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21.07.2021

BGH bejaht Auskunftsanspruch für interne Dokumente

Mit Urteil vom 15. Juni 2021 (Az. VI ZR 576/19) hat der BGH einige bislang umstrittene Fragen zum Umfang des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO geklärt. Im Fall eines Versicherungsnehmers bejahte der BGH einen umfangreichen Auskunftsanspruch, welcher sich insbesondere auch auf interne Vermerke und Prüfungen sowie der betroffenen Person bereits bekannte Vorgänge bezieht.

Die Aktualität der Fragen zeigt sich darin, dass im April 2021 bereits das BAG einen Fall zur Reichweite des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu entscheiden hatte (Urteil vom 27.04.2021, 2 AZR 342/20). Die Entscheidung hatte Michael Wahl, Partner bei SKW Schwarz im Arbeitsrecht, bereits im Handelsblatt kommentiert.

Das BAG hat in dieser Entscheidung offenlassen können, ob auch Kopien von E-Mails, in denen der entsprechende Arbeitnehmer erwähnt wird, von Art. 15 DSGVO umfasst sind. Der Antrag des Klägers war dem BAG zu unbestimmt, da dieser nicht genau bezeichnete, welche konkreten E-Mails die Beklagte überlassen sollte. Dadurch sei eine Vollstreckung im Vollstreckungsverfahren nicht möglich. Bezüglich der möglichen Schwierigkeit der Bezeichnung und Aufzählung verwies das BAG auf die Stufenklage, die einen Auskunftsanspruch umfasst. Wieweit dieser aber reicht, brauchte nicht entschieden werden. 

Dies war dem BGH im Urteil vom 15. Juni 2021 nicht möglich. Genau genommen ging er sogar über das BAG hinaus, indem der BGH eine Konkretisierungspflicht verneinte, da sich der Umfang der Auskunft nach seiner Auffassung bereits aus dem Gesetz ergebe. Insofern sind sämtliche personenbezogene Daten zu beauskunften, unabhängig davon, ob diese dem Anfragenden bereits bekannt sind oder nicht bzw. ob diese konkret bezeichnet wurden oder nicht. Dies umfasst alle Informationen des Verantwortlichen, welche sich objektiv bzw. subjektiv auf die betroffene Person beziehen. Aus diesem Grunde können Gegenstand des Auskunfts- und Kopieanspruchs auch die folgenden Unterlagen sein:

  • Korrespondenz zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen
  • Korrespondenz über die betroffene Person mit Dritten
  • Interne Kommunikation beim Verantwortlichen
  • Interne Vermerke

Eine Grenze zog der BGH lediglich dort, wo die personenbezogenen Daten die Basis für eine weitere (rechtliche) Bewertung bilden. Die (rechtliche) Bewertung ist vom Auskunftsanspruch im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH nicht erfasst. Zwar könne diese Bewertung / Analyse personenbezogene Daten enthalten, stelle selbst aber keine Information über die betroffene Person dar. Aus diesem Grunde liegen insofern keine personenbezogenen Daten vor. Gleiches gilt für weitere Schlüsse/Berechnungen/etc., welche auf personenbezogene Daten gestützt werden. So habe die betroffene Person keinen Anspruch auf Auskunft über Provisionszahlungen des Verantwortlichen an Dritte.

Mangels ausreichender Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen musste sich der BGH leider nicht zu der für Unternehmen spannenden Frage der Auslegung von Ausschlussnormen äußern. So blieb insbesondere unbeantwortet, inwiefern der Auskunftsanspruch aufgrund von Unverhältnismäßigkeit oder Rechten und Freiheiten anderer Personen beschränkt oder ausgeschlossen werden kann.

