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04.01.2016

Hypothetische Ermittlung des Jahresbonus eines Betriebsratsmitglieds

Der Kläger ist bei dem beklagten Unternehmen als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt und zudem Vorsitzender des Betriebsrats. Er wandte durchschnittlich 25,5% seiner Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit auf. Zu den Vergütungsbestandteilen des Klägers zählte auch eine Jahresprämie (RBI-Bonus/Revenue Based Incentive)

Zu den einem Betriebsratsmitglied für seine Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG zu zahlenden Vergütungen gehören auch Entgeltbestandteile wie Jahresprämien.

BAG, Urteil v. 29.04.2015 – 7 AZR 123/13

Der Kläger ist bei dem beklagten Unternehmen als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt und zudem Vorsitzender des Betriebsrats. Er wandte durchschnittlich 25,5% seiner Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit auf. Zu den Vergütungsbestandteilen des Klägers zählte auch eine Jahresprämie (RBI-Bonus/Revenue Based Incentive), die sich anhand einer Zielvergütung und dem Grad der Zielerreichung errechnete. Im Jahr 2014 erzielte der Kläger eine Gesamtvergütung in Höhe von Euro 97.229,28, bei deren Berechnung die Beklagte hinsichtlich des Anteils der für die Arbeitsleistung geschuldet war, von einem Zielerreichungsgrad von 179% ausging. Bei dem Anteil für die Betriebsratstätigkeit ging die Beklagte lediglich von einem Zielerreichungsgrad von 120,4% aus. Hierbei handelte es sich um den durchschnittlichen Zielerreichungsgrad der mit dem Jahresbonus zu vergütenden Arbeitnehmer. Hätte die Beklagte den Zielerreichungsgrad von 179% auch für den die Betriebsratstätigkeit geschuldeten Teilbetrag angesetzt, hätte sich zugunsten des Klägers ein um Euro 9.405,72 höherer Bonus errechnet.

Die Klage, mit der der Kläger die Zahlung dieses Differenzbetrages geltend gemacht hatte, wurde in I. und II. Instanz abgewiesen. Aufgrund der Revision des Klägers hob das BAG die beiden vorinstanzlichen Urteile auf und verwies die Angelegenheit an das Landesarbeitsgericht zur erneuten Prüfung des Zahlungsanspruchs des Klägers zurück.

Nach Auffassung des BAG sichert § 37 Abs. 2 BetrVG den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitglieds aus seinem Arbeitsvertrag und enthält das Verbot der Entgeltminderung. Dem Betriebsratsmitglied ist damit das Arbeitsentgelt weiter zu zahlen, das es verdient hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet hätte. Die Bemessung dieses Arbeitsentgelts ist nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen, das eine hypothetische Betrachtung dahingehend erfordert, welches Arbeitsentgelt das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung verdient hätte.

Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des BAG auch für die hypothetische Ermittlung einer Jahresprämie wie des streitgegenständlichen Bonus. In diesem Zusammenhang hat das BAG darauf hingewiesen, dass auf die Berechnung derartiger Leistungen § 37 Abs. 4    BetrVG keine Anwendung findet, wonach das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer. Während § 37 Abs. 2 BetrVG die Fortzahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts regelt, gewährt § 37 Abs. 4 BetrVG einem Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt. Im vorliegenden Fall ging es jedoch um die Berechnung des mit dem Kläger vereinbarten Bonus, nicht um die Anpassung seiner Vergütung an die Vergütungsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie der   Vorinstanzen kann nach Auffassung des BAG der streitgegenständliche RBI-Bonus nur einheitlich auf das gesamte Jahr bezogen und nicht nach Anteilen der Arbeitsleistung bzw. Zeiten der Betriebsratstätigkeit differenziert werden. Es ist somit hypothetisch für das betreffende Kalenderjahr zu ermitteln, welchen Zielerreichungsgrad das Betriebsratsmitglied ohne die Arbeitsbefreiung zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben erreicht hätte.

Das Abstellen der Vorinstanzen auf die durchschnittliche Zielerreichung einer Vergleichsgruppe wurde von dem BAG daher als unrichtig zurückgewiesen, da eine solche Betrachtung die jeweilige persönliche Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds nicht berücksichtige. Da das BAG insoweit keine eigenen Feststellungen treffen konnte, gab es unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen dem Landesarbeitsgericht auf, zu ermitteln, welchen Zielerreichungsgrad der Kläger ohne Arbeitsbefreiung zur Betriebsratstätigkeit erreicht hätte.

Dabei wies das BAG das LAG an, ggf. unter Vornahme einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO den hypothetischen Zielerreichungsgrad zu ermitteln, wobei sich dieser Zielerreichungsgrad zumindest an der Ermittlung des Zielerreichungsgrads für die Arbeitstätigkeit des Klägers orientieren soll.

Praxistipp:

Bei der Ermittlung der einem Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG zu leistenden Vergütung ist bei variablen Vergütungsbestandteilen höchste Vorsicht und Sorgfalt anzuwenden!

Autor/innen

Bernd Joch

Dr. Bernd Joch

Partner

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