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29.01.2020

Esport als heiße Chance auch für „süße“ Marken? – Ein kurzer Guide!

Die mediale Aufregung rund um den elektronischen Sport, der Wettkampf zwischen menschlichen Spielern in Computerspielen, hält seit einiger Zeit nicht nur an, sondern nimmt stetig Anlauf zum nächsten Höhenflug. Die wirtschaftlichen Kennzahlen klettern teilweise so rasant in die Höhe, dass auch die letzten Esport-Zweifler langsam darüber nachdenken, ob es sich bei diesem Thema tatsächlich nur um einen temporären Hype handelt oder Esport doch eine bleibende Größe und neue Wertschöpfungskette ist.

Die weltweite Wachstumsrate des Esports seit dem Jahr 2015 beträgt im Jahr rund 36 %.1 So konnte der weltweite Umsatz von 308 Millionen Euro im Jahr 2015 auf prognostizierte 1,4 Milliarden Euro für das Jahr 2020 gesteigert werden. Bereits 32 %2 der Deutschen haben ein Esports-Match angesehen – 2015 waren es nur 12 %3. Bis 2022 soll die Anzahl der Menschen, die gelegentlich ein EsportMatch verfolgen auf 347 Millionen4 steigen. Esports-Turniere spielten im Jahr 2018 ca. 50 Millionen Euro Eintrittsgelder sowie 140 Millionen Euro Preisgelder für die Athleten des elektronischen Sports ein.5

Während somit die Zweifler noch am Zweifeln sind6, etablieren sich bereits die ersten Snack-Hersteller als internationale Vorreiter in der Branche des Esport.

Hohe Attraktivität der Esport-Branche insbesondere für Snack-Hersteller

Gerade auch für Snack-Hersteller macht die Branche besonders attraktiv, dass es sich bei den Zuschauern und Spielern des Esports um eine junge Zielgruppe handelt, die nur schwer über klassische Medien und klassische Werbung erreichbar ist. Der Hauptwerbeträger Fernsehen erreicht diese Zielgruppe kaum mehr.

Esportler sind meist (noch) weit überwiegend männlich, zwischen 18 und 34 Jahren alt, gut ausgebildet und überdurchschnittlich technikaffin. Die elektronischen Wettkämpfe werden noch überwiegend über Streaming-Angebote im Internet konsumiert. Entsprechend hatte Amazon den Streaming Platzhirsch Twitch.tv bereits im Jahr 2014 für ca. 1 Milliarde US-Dollar gekauft und seither kontinuierlich ausgebaut. Der deutsche Fernsehsender SPORT1 hat Anfang dieses Jahres den ersten deutschen 24-Stunden-Esports-Kanal eSPORT1 gestartet, um durch entsprechende inhaltliche Angebote die Zielgruppe zu erreichen.

Allerdings wächst auch die kommerzielle Bedeutung „physischer“ Events rasant. Die größten Titel – League of Legends und Overwatch – werden mittlerweile in großen Franchise-Systemen organisiert und setzen teilweise voraus, dass die teilnehmenden Teams über ein Heimatstadion verfügen. Die großen Turniere für den Titel Counter-Strike: Global Offensive (CS:GO) füllen in Deutschland die Arenen LANXESS in Köln und die Mercedes-Benz-Arena in Berlin mit zwischen 12.000 und 15.000 Besucher.

Somit verwundert es nicht, dass auch große internationale Unternehmen insbesondere aus der Lebensmittel-, Energy-Drink- und Süßwaren-Industrie die Gunst der Stunde nutzen wollen. So haben bereits Snickers, Coca-Cola, Pringles und beispielsweise Nestlé’s Lion Cereal einen erfolgreichen Testballon im E-Sport gestartet.

