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09.01.2015

Neues Verbraucherrecht für den Online-Handel – Was ist wirklich neu? Wie sehen die neuen Informationspflichten aus? Was hat sich beim Widerrufsrecht geändert?

Die Unübersichtlichkeit der Verbraucherschutzregelungen ist nicht wirklich neu, sie wird durch die Änderungen aber wesentlich verstärkt: Für bestimmte Branchen gelten bestimmte Regelungen nicht (z. B. Reiseleistung, Beförderung, Lieferung von Lebensmitteln, § 312 Abs. 2 BGB neu). Das Gesetz A. EINLEITUNG Das deutsche Umsetzungsgesetz zur EU-Richtlinie über die Rechte der Verbraucher vom 25. Oktober 2011 (im Folgenden „VRR“) trat am 13. Juni 2014 in Kraft. B. WAS IST WIRKLICH neu?1. Unübersichtliche gesetzliche Regelung Die Unübersichtlichkeit der Verbraucherschutzregelungen ist nicht wirklich neu, sie wird durch die Änderungen aber wesentlich verstärkt: Für bestimmte Branchen gelten bestimmte Regelungen nicht (z. B. Reiseleistung, Beförderung, Lieferung von Lebensmitteln, § 312 Abs. 2 BGB neu). Das Gesetz etabliert in noch größerem Umfang unterschiedliche Standards für Informationspflichten von E-Commerce im engeren Sinne, über Fernabsatz und Abschlüsse außerhalb von Geschäftsräumen bis hin zum stationären Handel (§ 312 a ff. BGB neu). 2. Einbeziehung des stationären Handels Wirklich neu ist allerdings, dass gewisse - zugleich auch geänderte oder neue - Regelungen jetzt auch ausdrücklich für den stationären Handel gelten (§ 312 a BGB neu). Die wichtigsten sind: - Entgeltliche Nebenleistungen müssen ausdrücklich vereinbart werden (z. B. Transportservice, Montageservice, etc.).
- Der Verbraucher muss eine gängige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit haben (bislang schon Rechtsprechung). Soweit daneben Kosten für eine andere Zahlungsart anfallen, dürfen diese nicht über die Kosten des Unternehmers für die Nutzung des Zahlungsmittels hinausgehen.
- Jeder Unternehmer muss bei telefonischer Kontaktaufnahme zum Abschluss eines Vertrages zu Beginn des Telefonats seine Identität sowie den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenlegen. Dies gilt unabhängig von den sehr engen Voraussetzungen für die Zulässigkeit solcher Telefonate.
- Für eine Servicehotline dürfen keine Entgelte berechnet werden, die über die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes hinausgehen. Unternehmer müssen also entweder entgeltfreie Rufnummern oder ortsgebundene Rufnummern anbieten. 3. Informationspflichten für den stationären Handel Neben Informationspflichten im Fernabsatz und für außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge gelten gewisse Informationspflichten nun neu zwingend auch im stationären Handel (§ 312 a Abs. 2 BGB neu i.V.m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB neu). 4. Bestimmte Informationen werden Vertragsbestandteil Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist neu, dass Angaben zur Erfüllung von gewissen Informationspflichten nun automatisch Vertragsbestandteil werden (§ 312 d Abs. 1 BGB neu). 5. Informationspflichten bei mobilen Webseiten und Apps für Smartphones Für einen Fernabsatzvertrag durch ein Kommunikationsmittel mit nur begrenzten Darstellungsmöglichkeiten (wie mobile Webseiten oder Apps für Smartphones) werden Informationspflichten erleichtert. Es reicht neuerdings aus, wenn der Verbraucher über die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, die Identität des Unternehmens, den Gesamtpreis, das Bestehen eines Widerrufsrechts und die Laufzeit des Vertrags sowie die Kündigungsbedingungen informiert wird. 6. Lieferbeschränkungen und Zahlungsmittel Für den elektronischen Geschäftsverkehr ist neu: Der Unternehmer hat spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich anzuzeigen, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel von ihm akzeptiert werden. C. ÄNDERUNGEN BEIM WIDERRUFSRECHT Noch erheblicher sind die Änderungen für das Widerrufsrecht ausgefallen. Hier gilt im Überblick: 1. Kein Rückgaberecht mehr Bisher konnte das gesetzliche Widerrufsrecht durch ein sog. Rückgaberecht ersetzt werden. Ab dem 13. Juni 2014 gibt es dieses gesetzliche Rückgaberecht nicht mehr. 2. Reform gesetzlicher Ausnahmen des Widerrufsrechts Bereits nach geltendem Recht gab es zahlreiche Konstellationen, in denen dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zustehen sollte. Die Änderungen nehmen zusätzliche Neuausnahmen vom Widerrufsrecht auf (§ 312 g Abs. 2 S. 1 BGB neu) und setzen damit den abschließenden Katalog der Verbraucherrechterichtlinie um. Neu ist hier die Ausnahme für Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat. 3. Einheitliche Widerrufsfrist Ab dem 13. Juni 2014 gilt europaweit nur noch eine einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen. Bislang galten in Deutschland zwei Widerrufsfristen. Zum einen die 14-tägige Regelfrist und zum anderen die verlängerte Frist von einem Monat, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht unmittelbar nach Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehrt hatte. 