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23.01.2020

„Olympiaverdächtiges“ Marketing im Zeichen der Sommerspiele in Tokio?

Seit der Bewerbung Leipzigs für die Olympischen Sommerspiele des Jahres 2012, die bekanntlich nicht dort, sondern in London stattfanden, beschäftigt die Industrie immer wieder der kennzeichenrechtliche Sonderrechtsschutz durch das Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen (OlymSchG).

Seit seinem Inkrafttreten vor nunmehr 15 Jahren führt das OlympSchG im Wechsel zwischen Sommer- und Winterspielen, im Vorfeld des sportlichen Großereignisses immer wieder zu Unsicherheiten in Marketingabteilungen und teils hektischen Anrufen in den Rechtsabteilungen. Im Nachgang der jeweiligen Olympischen Spiele beschäftigen sich dann nicht selten die Gerichte mit den juristischen „Nachbrennern“ der aus Sicht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) allzu kreativen Ambusher, die – getreu dem Motto „dabei sein ist alles“ – ihre Waren oder Dienstleistungen im Fahrwasser der Spiele unter Verwendung „olympionesker“ Abbildungen, Logos oder Bezeichnungen vermarkten. Ginge es nach dem DOSB oder dem IOC, wäre bereits der bloße assoziative Bezug zwischen dem Angebot von Waren und Dienstleistungen und den für die Olympischen Spiele vorbehaltenen Kennzeichen zu untersagen. Also die wirtschaftliche Nutzung des reinen Gedankens an die Spiele, solle allein dem DOSB/IOC zustehen.

Der Bundesgerichtshof kann sich mit diesem Gedanken bereits seit Mai 2014 nicht anfreunden und hat schon in seinem ersten Urteil zum OlymSchG, in dem es um die Bewerbung von Kontaktlinsen zu „Olympischen Preisen“ und unter Gewährung eines „Olympia-Rabatts“ ging, klar gemacht, wie hoch die Latte für den DOSB hängt, damit eine Werbung vom Schutzzweck des OlympSchG erfasst sein und als unlauter rufausbeutend verboten werden kann. Es reicht nicht allein, dass der Werberezipient „Olympia“ assoziiert und irgendwie an die Olympischen Spiele denkt oder daran erinnert wird. Erforderlich ist vielmehr ein „den Zielen der Olympischen Bewegung zuwiderlaufender Imagetransfer“, also eine Übertragung der „Wertschätzung der Olympischen Spiele […] auf die beworbene Ware oder Dienstleistung“. Dafür aber bedarf es – wie auch im ergänzenden lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3b UWG – ganz konkreter Anhaltspunkte im Einzelfall und deren Nachweis durch den DOSB.

Auch für den weiteren Verletzungstatbestand des OlymSchG, die Verwechslungsgefahr durch gedankliches Verbinden, die wie im Markenrecht zu verstehen und anzuwenden ist, gab der BGH den Rechtsanwendern klare Anweisungen. Verwechslungsgefahr besteht nur, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, es bestünden zwischen DOSB/IOC wirtschaftliche oder organisatorische Zusammenhänge, wofür wiederum der einfache Gedanke an Olympia nicht ausreicht. Denn die Rechtsprechung geht von einem verständigen Verbraucher aus, der „zwischen der Werbung eines Sponsors und der sonstigen werblichen Bezugnahme auf Olympische Spiele“ unterscheidet. Kurz gefasst: Dort, wo der normal Informierte erkennt, dass die Werbung keine offizielle Sponsorenwerbung ist, greift auch das OlympSchG nicht.

Der DOSB scheiterte im Jahr 2017 vor dem Land- und dem Oberlandesgericht München mit seinem Begehren einem Eventveranstalter zu verbieten, die Bezeichnung „Bauernhofolympiade“ für eine Veranstaltung zu nutzen, bei der auf einem Bauernhof mit dort typischer Weise vorhandenen Materialien und Gerätschaften (zum Beispiel Heuballen, Hufeisen, Schubkarren) sportliche Wettkämpfe durchgeführt wurden. Auch hier – so das OLG – fehlte die Verwechslungsgefahr, weil das Wort „Olympiade“ zwar gegebenenfalls Assoziationen zu den Olympischen Spielen auslöse, es erwarte aber niemand ernsthaft, dass zwischen dem Veranstalter der Bauernhofolympiade und dem DOSB/IOC wirtschaftlich organisatorische Verbindungen bestünden.

Ebenso unterlag der DOSB vor dem OLG Stuttgart, wo er gegen die Werbung eines Einzelhandelsunternehmens stritt, in der rundliche Grillpatties auf einem Rost (den Olympischen Ringen nicht ganz unähnlich angeordnet) abgebildet waren und wo durch einen Claim sowie den zeitlichen Einsatz der Werbung ein klarer Bezug zu den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hergestellt worden war.

Diesen engen Radius hat der BGH im März 2019 wiederum bestätigt und die Werbung mit Slogans „olympiaverdächtig” und „olympiareif” für zulässig erachtet.1 Der BGH stellt sich hier auch gegen die Monetarisierungsbestrebungen des DOSB, das originär einen sehr starken Bezug zu den Olympischen Spielen hat, so dass der Gedanke wirtschaftlich organisatorischer Verbindungen nicht völlig fern gelegen hätte – anders als beispielsweise bei Burger-Fleischpatties auf einem Grillrost.

In der jüngsten BGH-Entscheidung ging es um Online-Werbung für Sportbekleidung mit den Worten: „olympiaverdächtig: Mit der richtigen Sportbekleidung eigene Rekorde brechen“; „einfach olympiareif... Es muss nicht Rio sein, auf der ganzen Welt gibt es kleine und große Athleten! Und mit der richtigen Kleidung ausgestattet fühlt man sich wie einer von ihnen. Die tollen Sport-Shirts und Polos sind einfach olympiareif.“ Der BGH sah auch hier in den Begriffen „olympiaverdächtig“ und „olympiareif“ eher ein produktbezogenes Synonym für eine außergewöhnlich gute Leistung als ein unlauteres Verwenden olympischer Bezeichnungen. Selbst die in der Webseite und Werbung eingebundene Abbildung einer Medaille in der Hand eines Sportlers ist aus Sicht des BGH zulässig. Denn Medaillen kann man nicht nur bei den Olympischen Spielen gewinnen.

Der Blick in die Entscheidungen des BGH und der befassten OLG zeigen, dass Werbungtreibende eine breite Toolbox nutzen können, um olympisches Feuer für ihre (Marken-)Produkte zu entfachen – auch dann, wenn sie kein vertraglich gebundener Partner des DOSB und IOC sind. Zwar lässt sich zukünftiges Prozessverhalten des DOSB nicht seriös prognostizieren, aber die jüngste BGH-Entscheidung sowie die klaren Urteile aus München und Stuttgart werden sicher nicht ohne Folgen bleiben. Solange werbetreibende Unternehmen also die nun ein weiteres Mal ausgedehnten rechtlichen Grenzen des OlympSchG einhalten, droht ihnen auch aus Frankfurt am Main – dem Sitz des DOSB – kein Ungemach.

Veröffentlicht im Newsletter Süßwarenindustrie Spezial – Ausgabe 2020.

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1 BGH,Urt. v. 07.03.2019, I ZR 225/17 – Olympiareif.

Autor/innen

Sascha Pres

Dr. Sascha Pres

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