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10.09.2019

Bundesgerichtshof verneint Möglichkeit der Berufung auf Gesellschafterliste in besonderen Ausnahmefällen

Für die Frage, ob ein GmbH-Gesellschafter seine Mitgliedschaftsrechte – insbesondere sein Stimmrecht – in der GmbH ausüben darf, ist die beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste maßgeblich. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wie der Bundesgerichtshof in einer kürzlich ergangenen Entscheidung urteilte.

Rechtlicher Hintergrund:

Die Gesellschafterliste hat im Recht der GmbH einen hohen Stellenwert. Im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter gilt grundsätzlich nur derjenige als Gesellschafter, der in die beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschafterliste unrichtig sein sollte, d. h. wenn die Angaben in der Gesellschafterliste nicht der tatsächlichen Inhaberschaft an der Gesellschaft entsprechen. Dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, hat nun der Bundesgerichtshof entschieden (BGH vom 2. Juli 2019 – II ZR 406/17).

Der Fall, der dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, betraf die Einziehung von Geschäftsanteilen des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH. Der Mehrheitsgesellschafter setzte sich gegen die Einziehung seiner Geschäftsanteile zur Wehr und erwirkte eine einstweilige Verfügung, aufgrund derer die Aufnahme einer Gesellschafterliste ohne ihn als Gesellschafter in das Handelsregister verboten wurde. Die Gesellschaft hat sich an dieses Verbot nicht gehalten und gleichwohl eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht, die nunmehr nur noch den Minderheitsgesellschafter auswies. Der Minderheitsgesellschafter hat in der Folge die formelle Legitimationswirkung der Gesellschafterliste genutzt und wichtige Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen. Ein solches Vorgehen verstoße laut Bundesgerichtshof gegen Treu und Glauben, so dass sich die Gesellschaft für die Wirksamkeit der getroffenen Entscheidungen nicht auf die Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste berufen könne.

Im Wesentlichen stützt der Bundesgerichtshof seine Argumentation auf zwei Aspekte: Zum einen sei eine Berufung auf die neue Gesellschafterliste ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Eine unzulässige Rechtsausübung liege immer dann vor, wenn sich ein Berechtigter auf eine Rechtsposition berufe, die er durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erlangt habe. Zum anderen müsse einem Gesellschafter, der eine einstweilige Verfügung erwirkt habe, ein effektiver Rechtsschutz ermöglicht werden. Dies sei nur gewährleistet, wenn sich die Gesellschaft nicht auf eine verbotswidrig eingereichte Gesellschafterliste berufen könne, bis eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergehe. Denn in der Zwischenzeit könne bereits ein Rechtsverlust des betroffenen Gesellschafters eingetreten sein.

Ausblick:

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist bemerkenswert, erkennt es doch an, dass die Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht uneingeschränkt gilt. Zugegeben, der entschiedene Fall ist besonders plastisch, und jede anders lautende Entscheidung des Bundesgerichtshofs hätte verwundert, hätte sie doch formale Kriterien über die Ahndung unredlichen Verhaltens und das Schutzbedürfnis von rechtmäßigen Rechtsuchenden gestellt. Und dennoch: Das Tor für Ausnahmen von der Maßgeblichkeit der Gesellschafterliste für die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in der GmbH ist geöffnet. Die weiteren Rechtsentwicklungen zu diesem Thema dürfen mit Spannung erwartet werden.

Autor/innen

Angela Poschenrieder

Dr. Angela Poschenrieder

Counsel

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