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12.10.2020

Keine Entgeltfortzahlung bei „vorläufiger“ Weiterbeschäftigung

Es besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitgeber einen gekündigten Arbeitnehmer trotz des Ablaufs der Kündigungsfrist zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem titulierten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorläufig weiterbeschäftigt und in diesem Zeitraum ein eigentlich zur Entgeltfortzahlung verpflichtender Umstand eintritt – zumindest, wenn die Kündigung sich nachträglich als wirksam erweist.

BAG, Urteil vom 27.05.2020, Az. 5 AZR 247/19

Der Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2010 als Schlosser beschäftigt. Mit Schreiben vom 31.08.2015 hatte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.09.2015 gekündigt. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Das zuständige Arbeitsgericht verurteilte die Klägerin mit Urteil vom 15.08.2017 zugleich, den Kläger bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Schlosser weiter zu beschäftigen. Dem kam die Beklagte zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung seit dem 31.08.2017 nach. Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien am 22.03.2018 vor dem Landesarbeitsgericht einen Vergleich, der gegen Zahlung einer Abfindung eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.09.2015 zum Gegenstand hatte.

Zweite Klage bezüglich entfallener Entgelte

Am 13.11.2017 erhob der Kläger abermals Klage. Gegenstand waren nach Ansicht des Klägers unberechtigt nicht gezahlte Entgelte für den Zeitraum vom 31.08.2017 bis zum 31.12.2017. Die Beklagte hatte im streitgegenständlichen Zeitraum zwar geleistete Arbeitsstunden des Klägers ordnungsgemäß vergütet, aber für Krankheits- und Urlaubszeiten sowie für die gesetzlichen Feiertage kein Entgelt gezahlt. Sie vertrat die Ansicht, dass aufgrund des am 22.03.2018 vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Vergleichs fest stand, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.09.2015 sein Ende gefunden hatte. Danach hatte zwischen den Parteien nur ein faktisches Prozessbeschäftigungsverhältnis bestanden, das nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen abzuwickeln gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe in solchen Fällen weder Anspruch auf bezahlten Urlaub noch auf Entgeltfortzahlung. Der Kläger hingegen vertrat die Ansicht, dass das Arbeitsgericht mit Urteil vom 15.07.2017 die Beklagte ausdrücklich verpflichtet hatte, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Demzufolge sei das Arbeitsverhältnis der Parteien mit allen Rechten und Pflichten fortzuführen gewesen und damit Rechtsgrundlage der geltend gemachten Ansprüche einschließlich solcher auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Urlaubsentgelt sowie auf Feiertagsvergütung. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, die hiergegen durch die Beklagte eingelegte Berufung hatte Erfolg und wies die Klage ab. Die Revision hiergegen hatte keinen Erfolg.

Wie urteilte das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass bei einer nur vorläufigen Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung einer titulierten Forderung keine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bestehen, soweit sich die Kündigung nachträglich als wirksam erweist. Es fehle diesbezüglich bereits an der notwendigen Eigenschaft des Weiterbeschäftigten als Arbeitnehmer im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Maßgeblich sei der Arbeitnehmerbegriff des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch: Arbeitnehmer kann nur sein, wessen Verpflichtung zur Arbeitsleistung aus einem Arbeitsvertrag folgt. Ein solcher lag aber auf Grund des geschlossenen Vergleichs, wonach die Kündigung zum 30.09.2015 wirksam gewesen ist, nicht vor. Zwar könnten die Parteien auch während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses vereinbaren, dass ein Arbeitsverhältnis auflösend bedingt oder befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortgesetzt wird. Hier aber gewährte der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung, also zur Erfüllung seiner Pflicht aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass er einen neuen Arbeitsvertrag abschließen wollte.

Fazit

Arbeitgeber sollten bei Weiterbeschäftigungen im Rahmen eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens klarstellen, dass an der ausgesprochenen Kündigung festgehalten wird und die Weiterbeschäftigung ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt, um weitergehende Ansprüche des Arbeitnehmers, beispielsweise aus dem EFZG, im Fall der Wirksamkeit der Kündigung zu vermeiden.