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14.01.2019

BGH erhöht Rechtssicherheit beim „Acting in Concert“

Ein Konzert braucht nunmehr zwei Strophen. Dies ist eine neue und erstmals klarstellende BGH-Entscheidung, die die bisherige BaFin-Praxis aushebeln dürfte.

In seinem Urteil vom 25.09.2018 – II ZR 190/17 hat der BGH erstmals eine für die kapitalmarktrechtliche Praxis wichtige Frage zum WpHG und WpÜG geklärt, indem er entschieden hat, dass die sog. Einzelfallausnahme bei einem „Acting in Concert“ formal und nicht materiell zu verstehen ist. Hintergrund des „Acting in Concert“

Das sog. „Acting in Concert“ in Bezug auf eine börsennotierte Gesellschaft bedeutet, dass – häufig aufgrund von Stimmbindungs- oder Poolverträgen, die mittlerweile eigentlich auch im Transparenzregister veröffentlicht sein müssten – sämtlichen Beteiligten gegenseitig und in voller Höhe die Stimmrechte aus den von ihnen gehaltenen Aktien zugerechnet werden (§ 34 Abs. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG). Dies hat Relevanz sowohl für die Stimmrechtsmitteilungspflichten (§ 33 WpHG) als auch für die Pflicht zur Abgabe von Übernahmeangeboten (§§ 29 ff. WpÜG). Ein „Acting in Concert“ setzt dabei voraus, dass der Meldepflichtige bzw. Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken. Ausgenommen sind dabei allerdings Verhaltensabstimmungen in Einzelfällen. Unter welcher konkreten Voraussetzung eine solche Einzelfallausnahme vorliegt, war bislang nicht eindeutig geklärt.

Teilweise wurde das Vorliegen eines Einzelfalls danach beurteilt, ob das „Acting in Concert“ eine nachhaltige Folge für die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft nach sich zieht. Ein Einzelfall schied deshalb bereits dann aus, wenn einer solchen zwar einzelnen, aber eben abgestimmten Maßnahme ein besonderes Gewicht zukommt oder mit ihr zusätzlich eine weitreichende Zielvereinbarung verbunden war. Dies ist die materielle Sichtweise.

Nach der Gegenauffassung ist der Einzelfall ausschließlich nach der Häufigkeit des abgestimmten Verhaltens zu bestimmen. Einen Einzelfall stellen danach insbesondere alle Abstimmungen dar, deren Umsetzung nur eine einmalige Handlung erfordert, wie etwa die Abwahl und Neubesetzung des Aufsichtsrats in einer Hauptversammlung. Eine solche Einzelfallabstimmung begründet danach auch dann kein „Acting in Concert“, wenn sie ggf. erhebliche oder dauerhafte unternehmenspolitische Folgen nach sich zieht. Dies ist die formale Sichtweise.

Der BGH hat sich nun erstmals für die formale Auslegung entschieden. Zur Begründung stellt der BGH zu Recht auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sowie auf den Sinn und Zweck der Regelungen in §§ 21 ff. WpHG a.F. ab. Wenn bereits die Vereinbarung zu einer einzigen Abstimmung eine Einzelfallausnahme im vorgenannten Sinne ausschließen könnte, sofern diese Abstimmung nur eine „hinreichend nachhaltige Wirkung in der Zukunft zeitigt“, hätte dies zur Folge, dass im Vorfeld nicht selten unklar sein dürfte, ob diese Abstimmung  später als ein „Acting in Concert“ zu qualifizieren sein wird oder nicht. Eine solche Rechtsunsicherheit wäre auch nicht durch den Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt. Ziel der Mitteilungspflichten ist die Schaffung von Transparenz über die wesentliche Eigentümerstruktur börsennotierter Gesellschaften. Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist es, „nicht stetig wechselnde Mehrheiten“ einem Zurechnungserfordernis zu unterwerfen. Folgerichtig geht der BGH auch davon aus, dass ein abgestimmtes Verhalten nur dann zugerechnet wird, wenn es auf eine „gewisse Beständigkeit ausgerichtet“ ist.

Neue BaFin Position?

Da die BaFin in ihrer Verwaltungspraxis bislang zur materiellen Betrachtung tendierte, wird sie nach der nun klaren anderen Position des BGH ihre Verwaltungspraxis neu zu überdenken haben. Es wird spannend, wie lange es dauert, bis die BaFin erstmals Position bezieht.

Autor/innen

Tatjana Schroeder

Dr. Tatjana Schroeder

Partnerin (Of Counsel)

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