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28.03.2022

Bundesarbeitsgericht billigt im Einzelfall robustes Arbeitgebervorgehen bei Aufhebungsverhandlungen (BAG, Urteil vom 24.2.2022 – 6 AZR 333/21)

Sind Arbeitgeber zu der Überzeugung gelangt, ein Arbeitnehmerfehlverhalten rechtfertige eine außerordentliche Kündigung, wird diese in der Praxis dennoch nicht automatisch ausgesprochen. Häufig unternimmt der Arbeitgeber stattdessen den Versuch, die Trennung über einen Aufhebungsvertrag herbeizuführen. Die Beweggründe können vielschichtig sein; Zweifel am Bestand der Kündigung vor dem Arbeitsgericht, mögliches Mitverschulden, so durch organisatorische Versäumnisse und mangelnde Überwachung, Sorge von einem Imageschaden bei gerichtlicher Auseinandersetzung oder auch eine Schutzgedanke für den Arbeitnehmer, wenn dieser etwa langjährig beschäftigt war.

Im vorliegenden Fall erhob der Arbeitgeber gegenüber einer Teamkoordinatorin Verkauf den Vorwurf, diese habe unberechtigt EDV-Einkaufspreise abgeändert, um auf diese Weise einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. Der Geschäftsführer  und der spätere Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers führten ein Gespräch mit der Arbeitnehmerin, in dem sie die Arbeitnehmerin zur sofortigen Unterzeichnung eines vorbereiteten Aufhebungsvertrages aufforderten. Sollte dies nicht erfolgen, würde der Arbeitgeber fristlos kündigen und eine Strafanzeige erstatten. Nach einer zehnminütigen Pause, in der die drei Anwesenden schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag.Die Arbeitnehmerin focht den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an. Sie habe um eine längere Bedenkzeit gebeten, um Rechtsrat einzuholen, was ihr verweigert worden sei. Der Arbeitgeber habe gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm hat sie auf Berufung des Arbeitgebers abgewiesen. Auch die Revision der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht unterstreicht, dass es an der Widerrechtlichkeit der Androhung einer außerordentlichen Kündigung fehle, weil ein verständiger Arbeitgeber im vorliegenden Fall sowohl eine außerordentliche Kündigung als auch eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Auch sei die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin nicht durch die Aufforderung zur sofortigen Annahme des Aufhebungsvertrags verletzt worden. Der Arbeitgeber habe nicht unfair verhandelt und gegen seine Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.

Fazit: Arbeitgeber dürfen jedenfalls dann, wenn sie den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen können, resolut vorgehen, um Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages bei Vermeidung des Kündigungsausspruchs zu bewegen. Das Bundesarbeitsgericht sieht auch in einer solchen Situation eine noch ausreichende Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers als gegeben an.