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16.05.2022

Die Masken des Fynn Kliemann – Woke Washing gone wrong

Zwei Jahre nach Beginn der Covid-19 sorgt eine neue Maskenaffäre, die der Satiriker Jan Böhmermann letzte Woche aufdeckte, für mächtig Aufschrei in der Influencer-Bubble: Im April 2020, als Atemschutzmasken noch ein rares Gut waren, vertrieb auch der für Nachhaltigkeitsthemen bekannte Influencer Fynn Kliemann gemeinsam mit einem Geschäftspartner Stoffmasken in Deutschland. Stoffmasken, die nach Aussage von Kliemann ausschließlich in Europa, genauer in Portugal und Serbien unter „fairen“ Bedingungen gefertigt worden waren und nur „1/10 von den Dingern der überteuerten Profitgeier“ kosteten. Für dieses noble Unterfangen bekam Kliemann 2020 sogar den Sonderpreis des Next Economy Awards von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis verliehen.

Laut Böhmermann jedoch viel Lärm um nichts: Denn die als fair und europäisch deklarierten Masken sollen nach Recherchen des ZDF tatsächlich zum Großteil unter unfairen Arbeitsbedingungen in Bangladesch und Vietnam gefertigt worden sein.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen Fynn Kliemann?

Neben Image-Schaden und Aberkennung des Sonderpreises drohen Kliemann möglicherweise auch rechtliche Konsequenzen. Während eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB auf Grund fehlenden Vermögensschadens auf Käuferseite wohl weniger relevant sein dürfte (die Masken weisen keine schlechtere Qualität auf als die von anderen Produktionsstätten), ist eine wettbewerbswidrige Herkunftstäuschung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG schon eher anzunehmen. Denn Werbung ist dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder unter anderem über die geographische oder betriebliche Herkunft des Produkts täuscht.

Das Label „Made in Europe“ für in Asien produzierte Masken ist ohne Zweifel eine solche Herkunftstäuschung. Denn bei diesem Begriff erwartet der Verkehr, dass die wesentlichen Produktionsschritte in einem europäischen Land erfolgt sind. Ähnlich wie bei „Made in Germany“ verbindet der Verkehr auch mit diesem Begriff bestimmte Qualitäts- und Sicherheitsstandards.

Und auch das Bewerben der Masken als „fair“ könnte eine unlautere, irreführende Handlung sein: Denn hier, so das OLG München in einem Fall zu „fairer Milch“, erwarten die Verbraucher, dass die Produktion und vor allem die Bezahlung der Arbeiter und Arbeiterinnen unter adäquaten und gerechten Konditionen abläuft. Davon kann bei einer Produktion der Masken in Bangladesch oder Vietnam nicht zwangsläufig ausgegangen werden.

Die Maskenaffäre als Beispiel für „Greenwashing/Woke Washing“

Der Kliemann’sche Maskenskandal ist damit ein weiteres prominentes, wenn auch sicherlich extremes Beispiel für sogenanntes „Greenwashing“ oder in diesem Fall besser gesagt: „Woke Washing“. Es liegt im Trend, Produkte und Dienstleistungen mit grünen oder sozial bedeutungsvollen Begriffen wie „nachhaltig“, „umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „pure/natural“ oder „fair“ zu bewerben. Damit signalisieren Unternehmen, dass sie für Klimaschutz oder die soziale Sache eintreten – das ist gut fürs Image und ein immer wichtigeres Kriterium für die Verbraucher und Verbraucherinnen bei ihren Kaufentscheidungen.

Doch so schön grüne Werbung klingt, so leicht tappen Unternehmen auch in die Falle Green/Woke Washing. Denn die Claims müssen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht wahr sein und dürfen auch sonst keine Fehlvorstellung bei Verbrauchern hervorrufen. Dabei legen deutsche Gerichte bei Umwelt- und Sozialwerbung besonders strenge Maßstäbe an.

Die aktuelle Relevanz dieser Thematik zeigt auch der geplante Maßnahmenkatalog der EU-Kommission im Rahmen des Green Deal, der Ende März vorgestellt wurde. Zur Bekämpfung von Greenwashing plant die EU weitreichende Anpassungen. Insbesondere sollen pauschale und vage umweltbezogene Aussagen wie „grün“ oder „öko“ per se verboten sein, wenn keine hervorragende Umweltleistung des Produkts oder Dienstleisters nachgewiesen werden kann. In Zusammenspiel mit den Neuregelungen im Rahmen des New Deal for Consumers könnten damit für Greenwashing künftig Bußgelder in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens anfallen.

Wie es mit den Masken von Fynn Kliemann weitergeht, bleibt abzuwarten. Was medial als Betrug bezeichnet wird, dürfte tatsächlich aber eher eine lauterkeitsrechtliche Herkunftstäuschung und ein Woke Washing-Beispiel par excellence sein.

Mitarbeit: Jakob Möller

Autor/innen

Christina Kufer

Christina Kufer

Senior Associate

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