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23.06.2016

EU-Marktmissbrauchsverordnung erweitert Kapitalmarktregularien und hebt Teile des Wertpapierhandelsgesetzes auf

Durch die Reform des Marktmissbrauchsrechts durch die EU, die als Verordnung am 03. Juli 2016 ohne weitere Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber unmittelbar in Kraft tritt, weicht das bisherige deutsche dem europäischen Kapitalmarktrecht. Die neuen Regelungen sind komplexer und die bei einem Verstoß gegen diese Regeln nun drohenden Sanktionen sind schärfer als bisher. Mit Blick auf die bevorstehende Änderung der Rechtslage gibt dieser Artikel eine erste, wenn auch nicht komplette, Übersicht zu einigen der wesentlichen Änderungen. Erweiterter Anwendungsbereich

Die Marktmissbrauchsverordnung („MMVO“) erweitert zunächst einmal den Anwendungsbereich der Vorschriften. Während bisher die vom Wertpapierhandelsgesetz („WpHG“) gestellten Anforderungen nur von Emittenten zu beachten waren, die im regulierten Markt gehandelt wurden, gelten die Vorschriften der MMVO nun auch zumindest für diejenigen Emittenten, die in qualifizierten Freiverkehrssegmenten wie z. B. dem Entry Standard in Frankfurt oder dem m:access in München gehandelt werden. Emittenten, die in der Vergangenheit ein Downlisting in diese Freiverkehrssegmente vollzogen haben, um den regulatorischen Organisations- und Kostenaufwand, der im geregelten Markt erforderlich war, zu reduzieren, haben daher ab dem 3. Juli 2016 wieder den gleichen Stand wie vor ihrem Downlisting und damit ihr Ziel nicht wirklich erreicht.

Die Ablösung des WpHG durch die MMVO betrifft vor allem die Ad-Hoc-Publizität, das Insiderrecht und die Vorschriften für Directors’ Dealings.

Ad-Hoc-Publizität

Der bisherige § 15 WpHG wird durch Artikel 17 MMVO ersetzt.

Zwar entspricht der Begriff der Insiderinformation in der MMVO weitestgehend der bisherigen Begrifflichkeit nach WpHG, Allerdings müssen Ad-Hoc-Meldungen nunmehr nicht nur das Datum, sondern auch die Uhrzeit der Meldung angeben und insgesamt 5 Jahre statt des bisher vorgeschriebenen einen Monats auf der Internetseite des Emittenten sowie im Unternehmensregister eingestellt werden, was bei den Emittenten eine Umstellung ihrer Verfahrenspraxis erforderlich macht.

Auch die Möglichkeit, die Ad-Hoc-Meldung im Wege der Selbstbefreiung aufschieben zu können, wird verschärft. Sowohl bei Informationsleckagen als auch bei ausreichend präzisen Gerüchten im Markt hält die Selbstbefreiung nicht mehr Stand. Details hierzu werden sich aus einer dazu von der EU-Kommission noch zu erlassenden Verordnung ergeben, bei der ebenfalls eine Erweiterung der für eine wirksame Selbstbefreiung erforderlichen Dokumentationspflichten erwartet wird. Auch dies wird eine Umstellung der Verfahrenspraxis der Emittenten erfordern.

Insiderrecht

Auch für das zukünftige Führen von Insiderlisten durch die Emittenten ergeben sich massive Veränderungen. Der bisherige § 15b WpHG wird durch Artikel 18 MMVO ersetzt.

Damit können die bisher von der BaFin zur Verfügung gestellten Musterlisten für ein korrektes Insiderverzeichnis nicht mehr angewandt werden. Zwischenzeitlich hat die für diese Fragen jetzt zuständige European Securities and Markets Authority („ESMA“) auch ein deutschsprachiges Muster vorgelegt, das sich im Anhang des Links findet:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32016R0347&from=DE

Das Muster zeigt, das sich allein der Umfang der Informationen, mit denen nach der MMVO ein Insiderverzeichnis zu führen ist, deutlich erweitert hat. Gleiches gilt für die Belehrungspflichten des Emittenten. Auch hier muss die Verfahrenspraxis der betroffenen Emittenten also kurzfristig angepasst werden.

Directors’ Dealings

Ähnlich verhält es sich mit der Handhabung der Directors’ Dealings. Der bisherige § 15a WpHG wird durch Artikel 19 MMVO ersetzt. Mit dieser Neuregelung wird z. B. die Begrifflichkeit der Directors’ Dealings erweitert. So ist eine Schenkung oder Erbschaft der Aktien neuerdings auch ein Fall von Directors´ Dealings (Artikel 19 MMVO).

Und auch hier muss mit neuen Mustervorgaben gearbeitet werden. Die ESMA hat auch hierfür ein deutschsprachiges Muster vorgelegt, das sich im Anhang des Links findet:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32016R0523&from=DE

Mit diesem Muster werden ebenfalls umfangreiche Erweiterungen im Vergleich zur bisherigen Praxis vorgenommen. Nicht nur die Führungskräfte sind schriftlich zu belehren, sondern müssen ihrerseits die ihnen nahestehenden Personen informieren und dies entsprechend dokumentieren.

Darüber hinaus wird eine sog. Closed Period eingeführt. Danach sind Directors’ Dealings in einem Zeitraum von 30 Tagen vor der Veröffentlichung eines Zwischen- oder Jahresabschlussberichtes des Emittenten verboten. Auch darüber sollte der Emittent seine Führungspersonen schnell belehren, denn die MMVO enthält deutlich verschärfte Sanktionen.

Verschärfte Sanktionen

Der bisherige Bußgeldrahmen wird nicht nur insgesamt signifikant erhöht, er kann nun erstmals auch nach dem Konzernumsatz des Emittenten, der den Verstoß begangen hat, bemessen werden.

Darüber hinaus gilt nun auch das sog. Naming and Shaming: Die BaFin verhängt nicht nur wie bisher Bußen, sondern veröffentlicht auf ihrer Internetseite über einen Zeitraum von fünf Jahren auch die Identität der Betroffenen nebst Art und Charakter des Verstoßes.

Allein diese punktuelle Darstellung zeigt auf, dass auf die von der Rechtsänderung betroffenen Emittenten nicht nur viele offene Fragen warten, sondern auch viele Veränderungen zukommen, die es umzusetzen gilt.

Autor/innen

Tatjana Schroeder

Dr. Tatjana Schroeder

Partnerin (Of Counsel)

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