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17.06.2019

EuGH: Keine TKG-Überwachungspflichten für Gmail – für SkypeOut hingegen schon

Der EuGH entschied am 13. Juni 2019, dass der internetbasierte Emaildienst Gmail nicht als „elektronischer Kommunikationsdienst“ im Sinne von Art. 2 Buchst. C der Rahmenrichtlinie (RL 2002/21 EG in der durch RL 2009/140/EG geänderten Fassung) einzuordnen ist.

Bildrechte: adiruch na chiangmai – fotolia.com

Diese Einordnung gilt für einen internetbasierten Emaildienst, der keinen Internetzugang vermittelt und nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht. Bei Gmail handelt es sich um einen sogenannten „Over-the-top-Dienst“ (OTT), d. h. einen über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, ohne dass ein traditioneller Internet-Service-Provider involviert ist. Zwar nehme Gmail eine Übertragung von Signalen vor, indem von Inhabern eines Gmail-Kontos in Datenpakete zerlegte Emails über ihre Email-Server in das offene Internet eingespeist und aus diesem empfangen werden. Dies stelle allerdings keine „überwiegende“ Übertragung von Signalen dar. Nicht Gmail, sondern die Internetzugangsanbieter der Absender/Empfänger und die Betreiber der verschiedenen Netze, aus denen das offene Internet besteht, seien für die Übertragung verantwortlich. Der Umstand, dass Google auch eigene elektronische Kommunikationsnetze in Deutschland betreibt, verändere dieses Ergebnis nicht. Dem Urteil liegt ein langjähriger Rechtsstreit zwischen der Google LLC und der Bundesrepublik Deutschland über einen Bescheid der Bundesnetzagentur zugrunde, in welchem Gmail als Telekommunikationsdienst eingeordnet und zur Einhaltung der Meldepflicht nach § 6 Telekommunikationsgesetz (TKG ) aufgefordert wurde.

Im Gegensatz dazu ordnete der EuGH in seiner Entscheidung vom 5. Juni 2019  den Dienst SkypeOut  – der kein OTT Dienst ist – als elektronischen Kommunikationsdienst ein. Es handelt hierbei sich um eine Zusatzfunktion zur Kommunikationssoftware „Skype“, welche unter Verwendung von „Voice over IP (VoIP)“-Technik (Stimmübertragung über Internetprotokoll) Telefonanrufe von einem Endgerät an einen Festnetz- oder Mobilfunkanschluss ermöglicht. Die Bereitstellung einer Software mit einer „VoIP“ -Funktion, mit der der Nutzer von einem Endgerät über das öffentliche Telefonnetz (PSTN) eines Mitgliedstaats eine Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans anrufen kann, sei als „elektronischer Kommunikationsdienst“ einzustufen. Dies gelte, wenn zum einen dem Herausgeber der Software für die Bereitstellung des Dienstes Entgelt gezahlt werde und zum anderen den Abschluss von Vereinbarungen des Herausgebers des Dienstes mit für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das PSTN ordnungsgemäß zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern beinhalte. SkypeOut ist kostenpflichtig, da die Nutzung entweder von einer Vorauszahlung oder einem Abonnement abhängig ist. Im Gegensatz zu Gmail trete SkypeOut als Verantwortlicher für die Übertragung auf, da ohne die Vereinbarungen zwischen Skype und den PSTN Telekommunikationsdienstleistern die Übermittlung der Sprachsignale nicht erfolgen könne. Dem steht nicht entgegen, dass die Standard Skype-Software auch ohne die Zusatzfunktion SkypeOut genutzt werden kann oder dass in den allgemeinen Vertragsbedingungen von SkypeOut die Verantwortung für die Übertragung von Signalen an die Nutzer ausgeschlossen wird. Vergleichbar mit dem deutschen Ausgangsverfahren bei Gmail liegt diesem Urteil ein Rechtsstreit zwischen Skype Communications und dem Belgischen Institut für Post und Fernmeldewesen (IBPT) zugrunde. IBPT hatte eine Geldbuße wegen Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsdienstes durch Skype Communications ohne Einhaltung der erforderlichen Meldepflicht verhängt.

Sowohl Gmail als auch SkypeOut wollten eine Einordnung als elektronischer Kommunikationsdienst stets vermeiden, da die rechtlichen Verpflichtungen nach dem TKG sehr weitreichend sind. Nach §§ 110, 113 TKG müssen elektronische Kommunikationsdienstleister nach staatlicher Anordnung die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation eines Beschuldigten ermöglichen. Zudem müssen sie (bei einem Kundenstamm von mehr als 100.000) für die Auskunft von Bestandsdaten eine gesicherte elektronische Schnittstelle bereitstellen. Nach der Gmail Entscheidung müssen OTT Dienste diesen Pflichten nicht nachkommen, SkypeOut dagegen schon.

Praxistipp:
Für Betreiber von OTT Diensten (Messengerdienste wie WhatsApp, Telegramm und Threema) gilt somit, dass diese keine „elektronischen Kommunikationsdienste“ sind. Für Betreiber kostenpflichtiger (Nicht-OTT-) Dienste, die mit SkypeOut vergleichbar sind, muss die Einordnung sorgfältig geprüft werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die aktuelle Einordnung des EuGH nicht bis „ans Ende aller Tage“ gilt. Die Urteile beziehen sich auf Regelungen, die nur noch bis Ende 2020 Anwendung finden, da bereits seit Dezember 2018 die neue Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation  in Kraft ist. In Deutschland wird aktuell der entsprechende Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie erarbeitet.

Autor/innen

Nikolaus Bertermann

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Hannah Mugler

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