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08.03.2023

Doppelt hält besser: Dürfen Betroffene bei Datenschutzverstößen mehrere Rechtsbehelfe gleichzeitig einlegen?

Bei Datenschutzverstößen steht es Betroffenen grundsätzlich frei, zwischen unterschiedlichen Rechtsbehelfen auszusuchen. Wie verhält es sich aber, wenn Betroffene nicht nur einen, sondern mehrere Rechtsbehelfe parallel eingelegen möchten? Kann sich das Verwaltungsgericht bspw. mit demselben Sachverhalt befassen, der gleichzeitig auch vor dem Zivilgericht behandelt wird? Dies hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Januar 2023 (C-132/21) grundsätzlich bejaht.

1 Was war geschehen?

2019 nahm die betroffene Person an der Hauptversammlung des Verantwortlichen teil und richtete in diesem Zusammenhang mehrere Fragen an die Mitglieder des Verwaltungsrats sowie an weitere Teilnehmer. Im Nachhinein forderte die betroffene Person den Verantwortlichen auf, ihm die während der Versammlung aufgezeichneten Tonaufnahmen zu übermitteln. Dieser Aufforderung kam der Verantwortliche nur bedingt nach. Der betroffenen Person wurden Tonbänder ausgehändigt, welche nur seine Redebeiträge enthielten, aber nicht die Antworten auf die gestellten Fragen. Dabei berief sich der Verantwortlich darauf, dass es sich bei den Antworten um Daten Dritter gehandelt hätte, welche zu schützen seien.

Die betroffene Person beschwerte sich bei der Datenschutzaufsicht, welche die Beschwerde jedoch zurückwies, so dass Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht wurde. Gleichzeitig klagte die betroffene Person jedoch auch vor den Zivilgerichten, so dass zwei Gerichte über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hatten.

Während die Klage noch beim Verwaltungsgericht anhängig war, gab das Zivilgericht der Klage statt und stellte fest, dass der Verantwortliche das Recht der betroffenen Person auf Auskunft über seine personenbezogenen Daten verletzt habe. Dieses Urteil wurde rechtskräftig.

Da sich allerdings das Verwaltungsgericht nun mit dem gleichen Sachverhalt und derselben Problematik befassen musste, legte es dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob es im Rahmen seiner Urteilsfindung an das rechtskräftige Urteil des Zivilgerichts gebunden sei, welches sich auf denselben Sachverhalt beziehe und die gleichen Rechtsfragen zu klären sind. Da eine parallele Einlegung von Rechtsbehelfen durchaus zu einander widersprechenden Entscheidungen führen könne, sollte in diesem Zusammenhang insbesondere geklärt werden, ob einer der Rechtsbehelfe gegenüber dem anderen Vorrang habe. 

2 Wie hat der Europäische Gerichtshof entschieden?

Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass grundsätzlich eine parallele Einlegung von Rechtsbehelfen nach Art. 77 – 79 DSGVO zulässig sei. Die DSGVO stelle betroffenen Personen verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung, wobei jeder dieser Rechtsbehelfe "unbeschadet" der anderen eingelegt werden könne. Eine vorrangige oder ausschließliche Zuständigkeit könne aus der DSGVO nicht entnommen werden – unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts handele. Primäres Ziel der DSGVO in Anlehnung an Erwägungsgrund 10 sei ausschließlich, betroffenen Personen ein hohes Datenschutzniveau zu garantieren. Die parallele Einlegung mehrerer Rechtsbehelfe würde dieses Ziel garantieren und die Betroffenenrechte stärken.

Die konkrete Umsetzung eines hohen Datenschutzniveaus obliege nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs vor diesem Hintergrund den einzelnen Mitgliedstaaten.

3 Was bedeutet diese Entscheidung konkret für die Mitgliedsstaaten?

Die Mitgliedsstaaten sind nun im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie in der Pflicht, entsprechende Verfahrensvorschriften zu erlassen und dafür zu sorgen, dass ein Zusammenspiel der Rechtsbehelfe geregelt wird, „um die Wirksamkeit des Schutzes der durch diese Verordnung garantierten Rechte, die gleichmäßige und einheitliche Anwendung ihrer Bestimmungen sowie das in Art. 47 der Charta der Grundrechte niedergelegte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht zu gewährleisten.“

Gleichfalls gilt es im Sinne der einheitlichen Auslegung der DSGVO widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Dies dürfte vor allem über Rechtsmittel erreicht werden.

4 Fazit

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zeigt einmal mehr, welch überragende Bedeutung dem Schutz personenbezogener Daten zukommt. Unternehmen sollten daher stets aufmerksam darauf achten, sämtliche Datenverarbeitungen in Ihrem Betrieb gründlich zu überprüfen und die hierfür erforderlichen Schutzvorkehrungen zu treffen, um die Sicherheit und den Schutz dieser Daten zu garantieren.

Setzen Sie sich daher frühzeitig mit Ihren Datenverarbeitungsprozessen auseinander. Sollten Sie hierbei Unterstützung benötigen, kommen Sie auf uns zu. Wir helfen Ihnen in sehr gerne und stehen Ihnen mit unserem Expertenwissen zur Seite.

Autor/innen

Marwah Kamal

Marwah Kamal

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Franziska Ladiges

Franziska Ladiges

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