Zugunsten des Verantwortlichen hat der BGH schließlich noch festgestellt, dass der Verantwortliche es selbst in der Hand hat einen Auskunftsanspruch als erfüllt zu bezeichnen, indem er zum Ausdruck bringt, dass die erteilte Auskunft dem geschuldeten Gesamtumfang entspricht. Insofern ist unter Umständen ausdrücklich zu erwähnen, dass bestimmte Arten von Daten nicht existieren, z.B. interne Vermerke. Eine etwaige inhaltliche Unrichtigkeit stände einer Erfüllung nicht entgegen. Hier bleibt jedoch offen, dass unrichtige Auskünfte selbstverständlich durch die Aufsichtsbehörden verfolgt werden können. Zudem kann die betroffene Person jederzeit verlangen, dass der Verantwortliche die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft eidesstattlich versichert. Aus diesem Grunde sollte die Vollständigkeit der Auskunft nur bestätigt werden, wenn diese aus Sicht des Verantwortlichen tatsächlich sämtliche zu beauskunftende Daten enthält.

Folgen des Urteils

Durch einen so interpretierten Auskunftsanspruch werden Unternehmen / Arbeitgeber vor große Herausforderungen gestellt. Betroffene Personen / Arbeitnehmer können leicht in Versuchung geraten, den Auskunftsanspruch aus strategischen Erwägungen geltend zu machen. So wird der Auskunftsanspruch bereits heute dazu genutzt, um eigentlich kostenpflichtige Unterlagen (z.B. Kontoübersichten) nachzufordern oder Dokumente zur Vorbereitung von Gerichtsverfahren zu erlangen.

Dadurch könnte es zu einer faktischen pre-trial discovery nach US-amerikanischen Vorbild kommen, durch die beispielsweise vor bzw. während eines (Kündigungsschutz-)Prozesses sensible und taktisch wertvolle Informationen dem Kläger / Arbeitnehmer offenbart werden müssten. Dieses Wissen könnte im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses u.a. für Abfindungsverhandlungen instrumentalisiert werden. Die Konsequenz, dass Unternehmen z.B. im Rahmen eines Personalabbaus aufgrund eines befürchteten Auskunftsanspruchs anzuraten ist, taktische Erwägungen und Planungen lediglich mündlich zu besprechen, kann im aktuellen Zeitalters der Digitalisierung zumindest nicht das gewünschte Ziel sein. Im deutschen Zivilprozessrecht ist eine pre-trial discovery jedenfalls nicht angelegt.

Zu berücksichtigen ist neben der pre-trial Problematik ebenfalls der organisatorische und administrative Aufwand für Unternehmen, der durch einen umfassenden Anspruch auf Herausgabe von z.B. Kopien sämtlicher E-Mails, in denen die betroffene Person / der Arbeitnehmer auftaucht, dem Unternehmen auferlegt wird. Dieses müsste nicht nur Sorge dafür tragen, dass der Auskunftsanspruch vollständig erfüllt wird, sondern müsste gleichzeitig sicherstellen, dass personenbezogene Daten Dritter ausreichend geschützt sind.

Praxistipp

Das Urteil des BGH ist an sich nicht wirklich überraschend, da es am Ende nur klarstellt, dass sämtliche personenbezogene Daten zur betroffenen Person auch zu beauskunften sind. Damit kommt allerdings auch eine Menge Arbeit auf die Unternehmen zu und es besteht immer die Gefahr, dass der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch zur Vorbereitung von Klagen genutzt wird. Unternehmen sind insofern gut beraten, mögliche Einschränkungen und Ausschlüsse des Auskunftsanspruchs aufgrund von Unverhältnismäßigkeit oder der Rechte und Freiheiten dritter Personen genau zu prüfen. Zu diesen Fragen hat sich der BGH nicht geäußert und sie werden sicherlich in den nächsten Monaten Gegenstand der Auseinandersetzungen zwischen betroffenen Personen und Verantwortlichen werden. Hierbei stehen wir Ihnen gerne sowohl arbeits- als auch datenschutzrechtlich gerne zur Seite.

Autor/innen

Sabrina Hochbrückner

Sabrina Hochbrückner

Senior Associate

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Franziska Ladiges

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