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18.01.2017

Auswirkungen des Brexit auf Unionsmarken und EU-Designs

Im Juni 2016 haben die Briten abgestimmt und sich mit einer knappen Mehrheit von 51,9% dafür entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Während gegenwärtig Ungewissheit über die konkreten Szenarien eines Austritts herrscht, insbesondere, ob Großbritannien mög­licherweise etwa Mitglied des EWR oder der EFTA werden wird, dürfte feststehen, dass das Vereinigte Königreich nach einem formellen Austritt nicht mehr von bisherigen gemeinschaftsweiten Rechten wie der Unionsmarke oder dem eingetragenen Gemein­schaftsgeschmacksmuster (Design) umfasst sein wird.

Ein Großteil der Kennzeichen und Designs von Süßwaren sind über Unionsmarken bzw. Gemeinschaftsgemacksmuster ge­schützt. Unternehmen, die weiterhin Schutz für ihre bestehenden Rechte in Großbritannien beanspruchen wollen, sollten daher beizeiten Vorkehrungen treffen und ihre Strategie entsprechend ausrichten.

1. Unionsmarken

Es ist anzunehmen, dass es, ähnlich wie bei der Aufteilung bzw. Neugründung von Nationalstaaten wie etwa Russland, Ukraine, Kasachstan oder Kosovo im Madrider Markensystem (IR-Marke) Übergangsfristen geben wird, während derer die Markeninhaber in der Lage sein werden, ihre Unionsmarke in Großbritannien in eine nationale Marke umzuwandeln und dabei die Priorität der ursprüng­lichen Unionsmarke aufrecht zu erhalten. Wie genau das Britische Markenamt diese Regelung umsetzen wird, ist ungewiss und dürfte auch ein Gegenstand der Austrittsverhandlungen sein. Diskutiert werden derzeit insbesondere Regelungen, wie sie etwa in den ehemaligen Einzelstaaten des früheren Jugoslawiens umgesetzt wurden: so wurde beispielsweise in Montenegro eine automatische Fortgeltung von Marken, die bis zum Stichtag der Arbeitsaufnahme des dortigen Markenamtes eingetragen waren, bestimmt, während nach diesem Tag vom jugoslawischen Amt eingetragene Marken innerhalb eines Jahres revalidiert werden mussten. Alternativ käme auch eine obligatorische Revalidierung sämtlicher bis zu einem Stichtag eingetragenen Unionsmarken in Betracht.

Anzunehmen ist allerdings, dass Unionsmarkenanmeldungen ab dem Zeitpunkt des formalen Austritts das Vereinigte Königreich nicht mehr umfassen werden. Vor diesem Hintergrund bietet es sich einmal mehr an, europäischen Markenschutz über eine IR-Marke zu erlangen, d.h. auf Basis einer vorangehenden natio­nalen Anmeldung. Im Rahmen der IR-Anmeldung kann neben der Europäischen Union u.a. auch Großbritannien benannt werden, ohne dass – wie etwa bei einer Umwandlung in ein nationales Recht – ein Inlandsvertreter eingeschaltet werden muss.

Weitere Folgen des Brexits betreffen die Rechtsdurchsetzung

Insbesondere werden gemeinschaftsweite Unterlassungsklagen bzw.–Verfügungen nicht länger das Vereinigte Königreich mitum­fassen. Vielmehr muss der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke zwei Verfahren anstrengen, um die gesamte Europäische Union einschließlich Großbritannien abzudecken. Um eine bereits beste­hende gemeinschaftsweite Unterlassungsverfügung aufrechtzu­erhalten, muss ferner ein weiteres Verfahren eingeleitet werden, um eine Markenverletzung in Großbritannien ab dem Austritt zu verhindern.

Ferner wäre eine Gemeinschaftsmarke, die allein in Großbritannien benutzt wurde, künftig ggf. löschungsreif, sofern keine rechtser­haltende Benutzung in der restlichen EU innerhalb des relevanten Zeitraums stattgefunden hat. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob eine neue Benutzungsschonfrist zu laufen beginnt, wenn eine Unionsmarke, die bislang nicht in Großbritannien benutzt wurde, dort nach dem Austritt revalidiert bzw. erstreckt wird.

Auch ein EU-weiter Grenzbeschlagnahmeantrag wird nach Austritt nicht mehr in Großbritannien wirken; hier ist ggf. ein nationaler Antrag zu stellen.

Schließlich müssen existierende oder künftige Lizenzverträge oder Abgrenzungsvereinbarungen, die Unionsmarken bzw. das Territorium der EU zum Gegenstand haben, untersucht und ggf. angepasst werden.

2. Eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Designs)

Entsprechendes gilt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Auch hier dürfte nach einem Austritt eine automatische Umwandlung in ein nationales eingetragenes Design oder eine erneute Anmeldung bzw. Revalidierung eines Geschmackmusters in Großbritannien erforderlich werden. Welcher Weg hier eingeschlagen wird, ist insbesondere im Hinblick darauf von existentieller Bedeutung, ob eine bestehende Priorität bzw. Neuheit des Designs in Anspruch genommen werden kann.

Gleichermaßen wird das nicht eingetragene Gemeinschaftsge­schmacksmuster ab Austritt nur noch Schutz für das verbleibende Territorium der EU bieten, sofern es innerhalb der EU veröffent­licht wurde. Sofern die nationale britische Gesetzgebung nicht entsprechende Neuregelungen schafft, würden Designer innerhalb des Vereinigten Königreichs entsprechende nicht eingetragene Geschmacksmusterrechte verlieren.

Praxisempfehlung:

Im Hinblick auf die erleichterten und in der Regel kosteneffizien­teren Umwandlungsmöglichkeiten empfehlen wir, Marken, die Schutz in der EU einschließlich Großbritannien genießen sollen, künftig über eine internationale Registrierung anzumelden. Bei künftiger Anmeldung bzw. Eintragung von europaweiten Designs ist dieser Weg leider nicht möglich, da Großbritanni­en bislang nicht Mitglied des Haager Abkommens ist. Daher muss neben einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster künftig auch ein Design für Großbritannien national angemeldet werden, um einen entsprechenden territorialen Schutz zu erreichen. Lizenz- und Abgrenzungsverträge, die EU-Marken oder Ge­schmacksmuster zum Gegenstand haben bzw. sich auf das Territorium der EU beziehen, sollten analysiert und ggf. durch zusätzliche vertragliche Regelungen angepasst werden.

Autor/innen

Dorothee Altenburg

Dr. Dorothee Altenburg

Partnerin

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