

Der Zubau von Photovoltaikdachanlagen in der (baurechtlichen) Vertragsgestaltung

Der Zubau von Photovoltaikanlagen (nachfolgend: „PV-Anlagen“) auf Dächern von Bestandsgebäuden erlebt derzeit einen Boom. Dies gilt insbesondere auch im Bereich von Industrie und Gewerbe. Der selbst erzeugte Strom kann gegen Vergütung in das Netz eingespeist oder sogar direkt am Markt verkauft werden. Zudem bietet es die Möglichkeit, die Strombezugskosten zu senken und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Der Beitrag gibt einen Überblick über einige grundlegende Rechtsfragen, die sich bei Abschluss eines Vertrages über den Zubau einer PV-Anlage stellen können.

Kaufvertrag oder Werkvertrag?

Die rechtliche Einordnung des Vertrages ist die erste Frage, die geklärt werden sollte. Sie ist von großer Bedeutung, da die Vertragsart über das anzuwendende Regelungsregime entscheidet und diese sich teilweise erheblich unterscheiden.  Bauhandwerkersicherungen, Kündigungsrechte, das Recht auf Abschlagszahlungen, eine Abnahme, etc. gibt es nur im Werk- bzw. Bauvertragsrecht, nicht im Kaufrecht. Auch die Einbeziehung der VOB/B könnte bei einem Kaufvertrag unwirksam sein, weil die VOB/B auf das Werkvertragsrecht zugeschnitten ist.

Unproblematisch ist die Einordnung, wenn die PV-Anlage durch den Erwerber selbst montiert wird. Es liegt dann ein Kaufvertrag vor. Klar ist die rechtliche Einordnung auch dann, wenn Lieferung und Montage getrennt beauftragt werden. Dann liegt ein Kaufvertrag über die Lieferung der Komponenten und ein Werkvertrag über die Montage vor.

In der Praxis wird üblicherweise ein Vertrag mit einem Anbieter über Lieferung und Errichtung als Komplettlösung inklusive Inbetriebnahme geschlossen.

Ob dieser Vertrag als Kauf (mit Montageverpflichtung) oder als Werkvertrag zu werten ist, bestimmt sich nicht danach, ob er als „Kaufvertrag“ oder „Werkvertrag“ bezeichnet ist. Es kommt vielmehr darauf an, auf welcher der geschuldeten Leistungen (Kauf oder Montage) der Schwerpunkt liegt und dem Vertrag damit die maßgebliche Prägung gibt. In der Rechtsprechung wird dabei auf das Wertverhältnis der erworbenen Module und der Montageleistung abgestellt und darauf, ob die Montageleistung angesichts der gestellten handwerklichen Installations- und Anpassungsarbeiten überwiegt. Dies kann bspw. der Fall sein, wenn die Herstellung einer größeren funktionsfähigen PV-Anlage auch unter Berücksichtigung der statischen Anforderungen des Gebäudes geschuldet ist.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass umso größer der individuelle Aufwand der Montageleistung ist, desto eher ist ein Werkvertrag anzunehmen. Es bedarf aber stets einer Prüfung im Einzelfall, um dann das Regelungsregime in der Vertragsgestaltung entsprechend auszurichten. Um Unsicherheiten zu vermeiden, kann es sich zudem anbieten, wesentliche Regelungsinhalte individualvertraglich zu vereinbaren.  

Welche Gewährleistungsfrist gilt?

Für die Bestimmung der Gewährleistungsfrist kommt es nicht primär darauf an, ob es sich um einen Kauf- oder einen Werkvertrag handelt. Denn sowohl Kauf- als auch Werkvertragsrecht ordnen grundsätzlich eine 5-jährige Gewährleistung an, wenn der Zubau der PV-Anlage eine grundlegende Erneuerung eines anderen Bauwerks (dazu unten Ziff. 1.) oder die PV-Anlage selbst ein Bauwerk darstellt (dazu unten Ziff. 2). Anderenfalls gilt nur eine 2-jährige Gewährleistungsfrist.

  1. Damit der Zubau einer PV-Anlage eine grundlegende Erneuerung eines anderen Bauwerks darstellt und damit die 5-jährige Gewährleistungsfrist gilt, müssen nach der Rechtsprechung folgende Voraussetzungen erfüllt sein:  
    → Es muss eine feste und dauerhafte Verbindung der Anlage mit dem Gebäude hergestellt werden und diese mit einem erheblichen Eingriff in die Substanz des vorhandenen Gebäudes verbunden sein. Wann dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem konkreten Vorhaben. Es lassen sich für PV-Anlagen keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Auch hier gilt aber: Je umfassender die Montage ist, desto eher wird eine feste Verbindung vorliegen.
    → Zudem muss die Anlage für das Gebäude eine Funktion erfüllen. Dies hatte der BGH (Urteil vom 9. Oktober 2013 – VIII ZR 318/12) für solche PV-Anlagen verneint, bei denen der gewonnene Strom ins Netz eingespeist und nicht für das Gebäude, mit dem die Anlage verbunden ist, genutzt wird. Die Anlage diene dann allein Erwerbsinteressen des Eigentümers.
    Dieser Argumentation ist ein anderer Senat des BGH in einer „neueren“ Entscheidung (BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 – VII ZR 348/13) entgegengetreten. Er meint, es sei ausreichend, wenn das Gebäude als Trägerobjekt für die PV-Anlage diene. Ob damit die frühere abweichende Auffassung aufgegeben ist, ist offen.
     
