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19.04.2023

Eckpunktepapier zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts vorgelegt

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat am 18.04.2023 ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts vorgelegt. Das im zehnten Buch der Zivilprozessordnung geregelte Schiedsverfahrensrecht, das zuletzt 1997 umfassend reformiert wurde, soll modernisiert werden. Damit soll es an die Bedürfnisse der heutigen Zeit angepasst werden. Zugleich soll die Attraktivität Deutschlands als Schiedsstandort gestärkt werden.

Bei der Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs will das BMJ zwölf Eckpunkte zugrunde legen, von denen wir die nachstehenden als am relevantesten bzw. interessantesten einordnen:

  • Im Wirtschaftsverkehr soll der Abschluss von formfreien Schiedsvereinbarung ermöglicht werden. Das soll Zweifel am Abschluss von Schiedsvereinbarungen auf elektronischem Weg beseitigen.
  • Für Schiedsverfahren, an denen mehr als zwei Parteien teilnehmen, soll eine gesetzliche Regelung für die Bestellung der Schiedsrichter eingeführt werden.
  • Wenn sich ein Schiedsgericht durch Zwischenentscheid für unzuständig befindet, soll dies zukünftig durch das Oberlandesgericht überprüft und die entsprechende Entscheidung gegebenenfalls gerichtlich aufgehoben werden können.
  • Mündliche Verhandlungen vor Schiedsgerichten sollen per Videokonferenz durchgeführt werden können. Auch soll es zulässig sein, diese Videokonferenzen aufzuzeichnen. Die Führung von Schiedsverhandlungen im Wege der Videokonferenz hat sich in den letzten Jahren etabliert und ist daher an sich nichts Neues. Eine solche Regelung hätte daher vor allem klarstellenden Charakter gibt den Schiedsrichtern aber Sicherheit, falls sich die Parteien nicht einig sind.
  • Es soll zulässig sein, dass bei Anträgen auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung von Schiedssprüchen sowohl der Schiedsspruch selbst als auch die begleitenden Schriftstücke in englischer Sprache vorgelegt werden können.
  • Sofern Bundesländer sogenannte Commercial Courts (spezielle Spruchkörper für wirtschaftlich bedeutsame Streitigkeiten an den Oberlandesgerichten) einführen, soll es möglich sein, dass diese für Anträge auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung von Schiedssprüchen für zuständig erklärt werden. Auch soll es zulässig sein, das Verfahren  vor diesen Commercial Courts im Einverständnis mit den Parteien in englischer Sprache zu führen.
  • Es soll ein außerordentlicher Rechtsbehelf zur Beseitigung von bereits bestandskräftigen inländischen Schiedssprüchen eingeführt werden, die unter sehr erheblichen Mängeln leiden (etwa beim Zustandekommen durch Bestechung oder Rechtsbeugung).
  • Wenn im Zusammenhang mit einem laufenden Schiedsverfahren beim Oberlandesgericht ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens gestellt wird, soll das Oberlandesgericht zugleich auch über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden können dürfen.

Über diese Eckpunkte hinaus spricht das Papier des BMJ einige Punkte an, die ergebnisoffen diskutiert und je nach Diskussionsergebnis Gesetzesbestandteil werden sollen.

  • Geprüft werden soll, ob ein sogenannter Eilschiedsrichter (emergency arbitrator) , wie ihn manche institutionellen Schiedsordnungen bereits kennen, auch in der Zivilprozessordnung verankert werden soll.
  • Weiter soll geprüft werden, ob eine gesetzliche Regelung zur Zulässigkeit von Sondervoten (dissenting opinions) in die Zivilprozessordnung aufgenommen werden soll. Solche Sondervoten sind in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nicht unüblich. Insbesondere aufgrund einer jüngeren Entscheidung des OLG Frankfurt ist aber fraglich, ob diese nach deutschem Zivilprozessrecht zulässig sind oder gegebenenfalls sogar einen Aufhebungsgrund darstellen können.
  • Auch Zuständigkeitsfragen sollen auf den Prüfstand: So soll diskutiert werden, ob gegebenenfalls gemeinsame Spruchkörper von Oberlandesgerichten in Schiedssachen über Landesgrenzen hinweg errichtet werden sollten. Weiter soll überprüft werden, ob bestimmte Zuständigkeiten, die  bisher Amtsgerichten zugewiesen sind, stattdessen auf Oberlandesgerichte übertragen werden sollen.