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20.06.2023

Neues (und Endgültiges?) zum Freiwilligkeitsvorbehalt

Bereits 2013 entschied das BAG, dass ein in einem Formulararbeitsvertrag enthaltener Freiwilligkeitsvorbehalt nicht genügt, um einen Rechtsanspruch auf ein Weihnachtsgeld auszuschließen, sofern die Höhe des Weihnachtsgeldes detailliert geregelt ist (BAG, Urteil vom 20.02.2013 – 10 AZR 177/12).

Nun erklärte das BAG: Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der sich generell auf Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezieht und so ausgelegt werden kann, dass er auch spätere Individualabreden über die Zahlung von Sonderzahlungen erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist damit unwirksam (BAG, Urteil vom 25.01.2023 – 10 AZR 109/22).

Folgender Sachverhalt lag der erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung zugrunde:

Der Kläger (Arbeitnehmer) und die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin (Arbeitgeberin) streiten über Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In ihrem Arbeitsvertrag vom 12. Januar 2015 vereinbarten die Parteien u.a.:

„3. Vergütung
[…]

e) Die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.“

„10. Nebenabreden und Vertragsänderung:
Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderung und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“

In den Kalenderjahren 2015 - 2019 zahlte die Arbeitgeberin an den Arbeitnehmer und an andere Arbeitnehmenden jeweils sowohl ein Urlaubs- als auch ein Weihnachtsgeld. In dem Kalenderjahr 2020 stellte die Arbeitgeberin die Zahlung ein. Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für das Jahr 2020. Das BAG sprach dem Arbeitnehmer diesen Anspruch mit folgender Begründung zu:

  • Durch die mehrmalige (mehr als dreimalige) vorbehaltlose Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei eine betriebliche Übung entstanden, die weder durch den im Arbeitsvertrag geregelten Freiwilligkeitsvorbehalt noch durch die im Arbeitsvertrag vereinbarte (einfache) Schriftformklausel verhindert worden sei.
  • Der Freiwilligkeitsvorbehalt benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und sei deswegen gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Er verstieße gegen die Regelung aus § 305b BGB, wonach der Vorrang der Individualabrede gelte. Er beschränke sich gerade nicht eindeutig darauf, dass er lediglich das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern wollte, sondern er ließe vielmehr die Auslegung zu, dass er auch für spätere Individualabreden über die Zahlung von Sonderzuwendungen gelten sollte. Dies erkenne man umso mehr daran, weil er in Kombination mit einer einfachen Schriftformklausel verwendet worden sei. Dadurch sei der Eindruck, dass alle späteren Abreden, die nicht in schriftlicher Form getroffen wurden (also auch Individualabreden), rechtlich ohne Bedeutung seien, verstärkt worden.
  • Die einfache Schriftformklausel verhindere zudem eine konkludente Vertragsänderung und/oder das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht. Durch die vorbehaltlose Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und die widerspruchslose Entgegennahme dieser Zahlungen, hätten die Parteien das Schriftformerfordernis schlüssig und formlos wieder aufgehoben.

Fazit:

In Formulararbeitsverträgen enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalte sind – in Bezug auf ihre rechtlichen Vorteile – praktisch Geschichte. Möchten Arbeitgeber das Entstehen von Ansprüchen, etwa aufgrund von betrieblicher Übung, verhindern, muss im Zusammenhang mit der Gewährung einer Sonderzuwendung ein anlassbezogener Freiwilligkeitsvorbehalt verwendet werden.

Sofern dies nicht erfolgt – oder aus HR-politischen Gründen nicht gewünscht ist –, sind Unternehmen gut beraten, zumindest ihre in Formulararbeitsverträgen enthaltene Schriftformklausel dahingehend zu gestalten, dass diese das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern. Solche Schriftformklauseln sind speziell in diesem Zusammenhang oftmals der letzte Rettungsanker.