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28.10.2019

Ein Upgrade für den Esport? Seit langem ringt die Esport-Szene um die Anerkennung des Esports als Sportart und begegnet dabei erneut Gegenwehr – zu Recht?

Ob Esport als gemeinnützig anerkannt werden kann, wollte nach Medienberichten der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wissen und gab dazu ein umfassendes Rechtsgutachten bei dem ehemaligen Vorsitzenden des Bundesfinanzhofs, Herrn Prof. Fischer, in Auftrag. Seine 120 Seiten lange Antwort bestätigt zum Teil die eher konservative Ansicht des DOSB, die einer Anerkennung des Esport als Sportart bisher prinzipiell ablehnend gegenübersteht, enthält jedoch auch einige insoweit kritische Aussagen. Hierzu sprach Dr. Markus Brock, Partner im Berliner Büro von SKW Schwarz und Mitorganisator der am 6. November 2019 anstehenden Esport-Veranstaltung „Esport Level-Up“, mit Hans Jagnow, Präsident des ESBD – Esport-Bund Deutschland e.V..

Dr. Markus Brock: Warum legt die Esport-Bewegung so viel Wert darauf, dass Esport als „klassischer“ Sport anerkannt wird? Geht es dabei ums Prinzip?

Hans Jagnow: Nein, ganz im Gegenteil. Es geht primär um zwei Aspekte, die eine solche Anerkennung mit sich bringen würde: Bei dem vom DOSB in Auftrag gegebenen Gutachten ging es um die Frage, ob Esport als gemeinnützig anzuerkennen ist. Dies hätte neben gesellschaftlichen Aspekten wie etwa der Förderung von gemeinschaftlichen Projekten über die Sportart Esport auch steuerliche Begünstigungen nach der Abgabenordnung zufolge, die für gemeinnützige Vereine gelten.

Dr. Markus Brock: Das klingt nachvollziehbar. Im Rahmen unserer Rechtsberatung von Akteuren der Esport-Szene stellen wir immer wieder fest, dass gerade bei jüngeren Generationen der Esport in der Praxis bereits teilweise an die Stelle „klassischer“ Sportarten tritt. Daher wäre es nur konsequent, diese Gleichstellung auch sportrechtlich umzusetzen. Was ist der zweite Aspekt?

Hans Jagnow: Zum anderen ist die Einreise nach Deutschland für professionelle Esportler aus Drittstaaten aktuell erschwert und mit bürokratischen Hürden verbunden, die für professionelle Sportler „klassischer“ Sportarten so nicht gelten. Denn aufgrund der hohen Antritts- und Preisgelder der Veranstaltungen benötigen Esportler aus EU-Drittstaaten aktuell noch einen Aufenthaltstitel zum Zwecke einer Erwerbstätigkeit. In der bisherigen Lösung dürfen sie sich zur Teilnahme an Veranstaltungen mit sportlichem Charakter – so werden Esport-Turniere inzwischen gesehen – wiederum nur maximal 90 Tage im Jahr bei uns in Deutschland aufhalten.

Markus Brock: Ich habe gehört, dass sich dies bald ändern könnte?

Hans Jagnow: Durchaus! Im September wurde durch das Bundesarbeits- und Bundesinnenministerium ein begrüßenswerter Referentenentwurf vorgelegt, der die Erwerbsmigration insgesamt vereinfachen soll. Er sieht unter anderem vor, dass professionellen ausländischen Esportlern Aufenthaltstitel künftig ohne die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit gewährt werden, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Gleichstellung von Berufssportlern mit professionellen Esportlern wäre ein wichtiger Schritt bei der Etablierung des Esports in Deutschland und würde die Ausrichtung internationaler Turniere und den Liga-Betrieb deutlich vereinfachen.

Dr. Markus Brock: Interessant! In der Abgabenordnung heißt es aktuell „Schach gilt als Sport“. Das Kriterium der körperlichen Betätigung kann also nicht der Grund sein, wieso Esport bislang noch nicht als Sport anerkannt wurde.

Hans Jagnow: Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des EuGH erachtet die körperliche Aktivität bei Sportarten als erforderlich. Schach hat als gesetzliche Fiktion in der Abgabenordnung eine Sonderstellung. Aber Esport muss sich damit gar nicht vergleichen lassen: der BFH sieht ja durchaus auch, dass präzise Kunstbewegungen die Anforderungen an körperliche Leistungen erfüllen. Beim Esport ist das die präzise Bedienung der Eingabegeräte. Dass der Sportbegriff auch Präzisionssportarten umfasst, hat der BFH zuletzt in seiner Entscheidung zum IPSC-Schießen klargestellt.

Markus Brock: Lehnt das Gutachten, das der DOSB in Auftrag gegeben hat, die Anerkennung von Esport als Sport pauschal ab?

Hans Jagnow: Das Gutachten lehnt die Anerkennung des Sportstatus von Esport vor dem Hintergrund einer im Ergebnis fehlenden Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung ab. Es erörtert die Thematik insgesamt zwar detailliert, geht andererseits aber auch bei weitem nicht auf alle aus unserer Sicht relevanten Aspekte ein, die hätten abgewogen werden müssen.

Dr. Markus Brock: Welche Auswirkungen wird das Gutachten auf die Position des DOSB aus Deiner Sicht haben?

Hans Jagnow: Das Gutachten, das inzwischen auch in starker fachlicher Kritik steht, hat statt mehr Klarheit mehr Verwirrung in die Debatte gebracht. Die eigene Positionierung des DOSB wird durch das Gutachten angegriffen, gleichzeitig formiert sich politischer und gesellschaftlicher Widerstand gegen die rückwärtsgewandte Position. Und den Vereinen, um die es eigentlich geht, fehlt Orientierung und Sicherheit. Der DOSB sollte daher aus meiner Sicht lieber die Chance nutzen, selbst mitzugestalten, wie Esport bestmöglich in unserer Sportgesellschaft gefördert werden kann, statt zu versuchen, den Esport „nicht mitspielen zu lassen“.

Dr. Markus Brock: Lieber Hans, ich sehe, dass das letzte Wort zu diesem Thema lange noch nicht gesprochen ist. Ich freue mich schon darauf, bei unserer anstehenden Esport-Veranstaltung „Esport Level-Up“ mit Dir weiter darüber zu sprechen, wie Esport auch rechtlich weiter gestärkt werden kann. Hab herzlichen Dank für das Gespräch!

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Markus Brock

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