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07.07.2016

Bundesgerichtshof klärt die Frage, wann ein Kunstwerk urheberrechtlich unwesentliches Beiwerk ist

Das deutsche Urheberrecht kennt eine Ausnahme von der Zustimmungspflichtigkeit des Künstlers bei der Verwertung seines Werkes, wenn dieses lediglich unwesentliches Beiwerk in einem anderen Werk darstellt. Das Gesetz schweigt allerdings dazu, wann die Voraussetzungen für unwesentliches Beiwerk erfüllt sind. Nun hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand dann unwesentlich ist, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Darüber hinaus ist ein Werk nicht als unwesentliches Beiwerk anzusehen, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in das Hauptwerk oder den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst – etwa für eine Film- oder Theaterszene – charakteristisch ist.

In dem betreffenden Fall ging es um eine Nutzung eines Gemäldes in dem Möbelkatalog der Beklagten, für welche der Künstler keine Zustimmung erteilt hat. Die Parteien hatten zuvor vereinbart, mehrere  Werke  des  Klägers  auszustellen, zu denen auch das betreffende Gemälde zählte. Später bemerkte der Kläger, dass im Katalog der Beklagten eine Fotografie veröffentlicht worden war, auf der neben den in der Verkaufsausstellung der Beklagten präsentierten Möbeln auch sein Gemälde zu sehen war. Der Kläger nahm das Möbelunternehmen wegen der Darstellung des Gemäldes in dessen Katalog in Anspruch. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung der Vorinstanzen, die der Auffassung waren, es habe sich um unwesentliches Beiwerk gehandelt, auf. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Wesentlichkeit des Werks aus der Sicht eines objektiven Durchschnittbetrachters unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Falles zu bestimmen sei. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn sei auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter  auffiele oder ohne, dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Das Beiwerk muss im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe eine untergeordnete Bedeutung haben. Eine solche untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen  dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst charakteristisch ist. Ob das strittige Gemälde tatsächlich ein unwesentliches Beiwerk ist, hat der BGH offen gelassen und die Sache zurück an das Berufungsgericht verwiesen.

Die Entscheidung ist von weittragender Bedeutung bei Einbettungen von Kunstwerken in andere Werke, etwa als Hintergrund von Fotografien, Bühnen- oder Filmszenen. Mit seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof die Rechte der bildenden Künstler gestärkt.

Autor/innen

Ulrich Reber

Dr. Ulrich Reber

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