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30.03.2020

Neue ICC-Musterklauseln über höhere Gewalt und unvorhergesehene Leistungserschwernisse

Die Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) hat die von ihr empfohlenen Vertragsklauseln zu höherer Gewalt (force majeure) und unvorhergesehenen Leistungserschwernissen (hardship) im März aktualisiert. In Zeiten der Corona-Krise rücken solche, in der Vergangenheit nur selten relevante Klauseln in den Blickpunkt und es ist sinnvoll, eigene Verträge darauf durchzusehen, ob diese insofern für die Zukunft optimiert werden können.

Die ICC bietet zwei verschiedene Versionen der Klausel über höhere Gewalt (force majeure) an, eine Langfassung und eine Kurzfassung. Der Vorschlag der ICC geht dabei dahin, bei Verwendung der Langfassung schlicht auf diese zu verweisen, während die Kurzfassung in den Vertragstext aufgenommen werden könnte.

Inhaltlich deckt die Klausel das ab, was die meisten Klauseln über höhere Gewalt regeln: So wird die höhere Gewalt definiert und festgelegt, dass die Partei, die durch höhere Gewalt an der Erfüllung ihrer Leistung gehindert ist, für die Dauer des Hindernisses von ihrer Leistungspflicht und auch einer Schadensersatzpflicht befreit ist. Weiter sieht die Klausel unter anderem eine Pflicht zur Information des Vertragspartners vor. Weiter ist geregelt, dass sich eine Partei, die sich eines Dritten zur Vertragserfüllung bedient, nur dann auf höhere Gewalt berufen kann, wenn das Leistungshindernis auch bei dieser dritten Partei vorliegt. Vorgesehen ist weiter ein Recht zur Kündigung (termination), das unter anderem dann geltend gemacht werden kann, wenn das Hindernis 120 Tage andauert.

Bei Verwendung der Klausel empfiehlt sich jedenfalls eine Prüfung, ob diese Frist in der einschlägigen Branche bzw. hinsichtlich der im konkreten Fall zu liefernden Ware sachgerecht ist oder ob eine abweichende Vertragsgestaltung angezeigt ist. Auch im Übrigen mögen Änderungen sachgerecht sein. So sieht die Langfassung der Klausel etwa vor, dass nach erfolgter Kündigung für etwaige Vorleistungen ein Äquivalent in Geld zu leisten ist (die Kurzfassung thematisiert das nicht). Je nach Sachlage mag es aber sinnvoller sein, wenn der Gegenstand der Vorleistung selbst zurück zu gewähren ist. Auch mag man darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, bei einem vorübergehenden Leistungshindernis eine Pflicht der nach der Klausel befreiten Partei vorzusehen, dann sofort für den Zeitraum des Hindernisses die ggf. bereit empfangene Leistung (in der Regel: Geld) zurück zu gewähren. Diese ergänzenden Hinweise sprechen nicht gegen die Qualität der Regelung, sollen aber deutlich machen, dass es auch dann nicht gut ist, unreflektiert vorformulierte Vertragspassagen zu übernehmen, wenn diese von einer so anerkannten Institution wie der ICC stammen. Stets sollte geprüft werden, ob eine Anpassung auf die eigenen Bedürfnisse erforderlich ist. Macht man dies, sind die Klauseln der ICC ein guter Ausgangspunkt, die in Anbetracht der Herkunft auch den Vorteil der leichten Akzeptanz bei der Gegenseite haben werden.

Die Musterklausel über unvorhergesehene Leistungserschwernisse (hardship) lädt von vornherein dazu ein, sie auf die spezifischen Bedürfnisse der Parteien zuzuschneiden, denn es gibt sie in drei Varianten, zwischen denen man wählen muss. Erfasst werden hier Fälle, bei denen eine Erfüllung möglich, aber übermäßig belastend (excessively onerous) ist, ohne dass dies bei Vertragsschluss vorhersehbar oder vermeidbar gewesen wäre. Dies sind Fälle, die nach deutschem Recht über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu lösen sind. Die Klausel sieht bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Pflicht der Parteien vor, Verhandlungen über eine Lösung zu führen. In ihren verschiedenen Alternativen sieht die Klausel dann entweder ein Recht auf Lösung vom Vertrag oder auf Anpassung vor (mit unterschiedlichen Rollen der Parteien bzw. der Richter oder Schiedsrichter). Ist auf den Vertrag ohnehin die Regelung des § 313 BGB anzuwenden (das ist bei internationalen Verträgen jedenfalls dann der Fall, wenn man sich auf „deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“ vereinbart hat; bei sonstigen Fällen ist das zumindest zweifelhaft, weil dem UN-Kaufrecht teilweise eine Sperrwirkung gegenüber § 313 BGB zugesprochen wird), braucht man die ICC-Klausel nicht. Man ist dann in der Regel mit § 313 BGB gut bedient. In anderen Fällen ist die Klausel durchaus sinnvoll und als ausgewogen sicherlich oft auch durchsetzbar.

Stand: 30.03.2020