4. Kein unendliches Widerrufsrecht mehr Nach bisherigem Recht konnte die Widerrufsfrist unendlich laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Nach der Neuregelung erlischt das Widerrufsrecht des Verbrauchers jedenfalls spätestens 12 Monate und 14 Tage ab Erhalt der Ware (im Fernabsatz) oder nach dem Vertragsschluss. 5. Erklärung des Widerrufs Ein Widerruf des Verbrauchers muss anders als bisher (§ 355 BGB) nicht mehr in Textform erklärt werden. Es genügt eine eindeutige Erklärung, der Widerruf bedarf keiner Begründung. Nicht mehr möglich ist ein Widerruf durch bloße Rücksendung der Ware, außer die Vertragsparteien haben dies ausdrücklich vereinbart. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. 6. Pflicht zum Bereitstellen eines Musterwiderrufformulars Nach der Neuregelung besteht für den Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge die Pflicht des Unternehmers, dem Verbraucher ein sogenanntes Musterwiderrufsformular zur Verfügung zu stellen (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB neu i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB neu). Dies muss in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise erfolgen. Der Unternehmer kann dem Verbraucher das Widerrufsformular bereits online auf seiner Website zur Verfügung stellen, damit es vom Verbraucher ausgefüllt und elektronisch an den Onlinehändler übermittelt werden kann. Nutzt der Verbraucher das online zur Verfügung gestellte Musterwiderrufsformular, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen (etwa in einer E-Mail, § 356 Abs. 1 S. 2 BGB neu). 7. Deckelung der Hinsendekosten / Kosten der Rücksendung Nach bisheriger Rechtslage war der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher bei einem wirksamen Widerruf die Kosten der Hinsendung in voller Höhe zu erstatten. Zwar stellt die Neuregelung zunächst nur klar, dass der Unternehmer grundsätzlich die Hinsendekosten erstatten muss (§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB neu). Jedoch wird die Höhe dieser Kostenerstattung gedeckelt. Wählt der Verbraucher eine teurere Versandform als den vom Unternehmer angebotenen Standardversand, bleibt der Verbraucher im Widerrufsfall auf den Mehrkosten sitzen (§ 357 Abs. 2 S. 2 BGB neu). Neu ist auch, dass der Verbraucher die Rücksendekosten unabhängig vom Warenwert zu tragen hat. Die zuvor bestehende 40,00 €-Klausel wurde vom Gesetzgeber aufgehoben. 8. Schnellere Abwicklung des Widerrufs Nach der Neuregelung müssen die empfangenen Leistungen spätestens nach 14 Tagen zurück gewährt werden (§ 357 Abs. 1 BGB neu). Ferner muss die Erstattung des Kaufpreises unter Verwendung desselben Zahlungsmittels wie für dessen Zahlung erfolgen, wenn mit dem Verbraucher nichts Abweichendes vereinbart wurde (§ 357 Abs. 3 BGB neu). 9. Zurückbehaltungsrecht Nach der Neuregelung hat der Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht für die Rückzahlung, bis er die Ware zurück erhalten oder der Verbraucher zumindest deren Absendung nachgewiesen hat (§ 357 Abs. 4 BGB neu). 10. Wertersatz Nach der Neuregelung schuldet der Verbraucher nur noch Ersatz für einen Wertverlust für einen Umgang mit der Ware, der zur Prüfung der Beschaffenheit der Ware nicht notwendig war (§ 357 Abs. 7 BGB neu). Der Wertersatz für gezogene Nutzungen entfällt nach der Neuregelung vollständig. Ferner wird ausdrücklich klargestellt, dass der Verbraucher beim Widerruf von Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten keinen Wertersatz leisten muss. D. FAZIT Auch in der Süßwarenbranche gilt: Jeder Marktteilnehmer, der für Vertragsmuster oder interaktive Websites mit Bestellfunktion verantwortlich ist, muss weiter die größtmögliche Sorgfalt darauf verwenden, sein Angebot an die neue Rechtslage anzupassen. Bereits durchgeführte Analysen von E-Commerce-Plattformen zeigen, dass der „Teufel“ hier wie so oft im Detail steckt.

Autor/innen

Elisabeth Noltenius

Elisabeth Noltenius

Partnerin

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