Computerspiel als Grundlage des Esport

Das jeweilige Computerspiel als zugrundeliegende „elektronische Sportart“ ist dabei auch aus rechtlicher Sicht der Dreh- und Angelpunkt des Esports. Ein Computerspiel wird als sog. komplexes Werk und vom Bundesgerichtshof (BGH) auch als ein sog. hybrides Werk7 bezeichnet. Ein komplexes Werk liegt mit einem Computerspiel deshalb vor, da die verschiedenen urheberrechtlichen Elemente wie die Story, die Musik, der Software-Code und die Grafik teilweise ihren eigenen Regeln unterliegen. Der BGH sieht das Computerspiel als ein hybrides Werk – ein Werk, das grundsätzlich als Computerprogramm (Software) geschützt ist und gleichzeitig verschiedene andere urheberechtlich geschützte Elemente (Story, Musik, Grafik) enthält, die in den Software-Code eingebettet und damit als Software-Code verkörpert sind.

Mit dem Computerspiel als urheberrechtlich geschütztem Werk, gehört damit die elektronische Sportart, anders als im traditionellen Sport, immer einem Individuum oder Unternehmen – regelmäßig dem Publisher.

Mit dem geistigen Eigentum an der zugrundeliegenden Sportart hält der Publisher auch die (rechtlichen) Zügel des jeweiligen Esport in der Hand. Dieser gibt die Spielregeln, das Spielfeld, die Tribünen als auch die Erlaubnis zum Spielen vor. Der Publisher ist auf der anderen Seite auch der größte Nutznießer einer wachsenden und florierenden Community um seine elektronische Sportart. In jedem Fall kommen Unternehmen, die an dieser Community und Sportart partizipieren wollen, an dem jeweiligen Eigentümer nicht vorbei.

Vom großen Franchise…

Auf der einen Seite gibt es Publisher, die die Zügel fest im Griff behalten und den Esport rund um ihre Spiele „von oben bis unten“ komplett vorgeben. Hier etabliert sich in letzter Zeit vermehrt die Organisation des Esports in Franchise-Systemen. Die Publisher geben dabei unter anderem feste Wettkampf-Regionen, die Spielregeln und den Ablaufplan der Liga vor. Die teilnehmenden Teams erkaufen sich ihren Platz im Franchise mit teurem Geld und unterwerfen sich vertraglich dem vorgegebenem Franchise-Regime – können dadurch aber auch nicht mehr im Wege einer Relegation wieder aus der Liga herausfallen.

Naturgemäß hat dies sehr umfangreiche und komplexe rechtliche Konstruktionen und Vertragsketten für alle Beteiligten zur Folge. Die Rollen der beteiligten Unternehmen sind in einem Franchise-System meist bereits von vorneherein festgezurrt. Die Größen und der Umfang der verfügbaren Werbe- und Sponsoring-Pakete sind mit allen Beteiligten vordefiniert und nur schwer verhandelbar.

Bereits kleinere vertragliche Anpassungen können schnell größere Aufwände generieren, um die Anpassungen auch auf den anderen Ebenen und Partner des Franchise-Systems durchzusetzen bzw. nachzuverhandeln – entsprechend groß muss der (kommerzielle) Anreiz zur Aufnahme dieser Anstrengungen sein. Die urheberrechtliche Situation des Publisher räumt diesem von Anfang an eine sehr ausgeprägte Verhandlungsposition ein. Im Ergebnis wird es regelmäßig nur wenige Möglichkeiten für individuelle Anpassungen geben.

Sobald man sich allerdings auf das Regime des Franchise-Systems einlassen kann, wird man mit einer vergleichsweise hohen Rechtsicherheit als auch Kalkulierbarkeit seiner Investition belohnt. Die rechtlichen Absprachen werden regelmäßig mit dem Publisher, dem Inhaber der elektronischen Sportart, getroffen. Als Herr des Franchise-Systems kann der Publisher die Interessen des partizipierenden Unternehmens wie Brand Safety, Sektor-Exklusivität in großen internationalen Regionen und am Ende die Werthaltigkeit der getätigten Investition am effektivsten schützen und „von oben“ durchsetzen. Diese Vorteile haben allerdings meist auch ihren entsprechenden Preis.

Im Ergebnis kann der Esport in Franchise-Systemen weniger Flexibilität, dafür relativ hohe Sicherheiten bieten.