  2. Ob PV-Dachanlagen selbst als Bauwerke angesehen werden können, ist ebenfalls bisher nicht abschließend geklärt. Im Schrifttum gehen die Meinungen auseinander. Die Rechtsprechung tendiert aber (derzeit) überwiegend dazu, die an einem Gebäude angebrachten PV-Anlagen nicht als Bauwerke anzusehen. Dies wird damit begründet, dass die Anlage selbst keine unmittelbare Verbindung mit dem Erdboden aufweise.

Im Ergebnis hängt es maßgeblich vom Einzelfall ab, ob der Zubau einer PV-Anlage auf einem Gebäude eine - die lange Bauwerksverjährung von 5 Jahren auslösende – Erneuerung des Gebäudes bedeutet, vornehmlich von der Komplexität der Montage. Vorsicht ist geboten, wenn die PV-Anlage ausschließlich der entgeltlichen Einspeisung der gewonnenen Energie in das Stromnetz dienen soll. Nach der oben zitierten (früheren) Entscheidung des BGH (Urteil vom 9. Oktober 2013 – VIII ZR 318/12) gilt dann ggf. nur eine 2-jährige Gewährleistung.

Vor diesem Hintergrund dürfte es empfehlenswert sein, eine ausdrückliche vertragliche Regelung zur Verjährung der Mängelgewährleistung zu treffen.

Anwendung des Bauvertragsrechts (§§ 650a ff. BGB)?

Die Anwendung des Bauvertragsrechts (§§ 650a ff. BGB) setzt zunächst voraus, dass ein Werkvertrag vorliegt. Dies allein genügt aber nicht. Es muss sich zudem um einen „Bauvertrag“ handeln. Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines „Bauwerks“. Maßgeblich ist damit wiederum der Bauwerksbegriff. Dieser bestimmt sich - nach der wohl überwiegenden Ansicht - entsprechend den Gewährleistungsvorschriften. Das bedeutet: Wenn die 5-jährige Gewährleistungsfrist gilt (und ein Werkvertrag anzunehmen ist) ist davon auszugehen, dass auch das Bauvertragsrecht mit den Vorschriften der §§ 650a ff. BGB (also insbesondere das Anordnungsrecht des Auftraggebers) Anwendung findet.

Eigentumserwerb der PV-Anlage?

Bei Arbeiten an einem Gebäude erwirbt der Eigentümer des Gebäudes grundsätzlich kraft Gesetzes das Eigentum an den Baustoffen, da diese mit dem Einbau wesentlicher Bestandteil des Grundstückes bzw. des Gebäudes werden (vgl. §§ 946, 94 BGB).

Ob dies auch beim Zubau einer PV-Anlage auf dem Dach anzunehmen ist, bestimmt sich wieder nach dem Einzelfall.

Der gesetzliche Eigentumserwerb setzt eine feste Verbindung von PV-Anlage und Gebäude voraus. Eine „feste Verbindung“ ist i.S.d. §§ 93, 94 BGB anzunehmen, wenn eine Trennung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre, insbesondere zu einer Beschädigung der Sache führen würde. Dies wird bei dem Zubau von PV-Anlagen auf Dächern von der Rechtsprechung häufig verneint, da hier der Abbau regelmäßig ohne Beschädigung des Dachses möglich ist. Maßgeblich ist aber der konkrete Einzelfall.

Neben dem Umfang einer etwaigen Demontage kann auch der Umfang der Stromeinspeisung in das öffentliche Netz ein Indiz für bzw. gegen das Vorliegen eines wesentlichen Bestandteils darstellen. Insbesondere wenn der erzeugte Strom ausschließlich oder weit überwiegend in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird, stellen PV-Anlagen regelmäßig keine wesentlichen Grundstücksbestandteile dar. Anders kann es sein, wenn die PV-Anlage ausschließlich der Stromversorgung des Gebäudes dient, auf dem die PV-Anlage errichtet wurde.

Die Frage des Eigentumserwerbs ist nicht nur bei einer etwaigen Veräußerung des Grundstückes, sondern insbesondere auch bei dem Anschluss des Errichtungsvertrages im Zusammenhang mit der Fälligkeit von (Abschlags-)Zahlungen von Bedeutung.

Wenn der Besteller kraft Gesetzes automatisch Eigentümer der eingesetzten Bauteile wird, stellen Abschlagszahlungen keine ungesicherte Vorleistung dar. Wenn dies aber nicht der Fall ist, besteht die Gefahr einer ungesicherten Vorleistung, die durch entsprechende Vertragsgestaltung vermieden werden sollte. Wenn Abschlagszahlungen vorgesehen sind, sollte der Eigentumsübergang daher möglichst auf andere Weise sichergestellt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Unternehmer ihre Waren regelmäßig selbst nur unter Eigentumsvorbehalt erwerben. Es ist daher zumindest bei größeren Abschlagszahlungen zu empfehlen, die Einzelheiten des Eigentumsübergangs gesondert zu regeln.

Autor/innen

Peer Niklas Bolten

Peer Niklas Bolten

Counsel

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