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14.06.2019

Das Bundeskartellamt fordert mehr Flexibilität und Spielräume für Facebook-Nutzer

Das Bundeskartellamt hat der Facebook Inc. und der Facebook Germany GmbH („Facebook“) weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt.

Bildrechte: Production Perig – fotolia.com

Es fordert Facebook auf, den Nutzern die Möglichkeit der Einwilligung in die konzernübergreifende Datenverarbeitung entsprechend der DSGVO und nicht mittels der allgemeinen Nutzungsbedingungen einzuräumen. Facebook würde diese Nutzungsbedingungen aufgrund der in Deutschland vorherrschenden Marktmacht zu starr entwerfen. Der jeweiligen Nutzer würde dadurch in unzulässiger Weise zu stark eingeschränkt.

Facebook ist hingegen der Ansicht, dass das Bundeskartellamt das Wettbewerbsrecht in verfehlter Weise anwende, indem es Sonderanforderungen aufstelle, die nur für ein einziges Unternehmen gelten würden.

Die Entscheidung des Bundeskartellamts verwundert nicht und entspricht ständiger Rechtsprechung.

Die Facebook Inc. gewinnt – bei Betrachtung der Key Performance Indikatoren – jährlich an Nutzern dazu und ist im Alltag vieler Millionen Deutscher angekommen und zu Hause. Das soziale Netzwerk Facebook, die sehr beliebte Video- und Foto-Sharing App Instagram und die dazugehörigen Messengerdienste (WhatsApp und FB-Messenger) sind die vier beliebtesten Dienste bei den Nutzern. 75 % der Zeit, die Nutzer mit Apps verbringen, verbringen sie im Durchschnitt mit Applikationen der Facebook Inc.

Die Durchdringung des deutschen Marktes ist dabei als sehr hoch zu bewerten. Das soziale Netzwerk Facebook hat mit 23 Mio. täglichen und 32 Mio. monatlichen Nutzern einen Marktanteil von über 95 % bei den täglich aktiven Nutzern und von über 80 % bei den monatlich aktiven Nutzern. In WhatsApp sind es sogar 42 Mio. täglich aktive Nutzer und 46 Mio. pro Woche. Dies entspricht nahezu allen mündigen Personen in Deutschland ab dem Geburtsjahr 1955.

In der Vergangenheit waren diese Dienste eigenständig und sammelten somit auch eigenständig Nutzerdaten und Mitgliedschaften. Aufgrund des rapiden Wachstums von WhatsApp und Instagram übernahm die Facebook Inc. diese in weiser Voraussicht und erhielt in den folgenden Jahren immer weitreichendere Marktdurchdringung.

Aus wirtschaftlichen Gründen – insbesondere der Kosteneinsparung, Effizienz und Effektivität – möchte das Unternehmen die derzeit dezentrale Sammlung von Nutzerdaten in einem Facebook-Nutzerkonto zentral kollektivieren und verarbeiten.

In Zuge dessen verabschiedete das Unternehmen neue Nutzungsbedingungen für seine Plattformen. Danach könnte der Nutzer nun entscheiden, ob er Produkte der Facebook Inc. nutze und damit einer kollektiven Verarbeitung seiner Daten zustimme oder nicht. Grundsätzlich wäre diese Praxis durch die Privatautonomie eines jeden Einzelnen gedeckt. Die Nutzer sollen und können selbst im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich und rechtsverbindliche Regelungen treffen.

Aufgrund der Marktdurchdringung und Beherrschung der beliebtesten Apps – die fast alle dem Facebook-Konzern angehören – musste das Bundeskartellamt jedoch als Korrektiv tätig werden, damit die Grundsätze der Privatautonomie nicht konterkariert werden und der Nutzer geschützt wird.

Die Nutzungsbedingungen der Facebook Inc. würden die Nutzer zu stark in ihren Rechten einschränken, da soziale Medien und Nachrichtendienste – insbesondere Facebook, Instagram und WhatsApp – das soziale Gefüge der gegenwärtigen Gesellschaft prägen. Eine starre vertragliche Bindung würde die Nutzer daher vor die Wahl stellen, am Kreis der Aktiven und vernetzten 40 Mio. Deutschen teilzunehmen oder sich als Minderheit aus der Interaktion und dem sozialen Umfeld zurückziehen.

Damit würde die Privatautonomie aus praktischen Gesichtspunkten zu stark beschränkt. Die Nutzer könnten zwar eigenverantwortlich und rechtsverbindlich eine Willenserklärung abgeben, jedoch nur unter hohem sozialen Druck und nicht aus freiem Entschluss.

Das Bundeskartellamt agiert hier im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach können nicht nur überhöhte Preise, sondern auch die Unangemessenheit von vertraglichen Regelungen und Konditionen eine missbräuchliche Ausbeutung darstellen.

Regelungen und Konditionen seien angemessen, wenn die Nutzer selbst über die Verarbeitung ihrer Daten entscheiden könnten. Die Behörde verbietet Facebook nicht, weiterhin gewerblich tätig zu sein und Daten plattformübergreifend – oder auch über Dritte mittels Cookies, Pixeln und Verlinkungen – einzusammeln und zu verarbeiten. Dies soll weiterhin zulässig sein, jedoch unter der Voraussetzung, dass der jeweilige Nutzer Facebook seine Einwilligung erteilt.

Die Entscheidung des Bundeskartellamts hat ein großes Medienecho hervorgerufen. Sie entspricht inhaltlich jedoch der üblichen Spruchpraxis und war daher absehbar.

Wir empfehlen die weitere Entwicklung abzuwarten. Wir gehen davon aus, dass dieser Fall verschiedene Gerichte beschäftigen wird.

Autor/innen

Stefan Peintinger

Dr. Stefan Peintinger

Partner

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