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20.02.2020

Oberlandesgericht Köln geht von einem (sehr) weiten Auskunftsanspruch einer betroffenen Person aus

Kurz vor dem 2. Geburtstag der Datenschutz-Grundverordnung („DSGVO“), werden die ersten Urteile von Oberlandesgerichten veröffentlicht.

Dabei war absehbar, dass sich diese ersten Urteile insbesondere mit Artikel 15 DSGVO (Auskunftsrecht der betroffenen Person/Informationsrecht) befassen werden. Praxisrelevant ist die Frage nach der Reichweite eines Auskunftsanspruchs gemäß Artikel 15 DSGVO. Wie umfangreich muss eine erteilte Auskunft sein, um ausreichend und vollständig zu sein? Dabei geht es auch um die Quantität (wie viele personenbezogene Daten?) und die Qualität (welche personenbezogenen Daten?) einer Beauskunftung.

Die Formulierungen von Artikel 15 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 DSGVO deuten eher auf eine große Reichweite hin. Der Wortlaut von Artikel 15 Abs. 4 DSGVO hingegen erlaubt einen differenzierteren Ansatz. Während verschiedene Gerichte zur Reichweite unterschiedliche Ansichten vertreten, ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln („OLG Köln“) besonders erwähnenswert. Diesem Urteil liegt ein Lebensversicherungsvertrag zugrunde.

1. Das OLG Köln geht von einem sehr weiten Anwendungsbereich von Artikel 15 DSGVO aus

Am 26. Juli 2019 hat das OLG Köln, Az. 20 U 75/18, in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass Artikel 15 DSGVO eine große Reichweite hat und der Anwendungsbereich somit sehr weit sei. Eine Auskunft nach Artikel 15 DSGVO könne nicht (einseitig) auf eine Teilmenge der vorhandenen personenbezogenen Daten begrenzt werden.

Die Parteien hatten am 1. November 2000 einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Kläger wollte Auskunft gegenüber der Beklagten über alle jemals verarbeiteten und noch immer in den Akten befindlichen personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit seinem Lebensversicherungsvertrag.

Die Beklagte argumentierte, dass der Begriff „personenbezogene Daten“ nur Stammdaten umfassen würde (die Beklagte hatte diese dem Kläger bereits zur Verfügung gestellt). Weitere Informationen, insbesondere elektronisch gespeicherte Notizen über Telefongespräche und andere Gespräche mit dem Kläger, wollte die Beklagte nicht beauskunften, da diese Informationen nicht vom Anwendungsbereich eines Auskunftsanspruchs gemäß Artikel 15 DSGVO umfasst seien.

Das OLG Köln gab dem Kläger Recht. Das Gericht wies das Argument der Beklagten zurück, der Begriff „personenbezogene Daten“ sei eng auszulegen. Das OLG Köln begründet sein Urteil damit, dass dieser Begriff nach dem Wortlaut der DSGVO weit auszulegen sei (siehe u.a. Artikel 4 Abs. 1 DSGVO). Durch die Entwicklung der Informationstechnologien mit ihren umfassenden Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten gebe es keine belanglosen Daten mehr (das OLG Köln verweist dabei auf das Volkszählungsurteil, der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209/83). Alle Informationen/Daten, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, müssen als persönliche Daten betrachtet werden.

Das OLG Köln bestätigte, dass auch Gesprächs- oder Telefonnotizen über den Kläger, aufgezeichnete Aussagen des Klägers oder aufgezeichnete Aussagen über den Kläger personenbezogene Daten seien. Die Beklagte müsse dem Kläger auch eine Kopie dieser Daten im Rahmen des Auskunftsanspruchs zur Verfügung stellen.

Zudem dürfe sich die Beklagte nicht auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse berufen. Personenbezogene Daten – die vom Kläger zur Verfügung gestellt oder zumindest vom Kläger angegeben und von der Beklagten zur Kenntnis genommen wurden – können kein Geschäftsgeheimnis der Beklagten darstellen.

2. Warum könnte dies für Sie relevant sein?

Datenschutzrechtlich Verantwortliche sollten inzwischen Prozesse implementiert haben, um Auskunftsansprüche von betroffenen Personen ausreichend beantworten zu können. Etliche betroffene Personen stellen inzwischen solche Auskunftsansprüche, insbesondere im Rahmen einer Auseinandersetzung (in der Praxis ist dies z.B. im Hinblick auf Kündigungsschutzklagen keine Seltenheit).

Es wäre vorteilhaft, die eigenen Prozesse daraufhin zu untersuchen, wie umfangreich eine Beauskunftung erfolgen kann. Ein Verantwortlicher sollte sogar Telefonnotizen und/oder Gesprächsnotizen über die betroffenen Personen berücksichtigen.

Wenn mehrere Gerichte, insbesondere aus höheren Instanzen, der zugrunde liegenden Argumentation des OLG Köln folgen, könnte dieses Urteil in der Zukunft eine enorme Bedeutung erlangen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn eines Tages auch der EuGH diese Meinung teilt.

Autor/innen

Stefan Peintinger

Dr. Stefan Peintinger

Partner

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