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04.01.2016

Keine Fingierung eines Arbeitsverhältnisses bei Scheinwerkvertrag

Die Klägerin war seit dem Jahre 2007 bei der Z GmbH als Ingenieurin angestellt und von dieser, die eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hatte, im Rahmen eines als Werkvertrag bezeichneten Vertragsverhältnisses bei der späteren Beklagten tätig. Der Einsatz erfolgte aufgrund Bestellanforderungen, in denen die Leistungen stichwortartig genannt waren

LAG Rheinland Pfalz, Urteil v. 28.05.2015 – 2 Sa 689/14, NZA-RR 2015, 625

Die Klägerin war seit dem Jahre 2007 bei der Z GmbH als Ingenieurin angestellt und von dieser, die eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hatte, im Rahmen eines als Werkvertrag bezeichneten Vertragsverhältnisses bei der späteren Beklagten tätig. Der Einsatz erfolgte aufgrund Bestellanforderungen, in denen die Leistungen stichwortartig genannt waren und die zugrunde zu legenden Stunden und Stundensätze festgelegt wurden. Die Klägerin hat behauptet, sie sei in den Arbeitsablauf einer Abteilung der Beklagten eingebunden gewesen und habe mit den dortigen Mitarbeitern der Beklagten Hand in Hand gearbeitet, die Zuweisung von Tätigkeiten sei von einzelnen Arbeitnehmern der Beklagten erfolgt und sie sei der dortigen Weisungsstruktur unterworfen worden. Sie habe Mitarbeiter während deren Urlaubs zu vertreten gehabt und ein abgrenzbares Werk sei nicht festzustellen. In Wirklichkeit habe es sich um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt.

Die Klägerin hat sich im Rahmen eines Rechtsstreits mit ihrer Arbeitgeberin Z GmbH auf einen Auflösungsvergleich verständigt und gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 AÜG geklagt.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat wie schon zuvor das Arbeitsgericht Ludwigshafen die Klage abgewiesen. Dabei hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass es dahinstehen könne, ob tatsächlich ein Scheinwerkvertrag vorgelegen habe. Aufgrund der Tatsache, dass die Z GmbH für den gesamten Zeitraum von 2007 bis zur Entscheidung über eine Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung verfügt habe, könne eine Fingierung des Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 Ziffer 1 AÜG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 AÜG nicht erfolgen. § 10 AÜG stütze die Fingierung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf die fehlende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, nicht hingegen auf andere Verstöße, beispielsweise wie hier den Abschluss von Scheinwerkverträgen. Wie auch das BAG in dem Fall einer nicht nur vorübergehend erfolgten Arbeitnehmerüberlassung, lehnt auch das LAG eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 AÜG auf andere Fälle als den der fehlenden Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ab. Während § 9 Abs. 1 AÜG für den Fall der fehlenden Erlaubnis die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher anordnet, fehlt eine entsprechende Regelung für den Fall des Vorliegens eines Scheinwerkvertrages. Zwar mag der vordergründig geschlossene Werkvertrag als Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein, dann fände aber das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Anwendung. Auch eine Verletzung des Schriftformerfordernis nach § 12 Abs. 1 Ziffer 1 AÜG für den Verleihvertrag zwischen Verleiher und Entleiher führe nicht zu einer Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Verleiher. Auch die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer auf der Grundlage eines vorgeblichen Rechtsmissbrauches finde im Gesetz keine Grundlage.

Hinweis:

Die Entscheidung des LAG zeigt einmal mehr, wie wichtig es auf der Grundlage der jetzigen Rechtslage ist, dass sich der Verleiher vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besorgt. Es ist im Vorhinein häufig schwierig feststellbar, ob nach den Kriterien der Rechtsprechung ein Scheinwerkvertrag oder ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag vorliegt. Um das Risiko zu begrenzen, empfiehlt es sich in jedem Falle, vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen, die jedenfalls dann dazu führt, dass die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 AÜG mit der Fingierung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer nicht eintritt. Wie schon erwähnt, folgt das LAG im Übrigen dabei konsequent der vom BAG vorgegebenen Linie, die es im letzten Jahr für den Fall einer nicht nur vorübergehenden Überlassung abgelehnt hat, den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 AÜG durch analoge Anwendung auszuweiten. Dies dürfte auch richtig sein.

Für die Zukunft allerdings ist diese Lösung wohl nicht mehr tragfähig. Davon muss man jedenfalls ausgehen, wenn der Referenzenentwurf, der aus dem Bundesarbeitsministerium für eine Neuregelung des AÜG vorgelegt wurde, tatsächlich Gesetzeskraft erlangt. Hier soll nämlich zukünftig die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nur noch für konkrete Überlassungsverträge zur Anwendung kommen können, ebenso wie die Arbeitnehmer, die überlassen werden, ausdrücklich genannt werden müssen. Für den Fall, dass diese Erfordernisse nicht erfüllt sind, wird der § 10 AÜG entsprechend erweitert, um in Zukunft auch Fälle wie den vorliegenden unter die Fiktionswirkung des § 10 Abs. 1 AÜG fallen zu lassen. Nur noch der Arbeitgeber, der konsequent auf Leiharbeit setzt, soll sich auf die Vorteile der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis dann auch berufen können. Die vorsorgliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für den Fall, dass sich ein zunächst als Werkvertrag abgeschlossener Vertrag im Nachhinein als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag herausstellt, wäre damit tot. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, mit welchem genauen Inhalt der Vorschlag aus dem Hause Nahles tatsächlich Gesetzeskraft erlangt.

Autor/innen

Michael Wahl

Michael Wahl

Partner

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