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24.09.2020

EU-Whistleblower-Richtlinie in Kraft getreten – Was ist zu tun?

Am 16. Dezember 2019 trat die sogenannte Whistleblower-Richtlinie (RL (EU) 2019/1937) in Kraft, welche durch die EU-Mitgliedsstaaten binnen 2 Jahren in nationales Recht umzusetzen ist.

Schutzbereich der Whistleblower-Richtlinie

Die Whistleblower-Richtlinie schützt jene Hinweisgeber (Whistleblower), die im privaten oder öffentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße gegen EU-Recht erlangen.

Der Begriff des Hinweisgebers ist weit gefasst. Er umfasst Arbeitnehmer, Selbstständige, Gesellschafter, Beamte sowie Personen, die einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angehören, aber auch Praktikanten des Unternehmens. Der Begriff des Hinweisgebers umfasst ferner Dienstleister und Lieferanten.

Eine wesentliche Voraussetzung für den Schutz des Hinweisgebers ist es, dass er bei seiner Meldung einen hinreichenden Grund zur Annahme hat, dass die gemeldete Information über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und Rechtsgebiete betreffen, welche von der Whistleblower-Richtlinie geschützt werden. Somit muss der Hinweisgeber gutgläubig sein, um in den Genuss des Schutzes der Whistleblower-Richtlinie zu kommen. Weiterhin sieht die Richtlinie vor, dass nur Meldungen von Verstößen gegen EU-Recht geschützt werden. Es bleibt aber abzuwarten, ob der nationale Gesetzgeber nicht auch Verstöße gegen nationales Recht in den Schutzbereich aufnimmt. Damit könnte das Risiko einer Falsch-Beurteilung durch potenzielle Whistleblower verringert werden.

Verpflichtende Meldekanäle für Unternehmen

Das Ziel der Whistleblower-Richtlinie ist die Schaffung eines EU-weiten einheitlichen Mindeststandards zum Schutz von Whistleblowern, die ermutigt werden sollen, erkannte Verstöße gegen Unionsrecht aufzudecken.

Zur Errichtung eines internen Meldesystems sind alle jene Unternehmen verpflichtet,

  • die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder
  • deren Jahresumsatz Euro 10 Mio. übersteigt.

Ferner sind Gemeinden ab 10.000 Einwohnern zur Einrichtung eines internen Meldesystems verpflichtet.

Juristische Personen im öffentlichen Sektor, einschließlich Stellen, die im Eigentum oder der Kontrolle einer solchen juristischen Person stehen, haben ebenfalls ein internes Meldesystem einzurichten.

Wichtiger Hinweis: Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern haben das Meldesystem bis spätestens 17. Dezember 2021 umzusetzen, während Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl zwischen 50 und 250 hierzu bis zum 17. Dezember 2023 Zeit haben.

Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung der Meldekanäle

Die Whistleblower-Richtlinie führt klare Forderungen an die Funktionsfähigkeit von Meldekanälen ein. So müssen Hinweise entweder schriftlich oder telefonisch und auf Wunsch des Whistleblowers auch persönlich abgegeben werden können. Demzufolge ist sicherzustellen, dass Meldekanäle von qualifizierten Personen abgerufen und Meldungen entsprechend qualifiziert bearbeitet werden. Auch das Fristenmanagement für Rückmeldungen an einen Hinweisgeber spielt eine wichtige Rolle. Eine Eingangsbestätigung hat innerhalb von 7 Tagen zu erfolgen und ein Hinweisgeber ist innerhalb von 3 weiteren Monaten über den Stand der betreffenden Folgemaßnahmen bezüglich des Untersuchungsprozesses zu informieren.

Hierarchie der Meldekanäle

Whistleblower sind grundsätzlich gehalten, zunächst die internen Meldekanäle des Unternehmens zu nutzen, bevor sie auf externe, von den Behörden eingerichtete Kanäle zurückgreifen. Nach den Vorgaben der Whistleblower-Richtlinie sollen sich Whistleblower aber auch direkt an von Mitgliedsstaaten extern eingerichtete Kanäle wenden dürfen. Auch in diesem Meldefall stellt die Whistleblower-Richtlinie den Whistleblower unter Schutz. Unternehmen müssen somit ihren Beschäftigten leicht zugängliche Informationen zu externen Meldewegen und hierfür externe Stellen zur Verfügung stellen. Reagieren diese externen Stellen nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitraums, kann sich der Whistleblower direkt an die Öffentlichkeit wenden.

Meldung an die Öffentlichkeit

Der Schutz des Whistleblowers bei Offenlegung von Informationen gegenüber den Medien ist an Bedingungen geknüpft. Der Whistleblower muss zunächst entweder intern oder gegenüber der zuständigen Stelle die Meldung vorgenommen haben. Erst wenn diese erfolglos geblieben ist oder er mit geringer Aufklärungswahrscheinlichkeit oder sogar Repressalien fürchten muss, kann er sich an die Öffentlichkeit wenden. Dies gilt auch für alle Fälle, in welchen der bekannte Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann.

Umfassender Schutz der Whistleblower

Eingerichtete interne oder externe Meldekanäle müssen die Vertraulichkeit der Identität der Whistleblower wahren. Die Whistleblower-Richtlinie verlangt, dass Meldekanäle so konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit von Identität der Whistleblower und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleiben. Ebenfalls muss sichergestellt werden, dass keine unbefugten Mitarbeiter Zugriff auf die Meldekanäle haben.

Die Whistleblower-Richtlinie überlässt den EU-Mitgliedsstaaten, ob anonyme Meldungen entgegengenommen und weiterverfolgt werden sollen. Sofern dies der Fall ist, genießen anonyme Whistleblower, die identifiziert wurden und gegebenenfalls auch Repressalien erleiden, den Schutz der Richtlinie.

Sanktionen

Die Whistleblower-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten angemessene und abschreckende Sanktionen für Unternehmen und natürliche Personen festzulegen, welche

  • Meldungen verhindern,
  • Repressalien gegen Hinweisgeber ergreifen,
  • mutwillige Gerichtsverfahren gegen den Hinweisgeber anstrengen oder
  • die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern verletzen.

Ausblick

Unternehmen sollten sich auf die kommenden Regelungen durch Einrichtung entsprechender Meldekanäle und Schulung der Mitarbeiter vorbereiten. Gerade im Hinblick auf mögliche Konflikte mit den seit dem 26. April 2019 geltenden Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) und dem dort in § 5 geregelten Ausnahmetatbestands der verbotenen Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie dem damit verbundenen Schutz von Whistleblowern muss sichergestellt werden, dass funktionierende und wirksame interne Meldekanäle für die Beschäftigten eingerichtet werden.

In weiteren Beiträgen wird SKW Schwarz Rechtsanwälte über die konkreten Pflichten, die Unternehmen treffen, im Detail berichten.

Die Experten von SKW Schwarz Rechtsanwälte stehen Ihnen für Fragen zur Whistleblower-Richtlinie jederzeit gerne zur Verfügung.

Autor/innen

Oliver Hornung

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