…bis zur Turnierflut internationaler Dritt-Veranstalter

Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es auch Publisher, die ihre Spiele und den Esport der Community weitgehend selbstregulierend überlassen. Diese Publisher lizensieren ihre Spiele für elektronische Wettkämpfe freigiebig an jeden, der ein ordentliches Turnier organisieren will. Hierdurch hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl solcher Dritt-Veranstalter auf der ganzen Welt etabliert. Für Computerspiele wie „Counter-Strike: Global Offensive“ hat das zu einer regelrechten Flut an Wettkämpfen in jeder Größe und Form geführt. Das Spektrum reicht vom lokalen Stadtmatador bis hin zur internationalen Großveranstaltung.

Für Unternehmen, die sich in der Esport-Branche etablieren oder auch einfach nur mal ausprobieren wollen, bedeutet dies in erster Linie viel Freiheit. Das große Spektrum und die hohe Anzahl an Turnieren bzw. Turnierveranstaltern bietet zahlreiche Investitionsmöglichkeiten in Form von Werbe- und Sponsoring-Engagements. Je nach Budget, Zielgruppe und Risikobereitschaft ist für jeden etwas dabei. Auch die vertraglichen Verhandlungspositionen sind in der Regel wesentlich flexibler.

Die Freiheit und Flexibilität kommen mit dem Preis erhöhter (Rechts-)Unsicherheit. Die Verträge werden nicht mehr mit dem Rechteinhaber selbst geschlossen, sondern mit lizensierenden Dritten. Hierbei gilt es bei den Verhandlungen ein besonderes Augenmerk auf die rechtlichen Absicherungen und Garantien sowie fest vereinbarter Schadensregulierung zu werfen. Natürlich sind die seriösen Dritt-Veranstalter ebenfalls an einer möglichst sicheren rechtlichen Umgebung interessiert. Allerdings liegt dies nur bis zu einem gewissen Punkt in deren Händen. Aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Veranstaltern in derselben „elektronischen Sportart“ – im selben Computerspiel – ist die Beherrschbarkeit der Community durch den einzelnen eher beschränkt. So kann ein Unternehmen sich beispielsweise über die Kooperation mit einem größeren Veranstalter durchaus bereits in der gesamten Community des jeweiligen Esports etablieren, hat es allerdings nicht in der Hand, wie sich die Community zur gleichen Zeit unter den anderen Veranstalter entwickelt – dementsprechend höher ist das Risiko für die eigene Brand Safety und die Werthaltigkeit der Investition in den Esport für partizipierende Unternehmen. Dies lässt sich rechtlich auch nur sehr bedingt bis gar nicht kontrollieren.

Fazit

Die Möglichkeiten, sich im Esport zu etablieren, sind sehr vielfältig und umfangreich. Je nach Budget und Risikobereitschaft stellt diese aufstrebende Branche eine große Chance auch für den Snack-Bereich dar, eine Zielgruppe zu erreichen, die über klassische Medien nur noch sehr schwer zu erreichen ist. Mit der richtigen Balance zwischen Risiko und rechtlichen Absicherungen sowie einer angepassten Strategie sind allerdings auch in diesem schnelllebigen Dschungel dieser rasant wachsenden und zukunftsträchtigen Branche kalkulierbare und am Ende lohnende Investitionen möglich.

Veröffentlicht im Newsletter Süßwarenindustrie Spezial – Ausgabe 2020.

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1 www.game.de/marktdaten/esports-umsatz-weltweit-bis-2020/.

2 Deloitte, Continue to Play – Der deutsche eSports-Markt in der Analyse, S. 12.

3 www.game.de/marktdaten/esports-bekanntheit/.

4 Newzoo, 2019 Global esports market report, S. 23.

5 Newzoo, 2019 Global esports market report, S. 6.

6 Jung von Matt/SPORTS prägte hier bereits den Begriff COMO – „the cost of missing out“.

7 BGH, Urt. v. 27.11.2014, I ZR 124/11 – Videospiel-Konsolen II.

Autor/innen

Moritz Mehner

Moritz Mehner

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